Jubeln, kreischen, pfeifen. Emotionen, wie beim Fußball. Die Menschen sind elektrisiert. „Damit habe ich nicht gerechnet“, sagt ein Tourist aus Braunschweig, der eher zufällig in dieses „Stadion“ gelockt wurde.
Er wollte eigentlich nur Hafen City und Elbphilharmonie erkunden, nun hockt er auf den Steinstufen vor dem Unilever-Haus und reckt den Hals.
Die Menschen stehen in Vierer-Reihen an der Kaimauer, recken die Hälse Ohhhhhen, Uhhhhen, blasen die Backen auf, ziehen geräuschvoll die Luft zwischen den Zähnen ein, wenn es wieder einmal so richtig knapp wird. Schwer zu glauben, dass es hier tatsächlich ums Segeln geht.
Elektrisiert von Segelbooten
Aber die 20.000, die der Veranstalter der Extreme Sailing Series im Verlauf dieses Tages auf dem Event Gelände gezählt haben will, lassen sich wirklich von Booten elektrisieren, die vom Wind angetrieben werden.
Sie lassen sich mitreißen, wenn die irren Foiler auf der Norderelbe oft nur eine Armlänge entfernt an der Spundwand vorbei rasen. Wenn sie mit dem Luvschwimmer beim Foilen ins Wasser klatschen, nach Luv kippen, und mit dem Mast Menschen abzuräumen drohen.
Sie applaudieren wie über ein Zirkus-Kunststück, wenn sich ein zehn-Meter-Kat aus dem Wasser heb. Wenn er aus dem Low-Ride-Modus plötzlich von einer Böe getroffen wird, scheinbar unkontrolliert die Richtung ändert und Gas gibt. Wenn eines der Teams weit hinten liegend plötzlich den Turbo Boost einschaltet und am ganzen Feld vorbei hämmert. Wenn es mit Full Speed auf das Leegate zuhält, wo sich der Rest des Feldes langsam um die Tonne quetscht. Wenn der Skipper im letzten Moment die Ruder zum Bremsen querstellt, um nicht quer über ein gegnerisches Trampolin zu nageln.
Glück gehört dazu
Wer hätte gedacht, dass Segeln so attraktiv sein kann? Schon im vergangenen Jahr hat die Extreme Sailing Series in Hamburg eine tolle Show geboten. Es gehörte viel Glück dazu, denn nicht immer spielt das Wetter in der Hansestadt so mit. Warme Temperaturen und richtig viel Wind.
Aber auch diesmal ist es so. Rasmus meint es gut mit den Veranstaltern und Seglern. Aber das Glück gehört den Tüchtigen. Wer damit zu tun hatte, so ein Event in Hamburg zu veranstalten, muss mit Engelszungen auf die Geldgeber eingeredet haben, um die nötigen Visionen zu erzeugen.
Denn immer noch wirkt der 2007-Supergau in Deutschland nach, als ARD und ZDF ganz groß in den America’s Cup einstiegen und für ihre Risikobereitschaft mächtig bestraft wurden. Endlos viele Rennen fielen aus, Sendezeiten konnten nicht eingehalten werden, das deutsche Team segelte hinterher. Seitdem braucht man hierzulande TV-Verantwortlichen nicht mehr mit diesem komischen Segeln zu kommen.
Revolution hat längst begonnen
Aber sie haben noch nicht verstanden, dass sich dieser Sport geändert hat. Das Zeitalter des Foilens verändert alles. Die Revolution begann beim America’s Cup 2013, und nun funktioniert es auch mit der Extreme Sailing Series.
Segler müssen nicht mehr kleine Brötchen backen, wenn sie gegenüber Nichtwissenden über die Attraktivität ihres Sports philosophieren. In Hamburg kann sich jeder selber davon überzeugen, wie das Tragflächensegeln diese Disziplin neu gestaltet hat.
Und es wird weiter so gehen. Das Zeitalter des Foilens hat begonnen. Ein Großteil der Olympiaklassen wird sich bald auf Tragflächen heben. Und immer mehr Normalo-Segler werden mit dieser neuen Variante des Sports in Kontakt kommen. In Hamburg sieht man nur den Anfang einer Entwicklung.
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