Es ist ein komisches Rennen, das da beim Lizard Point vor Cornwall gestartet wurde. Die zwei schnellsten Boote der Welt wollen den wichtigsten Weltrekord unter Segeln brechen, Nonstop um die Welt. Dabei tun die Teams aber so, als würde es den Gegner nicht geben.
Der Konkurrent ist eigentlich nur virtuell existent. „Banque Populaire“ beendete die Strecke der Jules Verne Trophy unter Skipper Loick Peyron in sagenhaften 45 Tagen und 14 Stunden. Nun wollen Yann Guichard mit Freundin und Sponsorin Dona Bertarelli die Vorgabe knacken wie auch Francis Joyon mit Boris Herrmann.
Dabei könnten die Programme nicht unterschiedlicher sein. „Spindrift“ ist die alte „Banque Poplaire“ mit der Peyron damals siegte. Aber sie wurde mit großem finanziellen Aufwand modifiziert, um die alte Bestmarke zu knacken.
Aber den Erwartungen wurde das Schiff bisher noch nicht gerecht. Guichard enttäuschte besonders im vergangenen Jahr, als er die Route du Rhum im Einhand-Betrieb gegen Ersatzmann Peyron verlor. Der legendäre Franzose hatte kurfristig das Steuer der jetzigen IDEC (ex Groupama, ex Banque Populaire) übernommen und das Duell überzeugend gewonnen.
Aber das war eben im Einhand-Modus. Nun stehen sich die beiden Rennmaschinen erneut gegenüber. Bei „Spindrift“ segeln allerdings 14 Mann, auf IDEC nur 6. Eigentlich sollte Spindrift das größer Potenzial haben. Guichard und Bertarelli sicher die Favoriten. Aber nach den ersten Stunden zeigen die beiden Rennmaschinen, dass ihr Potenzial nicht weit auseinander liegt. IDEC weist einen Rückstand von 15 Meilen zum Rekord auf, Spindrift nur 10. Für jede Menge Spannung ist gesorgt.
Dass beide Trimarane das gleiche Wetterfenster genutzt haben ist eigentlich Zufall und wäre kein Muss für den Rekordversuch gewesen. Aber es ehrt die Macher, dass sie dem direkten Vergleich mit dem Gegner nicht aus dem Weg gehen. Die Fans bekommen so über die Weihnachtstage ein spannendes Rennen auf extremstem Niveau geboten.
Während die Rekordversuche der großen Tris auf allen möglichen Strecken doch eher Futter für die PR-Abteilungen darstellen, geht es nun bei der Jules Verne Trophy um die Mutter aller Langstreckenrekorde.
Pressemitteilung von Boris Herrmann:
Herrmanns Rekordjagd um die Welt gestartet
Boris Herrmann ist in der Nacht zu Sonntag (22. November) zur Jules Vernes Trophy gestartet. Der Hamburger Hochseesegler will mit dem 31,50 Meter langen Dreirumpfboot „IDEC Sport“ unter Skipper Francis Joyon (Frankreich) in weniger als 45 Tagen die Welt umrunden. Bei idealen Bedingungen überquerte die sechsköpfige Crew die imaginäre Startlinie am Westausgang des Englischen Kanals. Vor dem Team liegen mindestens 22.000 Seemeilen entsprechend mehr als 40.000 Kilometer auf direktem Weg. Die gesegelte Strecke dürfte am Ende deutlich länger sein. Um den bestehenden Weltrekord zu brechen, muss die Mannschaft am 6. Januar nachmittags an der Start- und Ziellinie zurück sein.
Um exakt 3.02 Uhr und 22 Sekunden (MEZ) hatte das Warten ein Ende. An der Signalstation des Leuchtturms Le Créac’h auf der Insel Ushant gegenüber vom Lizard Point in Cornwall/Südengland drückte der offizielle Zeitnehmer Claude Breton die Stoppuhr. Nach monatelangen Vorbereitungen flog der feuerrote Trimaran „IDEC Sport“ bei mäßigen, später frischen bis starken nördlichen Winden in stockdunkler Nacht geradezu in das Abenteuer, auf dem Boris Herrmann unter anderem das Kap der Guten Hoffnung und das legendäre Kap Horn zu meistern hat. „Das wird wohl die härteste Herausforderung überhaupt in meinem Seglerleben“, so der 34-jährige, der schon zwei Regatten um den Globus auf dem Kerbholz hat, „wir schlafen nur zwei Stunden am Stück und haben dann drei Stunden Wache, das heißt Arbeit an Deck.“
Die ersten 36 Stunden der Hatz gegen die Uhr sollten besonders anspruchsvoll werden, denn durch einen vorhergehenden Südweststurm war die See in der Biskaya aufgewühlt. Und vier bis fünf Meter hohe Wellen bedeuten auch für das Hightechboot Alarmstufe rot, wenn es mit Geschwindigkeiten von weit mehr als 30 Knoten (60 km/h) unterwegs ist. Herrmann: „Konzentration am Steuer ist das A und O. Ein Kurs nur ein bisschen zu tief vor dem Wind kostet schnell fünf Knoten Bootsspeed. Aber ein bisschen zu hoch am Wind besteht sogar Kentergefahr.“
Nach sechs Stunden hatte die „IDEC Sport“ bereits mehr als 150 Seemeilen zurückgelegt und lag wie erwartet im Rekordsoll. Rund 20 im Schnitt müssen es jede Stunde sein – wochenlang. Denn bei 45 Tagen, 13 Stunden, 42 Minuten und 53 Sekunden steht der Rekord, den der Franzose Loïck Peyron 2012 mit dem Trimaran „Banque Populaire“ aufgestellt hat. Sein Landsmann Yann Guichard will mit dem etwa zehn Meter längeren Boot unter dem neuen Namen „Spindrift“ parallel zur „IDEC Sport“ ebenfalls die Jules Verne Trophy gewinnen. Sein Team startete zwei Stunden später ebenfalls.
„Die ersten Tage sind relativ gut vorherzusehen“, erklärt Navigator Herrmann, „wir erwarten ideale Bedingungen und sollten in fünfeinhalb Tagen am Äquator sein.“ Das mittelfristige Wetterrouting, für das Skipper Joyon zusätzlich den holländischen Guru Marcel van Triest zu Rate zog, prophezeit danach auch auf dem Südatlantik günstige Voraussetzungen, zügig zum Südpolarmeer (Southern Ocean) voran zu kommen. Letzte Zweifel wurden am Sonnabend (21. November) verworfen und die Ampel auf Grün geschaltet.
Im Verlauf der Weltumseglung wird es zunehmend auch auf den gebürtigen Oldenburger ankommen, dessen nautisches Können international gefragt ist. Zuletzt navigierte er den Mehrrümpfer „Qingdao China“ unter Skipper Guo Chuan als Erster nonstop unter Segeln durch die Nordostpassage nördlich von Russland. Mit dem jetzigen Trimaran holte Herrmann unter dem Vornamen „Lending Club 2“ drei Streckenrekorde, darunter die prestigeträchtige Trans-Pazifik-Bestzeit von Los Angeles nach Hawaii. Dabei erreichte der 2006 nach Zeichnungen des führenden französischen Designteams VPLP gebaute Racer mit 411 Quadratmetern Segelfläche am Wind und 678 m² vor dem Wind Spitzengeschwindigkeiten von mehr als 40 Knoten (fast 80 km/h).
„Aber die Jules Verne Trophy wird noch härter, viel härter“, weiß Boris Herrmann, der nicht nur die Adventstage, sondern auch über Weihnachten und Neujahr an Bord sein wird. Zeit für Privates bleibt in den sechseinhalb Wochen kaum. „Auf meinem iPhone habe ich neben einem Backup der Navigationssoftware auch einige persönliche Fotos von den Liebsten daheim sowie Musik zur Ablenkung und zum Einschlafen.“ Letzteres dürfte nicht allzu schwer fallen, da von den zwei Stunden Ruhe auch die Zeit zum Essen und alle anderen Bedürfnisse abgeht.
Neben dem Deutschen sind der beste Schweizer Hochseesegler Bernhard Stamm, der Top-Spanier Alex Pella sowie die hochambitionierten Franzosen Gwénolé Gahinet und Clément Surtel dabei. Skipper Francis Joyon ist einer der ganz großen Namen im Hochseegeschäft. Er hält mit 57,5 Tagen den Solo-Weltrekord nonstop um die Welt. Am 6. Januar 2016 um 16.44 Uhr und 15 Sekunden so das Reglement soll für ihn und Boris Herrmann ein weiterer in der Königsdisziplin dazugekommen sein.
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