FD Worlds: Deutsches Team unfair gesegelt? – Erstaunliche Regel-Auslegung
„Es ist wie verhext“
von
Carsten Kemmling
Die Flying-Dutchman-Klasse diskutiert bei ihrer WM im neuseeländischen Nelson über eine erstaunliche Disqualifikation einer deutschen Crew. Das Video wirft Fragen auf.
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44 Antworten zu „FD Worlds: Deutsches Team unfair gesegelt? – Erstaunliche Regel-Auslegung“
Silberbeil
sagt:
@ Andreas
Ja, ich finde es auch interessant und trotz ziemlich unterschiedlicher Ansichten bleibt es im Ton doch moderat. Das ist ja im Netz keine Selbstverständlichkeit.
Die von Geronimo zitierte Entscheidung ist übrigens keine Regel, sondern eine Entscheidung aus einer Fallsammlung die dazu dient die Regelauslegung am Beispiel zu verdeutlichen. Ähnlich wie bei der Rechtsprechung, wo man sich auch häufig an bestehenden Urteilen orientiert.
Diese Sammlung kann man auch über das Internet abrufen:
In dem zitierten Fall geht es um die Begegnung zweier Yachten die sich Nachts bei 7 bis 8 Windstärken begegnet sind. Nach dem Zuruf „Starboard“ (bei ungefähr 6 Bootslängen Abstand) hat sich die ausweichpflichtige Yacht noch mehr als 4 Bootslängen Zeit gelassen um dann tatsächlich auszuweichen. Die Wegerechtsyacht hat eine Wende gefahren, wohl als Manöver des letzten Augenblicks, und es kam zur Kollision.
Ich denke, dass sind zwei völlig verschiedene Situationen. Nach der Wende in einer Jolle muss man ja erst mal als Steuermann auf die andere Seite bevor man vernünftig abfallen kann. Zumindest bei dem vorherrschenden Wind. Und genau das hat GER213 ja auch gemacht. Das er in Kamikaze-Manier auf die Holländerinnen zuhielt finde ich jedenfalls nicht. Aber da gibt es ja hier offensichtlich unterschiedliche Ansichten.
Andreas Borrink
sagt:
Toll, das Case Book, danke für den Link!
Noch was gelernt….
Finn Mrugalla
sagt:
Der Link verweist auf das Case Book der RYA (dem britischen Seglerverband), das inhaltlich jedoch NICHT identisch mit dem von World Sailing ist! (die Briten sind in der Hinsicht etwas aktiver und haben ihr eigenes Case Book, der DSV gibt so etwas nicht heraus)
Insofern können die Auslegungen zwar herangezogen werden, sind aber anders als die aus dem WS Case Book für die Kollegen in NZL nicht bindend.
Andreas Borrink
sagt:
Trotzdem super interessant, denn die Regeln sind letztendlich ja die selben. Und schade, dass es sowas hier offenbar nicht gibt.
Andreas Borrink
sagt:
Diese Diskussion ist tatsächlich sehr interessant geworden und man kann dazu lernen:
Dass es dem Ausweichpflichtigen obliegt, sein Manöver irgendwie „früh und Klar“ zu fahren (hat jemand die deutsche Übersetzung zur Hand??), um dem Wegerechtsboot sozusagen die Angst vor einer Kollision zu nehmen, wusste ich nicht. Ich kann die Erfüllung dieser Regel aus dem täglichen Regattageschehen hier auf der Alster (Amateursportlevel) auch nicht berichten, denn „hinter rum“ wird immer ganz knapp gefahren. Von „früh und klar“ kann da keine Rede sein; wer verschenkt auch schon gern wertvolle Meter!?
In der vorliegenden Situation wurde es erst knapp, nachdem NED angeluvt und damit abgebremst und sein Heck Richtung Gegner gedreht hat. Das kann man in dem Video klar sehen, finde ich. Ich würde mal schätzen, da war so noch ein Meter „Luft“ wo es 2-3 gewesen wären, wenn NED Kurs gehalten hätte (wozu m.E. hier sogar die Verpflichtung bestand!). Die Behauptung, es wäre zu einer Kollision gekommen, hätte NED nicht angeluvt, kann nur von jemandem kommen, der noch nie in einem Segelboot gesessen hat. Die drehen nämlich IMMER um eine imaginäre Achse irgendwo miitschiffs, die konstruktionsbedingt mal weiter vorn, mal weiter hinten liegt, meistens kurz hinter dem Schwert. Beim FD würde ich sie mal irgendwo in der Bootsmitte vermuten.
Beim Drehen um diese vertikale Achse (Wende, Halse) schwenkt das Heck IMMER gegen die Drehrichtung aus, was – wie in diesem Fall – zu einer Verschärfung der Situation führt. Dieser Effekt ist umso ausgeprägter, je langsamer ein Boot segelt (hier: sehr langsam!). Viele Segler schätzen das oft falsch ein. Schön zu beobachten hier an den Tonnen, wenn Langkieler (welche?….:)…) sie passieren.
Wäre mal interessant zu erfahren, ob die Jury dieses Video geshen hat oder ob es eine spontane Tatsachenentscheidung war? Im letzteren Fall wäre die Entscheidung ja erklärbar, auch wenn sie dadurch nicht richtiger wird.
Silberbeil
sagt:
@ Geronimo
Richtig, das wäre eine nachvollziehbare Begründung für ein DSQ gewesen. Aber der Verweis auf den CASE 1986/1 wurde eben nicht als Entscheidungsgrundlage in der Protestverhandlung herangezogen sondern der oben zitierte Text.
Mit der von dir herangezogenen Begründung hätte man auch wohl kein DNE verhängen können, denn wer kennt schon alle CASES. Zumal dieser CASE sich auf einen Fall bezieht, wo die Boote sich nachts bei 7-8 Windstärken begegnet sind.
Ich dagegen finde es in der Nachstartphase nicht ungewöhnlich, dass man auf engem Raum wendet und knapp hinter einem anderen Boot passiert. Mir kommt eher die Reaktion von NED 33 unprofessionell vor und einer WM nicht angemessen.
Geronimo
sagt:
@Silberbeil
GER hat ganz klar gegen die Keep-Clear Regel verstossen, als er in Kamikaze-Manier auf die Holländerinnen zuhielt. Die Regel besagt, dass er klar und früh genug zu erkennen geben muss, wie er seiner Ausweichpflicht nachzukommen gedenkt.
„Definitions, Keep ClearRYA 1986/1 When a port-tack boat is required to keep clear of a starboard-tack boat, she must act clearly and early enough to ensure that other boat is in no doubt that the port-tack boat will fulfil her obligation.“
Silberbeil
sagt:
Die Überschrift ist hier, wie sich im Laufe der Diskussion herausgestellt hat, nicht ganz passend. Denn es geht um eine zweifelhafte Tatsachenfeststellung. Und da scheint es so zu sein, dass die anderen regelkundigen Schiedsrichter, die ich hinter den letzten obigen Posts vermute, die Jury vor Ort nur aufgrund des Videoausschnitts nicht gerne kritisieren. Das ist im allgemeinen wohl auch richtig so.
Aber hier finde ich wird die Feststellung „… if NED 33 had not luffed there would have been contact between the bow of GER 213 and portside midships of NED 33.“ aus den Found Facts schon durch das Video widerlegt. Mit dem Luven hätte NED 33 höchstens die Kollision verhindern oder abmildern können, wenn GER 213 draufgehalten hätte. So wurde es eher noch schwieriger hinter dem Heck abzufallen.
Ganz und gar nicht haltbar finde ich aber die Feststellung, dass sich GER 213 bewusst gewesen sein müsse eine Regel zu brechen.
Hanns Hermann Lagemann
sagt:
Über die Situation selbst brauchen wir uns hier nicht den Kopf zu zerbrechen. Denn die Internationale Jury hat – zu Recht oder zu Unrecht – als Tatsache festgestellt, daß GER 213 gegen 10 RRS verstoßen hat. Das wäre an sich nur ein DSQ gewesen.
Der entscheidende Punkt ist aber folgender. Die Internationale Jury ist hinreichend überzeugt, wenn auch nicht absolut sicher („comfortably satisfied“, s. dazu unten mehr), daß GER 213 sich darüber im klaren war, gegen eine Regel verstoßen zu haben. Des Schadens von ESP 69 wegen wäre die angemessene Strafe für diesen Regelverstoß die Aufgabe der Wettfahrt gewesen (44.1(b)). Diese Strafe hat GER 213 nicht ausgeführt und damit gegen das Grundprinzip „Sportsmanship and the rules“ verstoßen. Wenn die Jury das so feststellt, liegt ein Verstoß gegen 2 RRS vor und ein DNE als Strafe ist angemessen, wenn auch seit 2017 nicht mehr zwingend.
Wenn die Jury „comfortably satisfactied“ ist, dann heißt das mehr, als daß sie etwas für nur wahrscheinlich hält. Es heißt weniger, als daß die Jury unzweifelhaft überzeugt ist, daß es so wahr. Der Standard „comfortable satisfaction“ reicht aber für eine solche Entscheidung aus.
Noch als zusätzliche Information : Protestiert hatten ESP (ungültig) und NED (gültig). Die Jury hat aber selbst noch gegen GER protestiert, was nicht alltäglich ist. Nur die Jury – die dazu schweigen wird – und das Boot selbst können sagen, ob es zu diesem unerfreulichen Ergebnis möglicherweise aufgrund einer suboptimalen Präsentation in der Verhandlung gekommen ist.
Vielleicht kann der Vorfall aber dazu dienen, darüber nachzudenken, was das Grundprinzip „Sportliches Verhalten und die Regeln“ in der Praxis eigentlich bedeutet. Wenn man konsequent ist, liegt ein Verstoß gegen das Grundprinzip bereits dann vor, wenn ein Teilnehmer einen Regelverstoß wahrnimmt und nicht protestiert.
Finn Mrugalla
sagt:
Also ich habe die Entscheidung nicht vorliegen, kann also auch nichts Genaues sagen, aber die Ausführungen hinsichtlich „comfortable satisfaction“ sind so nicht richtig!
Der Maßstab der „comfortable satisfaction“ findet sich ausschließlich in RRS 69.2(g), nicht aber in RRS 2.
Für einen möglichen Verstoß gegen RRS 2 gilt hingegen, dass ein Boot nur bestraft werden darf, wenn eindeutig festgestellt wurde, dass die Grundsätze verletzt wurden („clearly established that these principles have been violated“). Das ist etwas anderes als comfortable satisfaction!!
Dass die Internationale Jury gegen ein Boot protestiert ist durchaus nicht alltäglich, aber auch im Rahmen der Policy von World sailing, da die Int. Jury/das Protestkomitee nur dann gegen ein Boot protestieren soll, wenn der Vorfall nicht von anderen Teilnehmern gesehen wurde (hier nicht der Fall) oder ein Verstoß gegen RRS 2 im Raum steht (wurde hier am Ende angenommen).
Hanns Hermann Lagemann
sagt:
Danke, Finn. So deutlich wollte ich nicht werden. Allerdings spricht die Jury selbst von „comfortable satisfaction“, nicht von „clear and convincing evidence“.
Danke für den Link zur Entscheidung, Hans Hermann!
Ich hatte sie auch schon gesucht, aber leider nicht gefunden.
Wir haben das gerade am Telefon ja bereits besprechen können und sind inhaltlich auch einer Meinung 😉
Ich möchte es für die Allgemeinheit noch einmal kurz zusammenfassen:
– die Internationale Jury hat in ihren Facts sowie Conclusion 1 angenommen, dass GER gegen RRS 10 verstoßen hat –> dafür gibt es erst einmal einen DSQ
– die Jury hat außerdem angenommen, dass GER sich auch dessen bewusst war, keine Strafe angenommen hat und folglich gegen RRS 2 verstoßen hat –> dafür gibt es dann den DNE
Das ist soweit an sich auch schlüssig und im Rahmen der World Sailing Policy.
Ob der Verstoß von GER gegen RRS 10 (der letztlich der Aufhänger ist), tatsächlich vorlag und ob der Wortlaut der Entscheidung perfekt ist, will ich an dieser Stelle nicht diskutieren.
(das hier schon einmal online stand, ohne groß diskutiert worden zu sein!), in dem man sehr schön erkennen kann, wie es aktuell um die Kenntnis und vor allem die Akzeptanz von Wettfahrtregeln bestellt ist. Und hier handelt es sich immerhin um die DM der aktuellen Vorzeige- und BuLi-Klasse J70!
Was da abgeht am Luvfass, ist schon hammerhart. Und die Jury schaut zu, siehe auch die völlig konsternierten Kommentare von Roman Koch: „Das juckt hier anscheinend keinen!“.
Da lob‘ ich mir doch einen FD-Segler, der zwar vielleicht etwas knapp hinter seinen Gegnern rumfährt, anstatt einfach draufzuhalten, dafür aber nicht einfach mal die Luvtonne auslässt, weil da grad so ein nerviges Gedränge herrscht (wie hier im Video Nr. 52).
Christian
sagt:
Andreas, da stimme ich dir vollkommen zu. Uebrigens war dieser Vorfall hier bei SR auch mal Thema, mit selbem Tenor. Krass, diese J70Klasse.
Silberbeil
sagt:
Bei etwa 1:55 Min wird auf dem Startschiff eine Yellow Flag erwähnt.
Afterguard
sagt:
Wo ist von gelber Flagge die Rede? Man sieht, dass ein Juryboot (gekennzeichnet mit gelber Falgge und einem J darauf) direkt in Lee des Vorfalls positioniert ist und keinerlei Aktion/Reaktion zeigt.
Das Ausweichmanöver von GER 213 erfolgt sehr spät und gelingt zwar, die Distanz zu NED ist aber deutlich weniger als eine halbe Bootslänge bevor überhaupt ersichtlich wird, dass GER 213 hinten rum fahren will. Dass NED da versucht irgendwas zu machen um den Crash zu verhindern ist verständlich und bei dem Wind würde ich sagen ist das Manöver von GER 213 zu kanpp und daher DSQ gerechtfertigt. Der Vorteil gegenüber NED und ESP ist außerdem erheblich und daher kann man streiten, ob zwei Kringel ausreichen würden. Ich denke eher nein. DIe Begründung für ein DNE wäre interessant. Evtl. bezieht diese sich darug, dass GER 213 das Rennen fortgesetzt hat und nicht aufgegeben hat? Vielleicht hat man aber auch ein DNE verhängt um ESP eine Wiedergutmachung gewähren zu können. Das wäre ansonsten ohne Schaden bei ESP eher unüblich.
Andreas Borrink
sagt:
„bevor überhaupt ersichtlich wird, dass GER 213 hinten rum fahren will“…….“würde ich sagen ist das Manöver von GER 213 zu kanpp“….
Wo ist denn beschrieben, wie knapp oder nicht knapp ein Ausweichmanöver ausfallen darf? Oder wann „ersichtlich werden“ muss, was der Ausweichpflichtige nun zwecks Ausweichen zu tun gedenkt?
Nach meinem Kenntnisstand gibt es drei Arten von Ausweichmanövern: gelungene (keine Berührung, freie Fahrt, kein DQ) und misslungene (Berührung, Aufgabe des Verursachers oder DQ). Knapp hin, knapp her. Und dann gibt es noch die, bei denen die Kollision verhindert wurde, weil das Wegerechtsboot ein „Manöver des letzten Augenblicks“ gefahren und damit eine unausweichliche Berührung vermieden hat (Beispiel Wild Thing vs. Comanche beim Sydney Hobart 2018). Da entscheidet dann das Schiedsgericht bei einer Verhandlung oder eben die Umpires auf dem Wasser, wenn sie denn da waren und etwas gesehen haben.
Letzteres trifft aber auf diese Situation nicht zu, weil NED durch sein Manöver die Kollision nicht verhindert hat, sondern sie – ganz im Gegenteil – sogar beinahe herbeigeführt hätte!
Afterguard
sagt:
Moin Andreas,
in der WR ist übrigens von auch von einem „Manöver des letzten Augenblicks“ nie die Rede.
Nirgends steht in den Regeln etwas von knapp oder nicht knapp, das ist klar, und dennoch spielt das sehr häufig in der Beurteilung einer Situation durch das Protestkomitee eine wesentliche Rolle. Klar ist hier, dass GER 213 sich freihalten muss, ob das gelungen wäre, wenn NED nichts getan hätte sondern weitergefahren wäre, ist anzunehmen, aber keinesfalls erwiesen. Offensichtlich hielt es NED für nötig Ausweichmaßnahmen zu ergreifen. Dies hat die Jury vermutlich dazu bewogen bei einem derart geringen Abstand von GER zu NED zu entscheiden, dass sich GER nicht freigehalen hat.
Für einen Regelverstoß ist es keinesfalls erforderlich, dass eine Berührung erfolgt (wo stünde das?). Ein Juryboot war sehr gut positioniert und ist sicher auch als Zeuge aufgetreten. Somit kommt die Jury wohl zu der Auffassung, dass GER 213 sich nicht freigehalten hat (was das ist steht in der Definition von freihalten, hier (a))
In der Tat nirgends ist definiert, ab wann ein Boot Ausweichmaßnahmen für notwenidg erachten darf. Dabei spielen Manövrierbarkeit der Boote, Windverhältnissee, Seegang usw. eine Rolle. Wie gesagt, ich würde das ähnlich beurteilen wie die Jury: „nicht freigehalten“.
Ob dann DSQ oder RET – die Begründung wäre interessant.
„Yellow flag“ bezieht sich glaube ich nicht auf die Situation, kurz danach heißt es noch „haul down the flag“, eher eine Bahnanzeige o.ä.
Andreas Borrink
sagt:
Habe das hier gefunden: „Freihalten: ein Boot hält sich frei, wenn das andere Boot seinen Kurs nicht ändern muss und etwas Platz zum Drehen in beide Richtungen hat.“ (U.Finckh)
NED hatte „etwas Platz zum Drehen im beide Richtungen“ – was ja schon dadurch belegt wird, dass NED („etwas“) nach Steuerbord abgedreht IST und es KEINE Kollision gegeben hat.
Wie nun auch immer: Meine Ausweichmanöver werden auch in Zukunft so weiträumig wie nötig und so knapp wie möglich ausfallen……eben genau so, wie Rolf Albert es hier vorgemacht hat.
Afterguard
sagt:
Wie gesagt, muss unter Würdigung aller Umstände bewertet werden durch die Jury. Ineressant dazu auch Case 50 von World Sailing. Da geht es zwar um das vorne durchfahren, aber es erscheint nicht völlig abwegig dies auf diesen Fall zu übertragen und eben zu würdigen, dass die Holländerin meinte ausweichen zu müssen.
Zur seglerischen Qualifikation, die Du in Deinem Post weiter oben ja ebenfalls meinst würdigen zu müssen, sei übrigens angemerkt, dass sowohl die Holländerin als auch der Spanier in 5 von 6 Rennen vor Albert/Priegann gewertet wurden, der Spanier insgesamt übrigens auf 16. Soweit kommt man bei einer FD WM, auch wenn man nach Andreas Meinung zu blöd ist zum Wenden…
Silberbeil
sagt:
Da ist von gelber Flagge die Rede. GER 213 hat vielleicht eine direkte Jury-Entscheidung auf dem Wasser ignoriert?
Oliver Greitbauer
sagt:
Also ich sehe da auch definitv kein unsportliches/unfaires Verhalten des deutsche Bootes.
Dass die Niederländer (unnötigerweise) so weit luven, und damit die Spanier in eine Wende zwingen (warum auch immer die weiter als bis in den Wind geluvt haben), kann man aus meiner Sicht unmöglich den Deutschen anlasten
Wilfried
sagt:
Moin zusammen,
ich hätte hier auch nur gekringelt. Ja die Wende ist knapp und man kann darüber streiten ob NED einfach hätte weiter fahren können. Unsportlich auf jeden Fall ist das nicht. NED hätte auch jederzeit, da nach dem Start, bis in den Windluven dürfen ohne gegen den Spanier eine Regelverletzung zu begehen. Das muss man einfach estimieren können wenn man so dicht nebeneinander segelt. Also insofern sehe ich weder ne Wiedergutmachung noch eine DSQ. Kringeln dient ja auch nicht dazu den Vorfahrtsberechtigten zu entschädigen sondern der Bestrafung einer Regelverletzung. Das dabei der andere auch Boden verliert ist nunmal so.
Andreas Borrink
sagt:
Versteh ich nicht.
Ich kann die Regelverletzung von GER nicht erkennen. Die Wende und das anschließende Ausweichmanöver waren zwar knapp, aber es hat doch alles gepasst, er ist klar hinter der Holländerin durchgekommen und hat sie (und auch das nachfolgende Boot) nicht behindert. Richtig knapp geworden ist es doch erst durch das Anluven der Holländerin, die damit erstens abgebremst und zweitens Ihr Heck genau in die falsche Richtung gedreht hat. Als „Manöver des letzten Augenblicks“ war das völlig ungeeignet……
Ich erlaube mir hier mal die Annahme, dass Flying Dutchwoman einfach mit der Situation überfordert war und daher falsch reagiert hat. Da kann ja nun GER nichts dafür, oder!? Ich sehe hier eher einen Regelverstoß von NED gegen ESP, der durch das plötzliche und unangemessene Anluven massiv behindert wurde. Wiedergutmachung würde ich trotzdem nicht geben, gaben, eine mißglückte Wende – aus welchen Gründen auch immer – kann doch nicht zu Wiedergutmachung führen!? Immerhin ist das hier eine WM und keine Provinzregatta; da sollte der Vorschoter doch in der Lage sein, die Genua rechtzeitig aus der Klemme zu kriegen, um eine Kenterung zu verhindern.
Und zuguterletzt, auch wenn das jetzt wahrscheinlich erbarmungslos abgedaumt wird: Ein Blick in die Ergebnislisten lässt zumindest einen groben Rückschluss auf die Qualifikation der Probanden zu….
Christian
sagt:
Andreas, die seglerische Qualiifikation von Probanden, ermittelt etwa durch Ergebnislisten, ist für Regelfragen vollkommen irrelevant… zum Glück. Gleiches Recht für alle.
Ob Dutchwoman falsch reagiert hat oder ihre Aktion ein legitimes Ausweichmanöver gemäß Regel 14 (Berührung vermeiden), lässt sich nur anhand eines Videos aus einem Blickwinkel und ohne die Aussagen der Beteiligten schwerlich entscheiden. Wenn ich als Schiedrichter es allein anhand des Videos entscheiden müsste, bekäme Albert ein DSQ, da seine Wende einfach zu knapp war. Alles andere ist dann eine Kettenreaktion.
Geronimo
sagt:
Ich glaube nicht, dass die o.a. Regeln anwendbar sind, da die Holländerinnen ein Ausweichmanöver vollzogen haben, um einen Crash zu verhindern.
Man erlebt es bei Regatten leider oft, dass nach dem Start überhastet gewendet wird, obwohl in Luv voraus zu wenig Platz ist. Dabei kommt es dann häufig zu Verletzungen des Wegerechts anderer Boote.
Ich kann daher die Jury-Entscheidung gut nachvollziehen.
Andreas Borrink
sagt:
Scheint für mich völlig eindeutig:
Zitat Twiname/Willis:
„16.1 Ändert ein Boot mit Wegerecht den Kurs, muss es dem anderen Boot Raum zum Freihalten
geben.
16.2 Außerdem gilt: Wenn nach dem Startsignal ein Boot auf Backbordschlag (Wind von Backbord) sich dadurch freihält, dass es ein Boot auf Steuerbordschlag (Wind von Steuerbord) achteraus passieren will, darf das Boot auf Steuerbordschlag (Wind von Steuerbord) seinen Kurs nicht ändern, wenn dadurch das Boot auf Backbordschlag (Wind von Backbord) seinen Kurs sofort ändern müsste, um sich weiterhin freizuhalten.“
Gegen beide Regeln hat die „Flying Dutchwoman“ m.E. klar verstossen.
Also DQ für Holland, keine Wiedergutmachung für Spanien – oder!? Bin gespannt….
Christian
sagt:
Andreas, die Ausweichaktion von Dutchwoman war Folge der (zu knappen) Passage durch Albert/ Priegnann und kann nicht isoliert mit Regel 16.2 betrachtet werden. Ihr Manöver war eines des letzten Augenblicks.
Aber darum geht es ja auch gar nicht in vorliegendem Fall; selbst Albert würde ja ein DSQ gemäß Regel 10 akzeptieren. Hier geht es um Regel 2, und deren Anwendung erscheint in der Tat übertrieben, denn dazu müsste Albert den Vorsatz gehabt haben, Dutchwoman zu schaden. Danach sieht es aber überhaupt nicht aus, seine Wende war einfach unüberlegt und schlecht ausgeführt. Solange solche Aktionen nicht systematisch und wiederholt von Seglern geschehen, ist es kein Fall für Regel 2. Insofern tatsächlich große Verwunderung über die Entscheidung der Jury.
Geronimo
sagt:
Vorsatz hin oder her. Rolf hat es in Kauf genommen, dass 2 Konkurrenten durch sein unüberlegtes Manöver den Anschluss verloren, d.h. chancenlos hinterhersegeln mussten. Durch Kringeln ist das nicht wieder gut zu machen, da dadurch die Benachteiligung der Konkurrenten nicht aufgehoben wurde. Fair Play sieht anders aus.
Christian
sagt:
Wie gesagt, ein DSQ gegen Albert ist gerechtfertigt, und ja, Kringeln allein reicht hier nicht, aber ein DNE durch Regel 2 ist nicht nachvollziehbar. Sonst müsste ja jeder Regelverstoß entsprechend geahndet werden, und das ist nicht realitätsgerecht.
Geronimo
sagt:
Nö, ein Regelverstoss direkt nach dem Start hat viel schwerere Auswirkungen als ein Verstoss im weiteren Verlauf des Rennens, Nach dem Start geht es schliesslich darum, sich vorn zu plazieren, um im freien Wind segeln zu können.
Diese Chance wurde in dem vorliegenden Fall den zwei Konkurrenten genommen.
44 Antworten zu „FD Worlds: Deutsches Team unfair gesegelt? – Erstaunliche Regel-Auslegung“
sagt:
@ Andreas
Ja, ich finde es auch interessant und trotz ziemlich unterschiedlicher Ansichten bleibt es im Ton doch moderat. Das ist ja im Netz keine Selbstverständlichkeit.
Die von Geronimo zitierte Entscheidung ist übrigens keine Regel, sondern eine Entscheidung aus einer Fallsammlung die dazu dient die Regelauslegung am Beispiel zu verdeutlichen. Ähnlich wie bei der Rechtsprechung, wo man sich auch häufig an bestehenden Urteilen orientiert.
Diese Sammlung kann man auch über das Internet abrufen:
https://www.rya.org.uk/SiteCollectionDocuments/Racing/RacingInformation/RacingCharter/Case%20Book%202017%20-%202020.pdf
In dem zitierten Fall geht es um die Begegnung zweier Yachten die sich Nachts bei 7 bis 8 Windstärken begegnet sind. Nach dem Zuruf „Starboard“ (bei ungefähr 6 Bootslängen Abstand) hat sich die ausweichpflichtige Yacht noch mehr als 4 Bootslängen Zeit gelassen um dann tatsächlich auszuweichen. Die Wegerechtsyacht hat eine Wende gefahren, wohl als Manöver des letzten Augenblicks, und es kam zur Kollision.
Ich denke, dass sind zwei völlig verschiedene Situationen. Nach der Wende in einer Jolle muss man ja erst mal als Steuermann auf die andere Seite bevor man vernünftig abfallen kann. Zumindest bei dem vorherrschenden Wind. Und genau das hat GER213 ja auch gemacht. Das er in Kamikaze-Manier auf die Holländerinnen zuhielt finde ich jedenfalls nicht. Aber da gibt es ja hier offensichtlich unterschiedliche Ansichten.
sagt:
Toll, das Case Book, danke für den Link!
Noch was gelernt….
sagt:
Der Link verweist auf das Case Book der RYA (dem britischen Seglerverband), das inhaltlich jedoch NICHT identisch mit dem von World Sailing ist! (die Briten sind in der Hinsicht etwas aktiver und haben ihr eigenes Case Book, der DSV gibt so etwas nicht heraus)
Insofern können die Auslegungen zwar herangezogen werden, sind aber anders als die aus dem WS Case Book für die Kollegen in NZL nicht bindend.
sagt:
Trotzdem super interessant, denn die Regeln sind letztendlich ja die selben. Und schade, dass es sowas hier offenbar nicht gibt.
sagt:
Diese Diskussion ist tatsächlich sehr interessant geworden und man kann dazu lernen:
Dass es dem Ausweichpflichtigen obliegt, sein Manöver irgendwie „früh und Klar“ zu fahren (hat jemand die deutsche Übersetzung zur Hand??), um dem Wegerechtsboot sozusagen die Angst vor einer Kollision zu nehmen, wusste ich nicht. Ich kann die Erfüllung dieser Regel aus dem täglichen Regattageschehen hier auf der Alster (Amateursportlevel) auch nicht berichten, denn „hinter rum“ wird immer ganz knapp gefahren. Von „früh und klar“ kann da keine Rede sein; wer verschenkt auch schon gern wertvolle Meter!?
In der vorliegenden Situation wurde es erst knapp, nachdem NED angeluvt und damit abgebremst und sein Heck Richtung Gegner gedreht hat. Das kann man in dem Video klar sehen, finde ich. Ich würde mal schätzen, da war so noch ein Meter „Luft“ wo es 2-3 gewesen wären, wenn NED Kurs gehalten hätte (wozu m.E. hier sogar die Verpflichtung bestand!). Die Behauptung, es wäre zu einer Kollision gekommen, hätte NED nicht angeluvt, kann nur von jemandem kommen, der noch nie in einem Segelboot gesessen hat. Die drehen nämlich IMMER um eine imaginäre Achse irgendwo miitschiffs, die konstruktionsbedingt mal weiter vorn, mal weiter hinten liegt, meistens kurz hinter dem Schwert. Beim FD würde ich sie mal irgendwo in der Bootsmitte vermuten.
Beim Drehen um diese vertikale Achse (Wende, Halse) schwenkt das Heck IMMER gegen die Drehrichtung aus, was – wie in diesem Fall – zu einer Verschärfung der Situation führt. Dieser Effekt ist umso ausgeprägter, je langsamer ein Boot segelt (hier: sehr langsam!). Viele Segler schätzen das oft falsch ein. Schön zu beobachten hier an den Tonnen, wenn Langkieler (welche?….:)…) sie passieren.
Wäre mal interessant zu erfahren, ob die Jury dieses Video geshen hat oder ob es eine spontane Tatsachenentscheidung war? Im letzteren Fall wäre die Entscheidung ja erklärbar, auch wenn sie dadurch nicht richtiger wird.
sagt:
@ Geronimo
Richtig, das wäre eine nachvollziehbare Begründung für ein DSQ gewesen. Aber der Verweis auf den CASE 1986/1 wurde eben nicht als Entscheidungsgrundlage in der Protestverhandlung herangezogen sondern der oben zitierte Text.
Mit der von dir herangezogenen Begründung hätte man auch wohl kein DNE verhängen können, denn wer kennt schon alle CASES. Zumal dieser CASE sich auf einen Fall bezieht, wo die Boote sich nachts bei 7-8 Windstärken begegnet sind.
Ich dagegen finde es in der Nachstartphase nicht ungewöhnlich, dass man auf engem Raum wendet und knapp hinter einem anderen Boot passiert. Mir kommt eher die Reaktion von NED 33 unprofessionell vor und einer WM nicht angemessen.
sagt:
@Silberbeil
GER hat ganz klar gegen die Keep-Clear Regel verstossen, als er in Kamikaze-Manier auf die Holländerinnen zuhielt. Die Regel besagt, dass er klar und früh genug zu erkennen geben muss, wie er seiner Ausweichpflicht nachzukommen gedenkt.
„Definitions, Keep ClearRYA 1986/1 When a port-tack boat is required to keep clear of a starboard-tack boat, she must act clearly and early enough to ensure that other boat is in no doubt that the port-tack boat will fulfil her obligation.“
sagt:
Die Überschrift ist hier, wie sich im Laufe der Diskussion herausgestellt hat, nicht ganz passend. Denn es geht um eine zweifelhafte Tatsachenfeststellung. Und da scheint es so zu sein, dass die anderen regelkundigen Schiedsrichter, die ich hinter den letzten obigen Posts vermute, die Jury vor Ort nur aufgrund des Videoausschnitts nicht gerne kritisieren. Das ist im allgemeinen wohl auch richtig so.
Aber hier finde ich wird die Feststellung „… if NED 33 had not luffed there would have been contact between the bow of GER 213 and portside midships of NED 33.“ aus den Found Facts schon durch das Video widerlegt. Mit dem Luven hätte NED 33 höchstens die Kollision verhindern oder abmildern können, wenn GER 213 draufgehalten hätte. So wurde es eher noch schwieriger hinter dem Heck abzufallen.
Ganz und gar nicht haltbar finde ich aber die Feststellung, dass sich GER 213 bewusst gewesen sein müsse eine Regel zu brechen.
sagt:
Über die Situation selbst brauchen wir uns hier nicht den Kopf zu zerbrechen. Denn die Internationale Jury hat – zu Recht oder zu Unrecht – als Tatsache festgestellt, daß GER 213 gegen 10 RRS verstoßen hat. Das wäre an sich nur ein DSQ gewesen.
Der entscheidende Punkt ist aber folgender. Die Internationale Jury ist hinreichend überzeugt, wenn auch nicht absolut sicher („comfortably satisfied“, s. dazu unten mehr), daß GER 213 sich darüber im klaren war, gegen eine Regel verstoßen zu haben. Des Schadens von ESP 69 wegen wäre die angemessene Strafe für diesen Regelverstoß die Aufgabe der Wettfahrt gewesen (44.1(b)). Diese Strafe hat GER 213 nicht ausgeführt und damit gegen das Grundprinzip „Sportsmanship and the rules“ verstoßen. Wenn die Jury das so feststellt, liegt ein Verstoß gegen 2 RRS vor und ein DNE als Strafe ist angemessen, wenn auch seit 2017 nicht mehr zwingend.
Wenn die Jury „comfortably satisfactied“ ist, dann heißt das mehr, als daß sie etwas für nur wahrscheinlich hält. Es heißt weniger, als daß die Jury unzweifelhaft überzeugt ist, daß es so wahr. Der Standard „comfortable satisfaction“ reicht aber für eine solche Entscheidung aus.
Noch als zusätzliche Information : Protestiert hatten ESP (ungültig) und NED (gültig). Die Jury hat aber selbst noch gegen GER protestiert, was nicht alltäglich ist. Nur die Jury – die dazu schweigen wird – und das Boot selbst können sagen, ob es zu diesem unerfreulichen Ergebnis möglicherweise aufgrund einer suboptimalen Präsentation in der Verhandlung gekommen ist.
Vielleicht kann der Vorfall aber dazu dienen, darüber nachzudenken, was das Grundprinzip „Sportliches Verhalten und die Regeln“ in der Praxis eigentlich bedeutet. Wenn man konsequent ist, liegt ein Verstoß gegen das Grundprinzip bereits dann vor, wenn ein Teilnehmer einen Regelverstoß wahrnimmt und nicht protestiert.
sagt:
Also ich habe die Entscheidung nicht vorliegen, kann also auch nichts Genaues sagen, aber die Ausführungen hinsichtlich „comfortable satisfaction“ sind so nicht richtig!
Der Maßstab der „comfortable satisfaction“ findet sich ausschließlich in RRS 69.2(g), nicht aber in RRS 2.
Für einen möglichen Verstoß gegen RRS 2 gilt hingegen, dass ein Boot nur bestraft werden darf, wenn eindeutig festgestellt wurde, dass die Grundsätze verletzt wurden („clearly established that these principles have been violated“). Das ist etwas anderes als comfortable satisfaction!!
Dass die Internationale Jury gegen ein Boot protestiert ist durchaus nicht alltäglich, aber auch im Rahmen der Policy von World sailing, da die Int. Jury/das Protestkomitee nur dann gegen ein Boot protestieren soll, wenn der Vorfall nicht von anderen Teilnehmern gesehen wurde (hier nicht der Fall) oder ein Verstoß gegen RRS 2 im Raum steht (wurde hier am Ende angenommen).
sagt:
Danke, Finn. So deutlich wollte ich nicht werden. Allerdings spricht die Jury selbst von „comfortable satisfaction“, nicht von „clear and convincing evidence“.
Der Link dazu hier : https://www.dropbox.com/s/37iq00xigrk3iin/Protest%2001%20Decision.pdf?dl=0. Die kritische Lektüre lohnt.
sagt:
Danke für den Link zur Entscheidung, Hans Hermann!
Ich hatte sie auch schon gesucht, aber leider nicht gefunden.
Wir haben das gerade am Telefon ja bereits besprechen können und sind inhaltlich auch einer Meinung 😉
Ich möchte es für die Allgemeinheit noch einmal kurz zusammenfassen:
– die Internationale Jury hat in ihren Facts sowie Conclusion 1 angenommen, dass GER gegen RRS 10 verstoßen hat –> dafür gibt es erst einmal einen DSQ
– die Jury hat außerdem angenommen, dass GER sich auch dessen bewusst war, keine Strafe angenommen hat und folglich gegen RRS 2 verstoßen hat –> dafür gibt es dann den DNE
Das ist soweit an sich auch schlüssig und im Rahmen der World Sailing Policy.
Ob der Verstoß von GER gegen RRS 10 (der letztlich der Aufhänger ist), tatsächlich vorlag und ob der Wortlaut der Entscheidung perfekt ist, will ich an dieser Stelle nicht diskutieren.
sagt:
Passend zum Thema hier noch ein lustiges Video:
https://www.facebook.com/roman.koch3/videos/10211174421150586/
(das hier schon einmal online stand, ohne groß diskutiert worden zu sein!), in dem man sehr schön erkennen kann, wie es aktuell um die Kenntnis und vor allem die Akzeptanz von Wettfahrtregeln bestellt ist. Und hier handelt es sich immerhin um die DM der aktuellen Vorzeige- und BuLi-Klasse J70!
Was da abgeht am Luvfass, ist schon hammerhart. Und die Jury schaut zu, siehe auch die völlig konsternierten Kommentare von Roman Koch: „Das juckt hier anscheinend keinen!“.
Da lob‘ ich mir doch einen FD-Segler, der zwar vielleicht etwas knapp hinter seinen Gegnern rumfährt, anstatt einfach draufzuhalten, dafür aber nicht einfach mal die Luvtonne auslässt, weil da grad so ein nerviges Gedränge herrscht (wie hier im Video Nr. 52).
sagt:
Andreas, da stimme ich dir vollkommen zu. Uebrigens war dieser Vorfall hier bei SR auch mal Thema, mit selbem Tenor. Krass, diese J70Klasse.
sagt:
Bei etwa 1:55 Min wird auf dem Startschiff eine Yellow Flag erwähnt.
sagt:
Wo ist von gelber Flagge die Rede? Man sieht, dass ein Juryboot (gekennzeichnet mit gelber Falgge und einem J darauf) direkt in Lee des Vorfalls positioniert ist und keinerlei Aktion/Reaktion zeigt.
Das Ausweichmanöver von GER 213 erfolgt sehr spät und gelingt zwar, die Distanz zu NED ist aber deutlich weniger als eine halbe Bootslänge bevor überhaupt ersichtlich wird, dass GER 213 hinten rum fahren will. Dass NED da versucht irgendwas zu machen um den Crash zu verhindern ist verständlich und bei dem Wind würde ich sagen ist das Manöver von GER 213 zu kanpp und daher DSQ gerechtfertigt. Der Vorteil gegenüber NED und ESP ist außerdem erheblich und daher kann man streiten, ob zwei Kringel ausreichen würden. Ich denke eher nein. DIe Begründung für ein DNE wäre interessant. Evtl. bezieht diese sich darug, dass GER 213 das Rennen fortgesetzt hat und nicht aufgegeben hat? Vielleicht hat man aber auch ein DNE verhängt um ESP eine Wiedergutmachung gewähren zu können. Das wäre ansonsten ohne Schaden bei ESP eher unüblich.
sagt:
„bevor überhaupt ersichtlich wird, dass GER 213 hinten rum fahren will“…….“würde ich sagen ist das Manöver von GER 213 zu kanpp“….
Wo ist denn beschrieben, wie knapp oder nicht knapp ein Ausweichmanöver ausfallen darf? Oder wann „ersichtlich werden“ muss, was der Ausweichpflichtige nun zwecks Ausweichen zu tun gedenkt?
Nach meinem Kenntnisstand gibt es drei Arten von Ausweichmanövern: gelungene (keine Berührung, freie Fahrt, kein DQ) und misslungene (Berührung, Aufgabe des Verursachers oder DQ). Knapp hin, knapp her. Und dann gibt es noch die, bei denen die Kollision verhindert wurde, weil das Wegerechtsboot ein „Manöver des letzten Augenblicks“ gefahren und damit eine unausweichliche Berührung vermieden hat (Beispiel Wild Thing vs. Comanche beim Sydney Hobart 2018). Da entscheidet dann das Schiedsgericht bei einer Verhandlung oder eben die Umpires auf dem Wasser, wenn sie denn da waren und etwas gesehen haben.
Letzteres trifft aber auf diese Situation nicht zu, weil NED durch sein Manöver die Kollision nicht verhindert hat, sondern sie – ganz im Gegenteil – sogar beinahe herbeigeführt hätte!
sagt:
Moin Andreas,
in der WR ist übrigens von auch von einem „Manöver des letzten Augenblicks“ nie die Rede.
Nirgends steht in den Regeln etwas von knapp oder nicht knapp, das ist klar, und dennoch spielt das sehr häufig in der Beurteilung einer Situation durch das Protestkomitee eine wesentliche Rolle. Klar ist hier, dass GER 213 sich freihalten muss, ob das gelungen wäre, wenn NED nichts getan hätte sondern weitergefahren wäre, ist anzunehmen, aber keinesfalls erwiesen. Offensichtlich hielt es NED für nötig Ausweichmaßnahmen zu ergreifen. Dies hat die Jury vermutlich dazu bewogen bei einem derart geringen Abstand von GER zu NED zu entscheiden, dass sich GER nicht freigehalen hat.
Für einen Regelverstoß ist es keinesfalls erforderlich, dass eine Berührung erfolgt (wo stünde das?). Ein Juryboot war sehr gut positioniert und ist sicher auch als Zeuge aufgetreten. Somit kommt die Jury wohl zu der Auffassung, dass GER 213 sich nicht freigehalten hat (was das ist steht in der Definition von freihalten, hier (a))
In der Tat nirgends ist definiert, ab wann ein Boot Ausweichmaßnahmen für notwenidg erachten darf. Dabei spielen Manövrierbarkeit der Boote, Windverhältnissee, Seegang usw. eine Rolle. Wie gesagt, ich würde das ähnlich beurteilen wie die Jury: „nicht freigehalten“.
Ob dann DSQ oder RET – die Begründung wäre interessant.
„Yellow flag“ bezieht sich glaube ich nicht auf die Situation, kurz danach heißt es noch „haul down the flag“, eher eine Bahnanzeige o.ä.
sagt:
Habe das hier gefunden: „Freihalten: ein Boot hält sich frei, wenn das andere Boot seinen Kurs nicht ändern muss und etwas Platz zum Drehen in beide Richtungen hat.“ (U.Finckh)
NED hatte „etwas Platz zum Drehen im beide Richtungen“ – was ja schon dadurch belegt wird, dass NED („etwas“) nach Steuerbord abgedreht IST und es KEINE Kollision gegeben hat.
Wie nun auch immer: Meine Ausweichmanöver werden auch in Zukunft so weiträumig wie nötig und so knapp wie möglich ausfallen……eben genau so, wie Rolf Albert es hier vorgemacht hat.
sagt:
Wie gesagt, muss unter Würdigung aller Umstände bewertet werden durch die Jury. Ineressant dazu auch Case 50 von World Sailing. Da geht es zwar um das vorne durchfahren, aber es erscheint nicht völlig abwegig dies auf diesen Fall zu übertragen und eben zu würdigen, dass die Holländerin meinte ausweichen zu müssen.
Zur seglerischen Qualifikation, die Du in Deinem Post weiter oben ja ebenfalls meinst würdigen zu müssen, sei übrigens angemerkt, dass sowohl die Holländerin als auch der Spanier in 5 von 6 Rennen vor Albert/Priegann gewertet wurden, der Spanier insgesamt übrigens auf 16. Soweit kommt man bei einer FD WM, auch wenn man nach Andreas Meinung zu blöd ist zum Wenden…
sagt:
Da ist von gelber Flagge die Rede. GER 213 hat vielleicht eine direkte Jury-Entscheidung auf dem Wasser ignoriert?
sagt:
Also ich sehe da auch definitv kein unsportliches/unfaires Verhalten des deutsche Bootes.
Dass die Niederländer (unnötigerweise) so weit luven, und damit die Spanier in eine Wende zwingen (warum auch immer die weiter als bis in den Wind geluvt haben), kann man aus meiner Sicht unmöglich den Deutschen anlasten
sagt:
Moin zusammen,
ich hätte hier auch nur gekringelt. Ja die Wende ist knapp und man kann darüber streiten ob NED einfach hätte weiter fahren können. Unsportlich auf jeden Fall ist das nicht. NED hätte auch jederzeit, da nach dem Start, bis in den Windluven dürfen ohne gegen den Spanier eine Regelverletzung zu begehen. Das muss man einfach estimieren können wenn man so dicht nebeneinander segelt. Also insofern sehe ich weder ne Wiedergutmachung noch eine DSQ. Kringeln dient ja auch nicht dazu den Vorfahrtsberechtigten zu entschädigen sondern der Bestrafung einer Regelverletzung. Das dabei der andere auch Boden verliert ist nunmal so.
sagt:
Versteh ich nicht.
Ich kann die Regelverletzung von GER nicht erkennen. Die Wende und das anschließende Ausweichmanöver waren zwar knapp, aber es hat doch alles gepasst, er ist klar hinter der Holländerin durchgekommen und hat sie (und auch das nachfolgende Boot) nicht behindert. Richtig knapp geworden ist es doch erst durch das Anluven der Holländerin, die damit erstens abgebremst und zweitens Ihr Heck genau in die falsche Richtung gedreht hat. Als „Manöver des letzten Augenblicks“ war das völlig ungeeignet……
Ich erlaube mir hier mal die Annahme, dass Flying Dutchwoman einfach mit der Situation überfordert war und daher falsch reagiert hat. Da kann ja nun GER nichts dafür, oder!? Ich sehe hier eher einen Regelverstoß von NED gegen ESP, der durch das plötzliche und unangemessene Anluven massiv behindert wurde. Wiedergutmachung würde ich trotzdem nicht geben, gaben, eine mißglückte Wende – aus welchen Gründen auch immer – kann doch nicht zu Wiedergutmachung führen!? Immerhin ist das hier eine WM und keine Provinzregatta; da sollte der Vorschoter doch in der Lage sein, die Genua rechtzeitig aus der Klemme zu kriegen, um eine Kenterung zu verhindern.
Und zuguterletzt, auch wenn das jetzt wahrscheinlich erbarmungslos abgedaumt wird: Ein Blick in die Ergebnislisten lässt zumindest einen groben Rückschluss auf die Qualifikation der Probanden zu….
sagt:
Andreas, die seglerische Qualiifikation von Probanden, ermittelt etwa durch Ergebnislisten, ist für Regelfragen vollkommen irrelevant… zum Glück. Gleiches Recht für alle.
Ob Dutchwoman falsch reagiert hat oder ihre Aktion ein legitimes Ausweichmanöver gemäß Regel 14 (Berührung vermeiden), lässt sich nur anhand eines Videos aus einem Blickwinkel und ohne die Aussagen der Beteiligten schwerlich entscheiden. Wenn ich als Schiedrichter es allein anhand des Videos entscheiden müsste, bekäme Albert ein DSQ, da seine Wende einfach zu knapp war. Alles andere ist dann eine Kettenreaktion.
sagt:
Ich glaube nicht, dass die o.a. Regeln anwendbar sind, da die Holländerinnen ein Ausweichmanöver vollzogen haben, um einen Crash zu verhindern.
Man erlebt es bei Regatten leider oft, dass nach dem Start überhastet gewendet wird, obwohl in Luv voraus zu wenig Platz ist. Dabei kommt es dann häufig zu Verletzungen des Wegerechts anderer Boote.
Ich kann daher die Jury-Entscheidung gut nachvollziehen.
sagt:
Scheint für mich völlig eindeutig:
Zitat Twiname/Willis:
„16.1 Ändert ein Boot mit Wegerecht den Kurs, muss es dem anderen Boot Raum zum Freihalten
geben.
16.2 Außerdem gilt: Wenn nach dem Startsignal ein Boot auf Backbordschlag (Wind von Backbord) sich dadurch freihält, dass es ein Boot auf Steuerbordschlag (Wind von Steuerbord) achteraus passieren will, darf das Boot auf Steuerbordschlag (Wind von Steuerbord) seinen Kurs nicht ändern, wenn dadurch das Boot auf Backbordschlag (Wind von Backbord) seinen Kurs sofort ändern müsste, um sich weiterhin freizuhalten.“
Gegen beide Regeln hat die „Flying Dutchwoman“ m.E. klar verstossen.
Also DQ für Holland, keine Wiedergutmachung für Spanien – oder!? Bin gespannt….
sagt:
Andreas, die Ausweichaktion von Dutchwoman war Folge der (zu knappen) Passage durch Albert/ Priegnann und kann nicht isoliert mit Regel 16.2 betrachtet werden. Ihr Manöver war eines des letzten Augenblicks.
Aber darum geht es ja auch gar nicht in vorliegendem Fall; selbst Albert würde ja ein DSQ gemäß Regel 10 akzeptieren. Hier geht es um Regel 2, und deren Anwendung erscheint in der Tat übertrieben, denn dazu müsste Albert den Vorsatz gehabt haben, Dutchwoman zu schaden. Danach sieht es aber überhaupt nicht aus, seine Wende war einfach unüberlegt und schlecht ausgeführt. Solange solche Aktionen nicht systematisch und wiederholt von Seglern geschehen, ist es kein Fall für Regel 2. Insofern tatsächlich große Verwunderung über die Entscheidung der Jury.
sagt:
Vorsatz hin oder her. Rolf hat es in Kauf genommen, dass 2 Konkurrenten durch sein unüberlegtes Manöver den Anschluss verloren, d.h. chancenlos hinterhersegeln mussten. Durch Kringeln ist das nicht wieder gut zu machen, da dadurch die Benachteiligung der Konkurrenten nicht aufgehoben wurde. Fair Play sieht anders aus.
sagt:
Wie gesagt, ein DSQ gegen Albert ist gerechtfertigt, und ja, Kringeln allein reicht hier nicht, aber ein DNE durch Regel 2 ist nicht nachvollziehbar. Sonst müsste ja jeder Regelverstoß entsprechend geahndet werden, und das ist nicht realitätsgerecht.
sagt:
Nö, ein Regelverstoss direkt nach dem Start hat viel schwerere Auswirkungen als ein Verstoss im weiteren Verlauf des Rennens, Nach dem Start geht es schliesslich darum, sich vorn zu plazieren, um im freien Wind segeln zu können.
Diese Chance wurde in dem vorliegenden Fall den zwei Konkurrenten genommen.