Kieler-Woche-Finale: Insgesamt 326 Wettfahrten in neun Tagen absolviert

Goldener Abschluss mit Last-Minute-Medalraces

Der Finaltag der Kieler Woche spiegelte noch mal die vergangenen neun Regattatage wider. Die Bedingungen schwankten zwischen Flaute am Morgen – mit entsprechender Startverschiebung – bis hin zu Traumbedingungen in den letzten möglichen Medal Races der olympischen Klassen. Insgesamt 326 Wettfahrten in 22 Bootsklassen und Disziplinen plus der seegehenden Yachten wurden auf neun Regattabahnen ins Ziel gebracht. „Das war anspruchsvoll, aber immer fair und ein breites Angebot für die internationale Segelelite“, resümierte Organisationsleiter Dirk Ramhorst zufrieden. Die nächste, dann 129. Kieler Woche findet vom 17. bis 25. Juni 2023 im 141. Jahr statt.

Abschied auf ihrer Lieblingsregatta, der Kieler Woche: Tina Lutz (links) und Susann Beucke gehen nach 15 Jahren neuen, eigenen Zielen entgegen. Foto: Sascha Klahn/Kieler Woche

Die deutschen Gastgeber feierten mit Lena Erdil (Kiel) im Surfen sowie Sophie Steinlein/Thomas Plößel (Hamburg) im 49er FX und dem Kieler Ehepaar Malte und Anastasiya Winkel (470er) dreimal Gold. Für internationale Kieler-Woche-Triumphe sorgten am neunten Wettkampftag die italienischen Olympiasieger Ruggero Tita/Caterina Banti (Nacra17), das britische 49er-Duo James Peters/Fynn Sterritt, der Finne Kaarle Tapper mit einem überzeugenden Schlussspurt im Ilca7, die überlegene Australierin Mara Stransky (Ilca6) und Ethan Westera (Aruba) im Surfen. Die 11. Aco Musto Skiff Weltmeisterschaft gewann der Brite Rick Peacock, bei den drei weiteren internationalen Klassen gab es zwei deutsche und einen irischen Sieg.

49er
Die zehn Duos des olympischen Männer-Skiffs 49er zitterten sich am letzten Tag im schwachen Wind über einen Kurs, der wegen Winddrehungen und Wolken am Himmel schwer zu lesen war. Schmerzhaft erfuhren das die Dänen Frederik Rask/Jakob Precht Jensen. Als Zweitplatzierte gingen sie in das Medal Race, waren nach der Startkreuz auch top, trafen dann aber eine Fehlentscheidung nach der anderen und wurden bis auf den zehnten Platz in dieser Wettfahrt und Rang sieben insgesamt durchgereicht. Ganz sicher verteidigten die Briten James Peters/Fynn Sterritt ihre Gesamtführung. Sie gewannen den Abschluss und freuten sich über eine perfekte Woche: „Wir sind heute rausgefahren, um zu gewinnen. Wir wollten unser Rennen segeln und haben nicht auf die anderen geguckt. Das hat sich ausgezahlt“, so Steuermann Peters. Der Spanier Diego Botin mit dem Deutsch-Spanier Florian Trittel an der Vorschot schaffte den Sprung auf Platz zwei vor den Neuseeländern Isaac McHardie/William McKenzie. Die Deutschen Tim Fischer/Fabian Graf machten im Medal Race nach schwacher erster Kreuz noch Boden gut. Der fünfte Platz zum Abschluss führte sie auf Gesamtrang sechs.
 
49erFX
Mit einem zweiten Platz im Medal Race setzte die Mixed-Crew Sophie Steinlein/Thomas Plößel (Hamburg) den Gold-bringenden Schlusspunkt hinter eine außergewöhnliche Kieler Woche. Die Stammvorschoterin von Sophie Steinlein ist erkrankt, daher fragte sie den Olympia-Dritten, ob er einspringen könne. Plößel kam mit viel Spaß und noch mehr Tipps an Bord: „Ich bin zur Kieler Woche gekommen, um ein gutes Training zu geben. Ich hatte die Hoffnung, dass wir es vielleicht ins Medal Race schaffen könnten. Der Sieg hat alle Erwartungen übertroffen.“ Dem stimmte Steuerfrau Steinlein zu, die nach eigenen Worten „unglaublich viel gelernt“ hat: „Ich bin positiv überrascht. Ich dachte, bei mehr Wind hätten wir mehr Chancen. Nun war es gar nicht so viel Wind, und es hat trotzdem gut geklappt.“
Hinter dem Mixed-Duo kamen die olympischen Frauen-Crews Vilma Bobeck/Rebecca Netzler (Schweden) sowie Georgia und Antonia Lewin-Lafrance (Kanada) auf die weiteren Podiumsplätze. Die Olympia-Zweiten von Tokio, Tina Lutz und Susann Beucke (Chiemsee/Strande), feierten als Siebte ein gelungenes Ende ihrer Olympia-Karriere – mit einem Augenzwinkern: „Wir werden schon noch mal auftauchen, keine Sorge“, so Tina Lutz, die sich über die vergangenen Tage freute: „Kiel hat sich von seiner besten Seite präsentiert.“ Susann Beucke ergänzte nach 15 gemeinsamen Jahren, die beim Heimevent zu Ende gingen: „Die Kieler Woche ist immer ein tolles Event.“

Sophie Steinlein und Thomas Plößel gewannen im 49erFX. Foto: Sascha Klahn/Kieler Woche

470er
Der schwedische Weltmeister von 2021, Anton Dahlberg, verhinderte mit seiner Frau Lovisa Karlsson an der Vorschot einen kompletten deutschen Podiumserfolg im 470er. Da Luise Wanser/Philipp Autenrieth (Hamburg/Augsburg) zum Abschluss ins Straucheln gerieten, schoben sich die Schweden noch auf Platz drei. Die Kieler Malte und Anastasiya Winkel sicherten sich knapp das Kieler Woche-Gold vor den immer stärker werdenden Simon Diesch/Anna Markfort (Friedrichshafen/Berlin), die zur Kieler Woche ihren gemeinsamen Regatta-Einstand gaben. „Wir haben im Medal Race im Match Race mit Malte und Nastya etwas den Überblick verloren. Dass wir am Ende punktgleich mit den Dritten auf Platz vier gelandet sind, tut ein bisschen weh. Aber wir sind superfroh, dass wir im 470er wieder zur Kieler Woche kommen konnten. Ich war zuletzt 2017 hier“, so Luise Wanser.
Zur Kieler Woche hat sich die interne Konkurrenz für Olympia durch ein neuformiertes Duo erweitert. Simon Diesch und Anna Markfort haben erst zweieinhalb Trainingswochen hinter sich und sind nun bereits fast an der Spitze angekommen: „Wir haben noch eine Rechnung mit Olympia offen. Wir konnten uns beide nicht für Tokio qualifizieren, haben aber theoretisch ganz viel gelernt. Jetzt wollen wir unsere Chance nutze“, so Simon Diesch.
Das siegreiche Ehepaar konnte durchatmen. „Eine halbe Stunde vor dem Start kam die Aufregung, auch wenn ich durch den Punktabstand vorher eigentlich etwas entspannt war. Aber dann haben wir alles gemacht, was wir machen mussten“, so Anastasiya Winkel. Ihr Mann ergänzte: „Ich freue mich mega. Die Kieler Woche habe ich noch nie gewonnen, und bei der Junioren-WM vor ein paar Jahren habe ich am letzten Tag eine Medaille verpasst.“
 
Ilca 6
Große Freude gab es bei der Australierin Mara Stransky. Noch nie in ihrem Leben war sie als Führende in ein Medal Race gegangen. Ganz souverän und scheinbar ohne Nervosität absolvierte sie ihre Aufgabe und landete mit einem weiteren Sieg, dem vierten in der Kieler-Woche-Serie, den Gesamterfolg. Auf den folgenden Plätzen: Monika Mikkola (Finnland) und Mirthe Akkerman (Niederlande). Julia Büsselberg, (Berlin) arbeitete sich durch den dritten Platz im Medal Race noch auf den fünften Gesamtrang vor. „Es war nicht einfach heute: Der Druck war links, aber der Wind drehte nach rechts. Ich habe mich für den Druck entschieden, was am Ende gut war“, sagte die 22-Jährige. Im Juli will sie erst einmal Abstand vom Ilca-Segeln gewinnen, aber rechtzeitig zur WM wieder Fahrt aufnehmen.
 
Ilca 7
Ein doppeltes Finnen-Podium gab es bei den Ilca 7. Der Olympia-erfahrene Kaarle Tapper konnte sich durch den Abschlusssieg noch auf Rang eins schieben. Sein Landsmann Valtteri Uusitalo wurde Dritter. Im Finnen-Sandwich auf Platz zwei: der Belgier Wannes van Laer. Der Schleswiger Nik Aaron Willim nutzte die Chance, im Medal Race noch mal Erfahrung zu sammeln und zu punkten. Als Zweiter rückte er auf Platz vier vor. Mehr war bei den Abständen auf das Podium nach einer Frühstart-Disqualifikation im einzigen Rennen am Sonnabend nicht mehr möglich.
 
iQ-Foil Männer
Eindrucksvoller als Sebastian Kördel kann niemand seine Überlegenheit demonstrieren. Und doch reichte es am Ende nicht zum Sieg. Der in Tarife lebende und für den NRV Hamburg startende Surfer gewann alle neun Vorrennen der iQ-Foils. Doch all das zählt bei den Surfer nicht. Die Punkte aus der Vorrunde werden gestrichen und nur das Finalrennen entscheidet. „Ich hatte Seegras an der Finne und das war es dann.“ So surfte Ethan Westera (Aruba) vorbei und schnappte sich das Gold vor Kördel und Fabian Wolf (Kiel). Wenn es nach Kördel geht, dürfte die Kieler Woche in den kommenden Jahren mit wachsender Beteiligung rechnen. „Es ist ein cooles Event. Das wird durch die Teilnahme der internationalen Surfer in diesem Jahr weiter die Runde machen.“
 
iQ-Foil Frauen
Im nordisch geprägten Feld der Surferinnen gelang Lena Erdil die Titelverteidigung auf ihrem Heimatrevier. Dabei konnte sie sogar eine Frühstart-Disqualifikation in den sieben Wettfahrten wegstecken und verwies Laerke Buhl Hansen (Dänemark) und Aleksandra Blinnikka (Finnland) auf die weiteren Podiumsplätze. Da in Kiel die Finalserie abgesagt werden musste, entschieden die Ergebnisse der Vorrunde.
 
Nacra 17
Ein kleines Geschenk auf See gab es für Paul Kohlhoff. Der Kieler Sportsoldat bekam an seinem 27. Geburtstag noch einmal die Chance, mit seiner Vorschoterin Alica Stuhlemmer für eine Verbesserung des zehnten Gesamtranges zu sorgen. Auf die Minute genau mit der letzten Startmöglichkeit begann das Medal Race. Kohlhoff/Stuhlemmer kamen nach verhaltenem Start gut raus, führten zwischenzeitlich das Feld an und wurden schließlich Dritte. Damit rückten sie in der Gesamtwertung noch auf Platz acht vor. Am überlegenen Gesamtsieg der Olympiasieger Ruggero Tita/Caterina Banti (Italien) vor den Doppel-Weltmeistern John Gimson/Anna Burnet (Großbritannien) und dem zweiten italienischen Team Vittorio Bissaro/Maelle Frascari gab es keine Zweifel.

Zum Abschluss der Kieler Woche flogen die Nacra 17 noch einmal um die Wendemarken. Foto: Sascha Klahn/Kieler Woche

11. ACO Musto Skiff-Weltmeisterschaft
Endlich hat es geklappt für Rick Peacock: Er gewann seine erste Medaille bei den Musto Skiff-Weltmeisterschaften und dann gleich die goldene. Ohne ein weiteres Rennen am Schlusssonntag durfte er feiern: „Bei der vorigen WM habe ich die Medaille am letzten Tag verloren. Jetzt fühlt es sich großartig an. Es war eine starke Konkurrenz mit einem Klasse-Podium“, so der Brite, der in den Niederlanden lebt und dort den Olympia-Kader im 49er trainiert.
Hinter Peacock folgte der Südafrikaner Andy Tarboton vor dem Briten Peter Greenhalgh. Dass er keine Chance mehr zum Angriff hatte, nahm Tarboton gelassen: „So ist Segeln. Wir hatten eine phantastische Woche mit einer tollen Organisation, super Wetter, und beim Wind war alles dabei – von Leicht- bis Mittel- und Starkwind. Ich freue mich für Rick.“ Einen kleinen internen Sieg feierte er zudem, denn mit Peter Greenhalgh bildet der Südafrikaner, der seit zehn Jahren in Großbritannien lebt, eine Trainingsgruppe und konnte seinen Partner auf Rang drei verweisen. Der Büdelsdorfer Iver Ahlmann, als geschäftsführender Gesellschafter der internationalen ACO-Gruppe WM und erstmals auch Kieler Woche-Sponsor, wurde als bester Deutscher 14.
 
420er
Nach der Vorrunde drehte sich das Bild der 420er noch einmal, als die besten Akteure in der Goldgruppe zusammengefasst wurden. Ein deutsches Trio bildete schließlich die Top-Drei des Rankings. Leonard von Holtum/Josh Berktold (Essen) siegten vor Severin Gericke/Xaver Schwarz (München) und Johann Emmer/Jannis Liebig (Berlin).
 
J/24 und J/70
Bahn Foxtrott bot am Sonntag nicht mehr ausreichend Wind für weitere Wettfahrten, so hatte das Ranking vom Vortag Bestand. Damit gab es einen irischen (J/24) und einen deutschen (J/70) Sieg in den beiden Kielboot-Klassen. Für Cillian Dickson war es ein gelungener Test für die J/24-EM im August, die in seinem Heimatclub ausgesegelt wird: „Dann ist unser Ziel natürlich die Goldmedaille. Vorher fahren wir noch zu den Nationals in Großbritannien. Aber hier waren auch schon einige Crews dabei, die wir zur EM wiedersehen werden.“ Hinter dem Iren reihten sich die Hamburger Crews von Stefan Karsunke und Jan Kähler auf den nächsten Plätzen ein. Bei den J/70 durfte sich Carsten Kemmling (Hamburg) mit seiner Crew das Gold zur Siegerehrung abholen, Silber und Bronze gingen an Bo Böje Pedersen (Dänemark) und Florian Spalteholz (Hamburg).
 
Silbernes Band
Segelaction geht auch ohne viel Wind. Die Yacht-Crews erlebten bei der Langstrecken-Wettfahrt um das Silberne Band zur Kieler Woche eine Nacht voller Nervenanspannung mit dem bangen Blick auf die Instrumente, ob noch Geschwindigkeit im Boot ist, einen Tag mit der Suche auf den gewinnbringenden Windstrich und insgesamt ein Rennen um Langeland und rund um die Uhr mit zahllosen Manövern und Segelwechseln ohne viel Schlaf. Der knapp 120 Seemeilen lange Kurs von Kiel in die dänische Südsee und zurück entwickelte sich zum Ausscheidungsrennen, in dem von den ehemals 30 gemeldeten Yachten 22 über die Startlinie gingen und 16 schließlich das Ziel erreichten.
Die größte Gruppe im Ziel, die ORC II, entschied die Eckernförder „Surprise“ von Marie-Ivonne Otisi-Schaarschmidt für sich – vor der „Edelweiss“ von Thomas Reinecke (Hamburg), die es trotz zahlreicher Krankheitsausfälle mit viel Ersatz und nicht eingespielter Crew auf Platz zwei schaffte. Glücklich erschöpft präsentierte sich „Surprise“-Skipper Leon Kirchberg an Land: „Der leichte Wind hat allen Crews zu schaffen gemacht. Uns kam zugute, dass wir ein junges Team sind, in dem alle beißen wollten. Keiner war zu scheu, immer wieder die Segel zu wechseln und alles rauszuholen. Wir haben die ganze Klaviatur der Segelgarderobe rauf und runter gesetzt. Insgesamt hatten wir im Durchschnitt vielleicht eineinhalb Stunden Schlaf – vom Bootsmann bis zur Eignerin.“
Natürlich gehört auch Glück dazu. Während es die „Surprise“ durch den Svendborg Sund unter Gennaker schaffte, musste andere hier gegen den Wind an. Der Lohn war ein langer, enger Kampf mit der „X-Day“ (Walter Watermann/Dortmund) aus der Gruppe der schnellen Yachten, die sich am Ende noch absetzen konnte und die Gruppe ORC I gewann.

Die weiteren Sieger:
ORC III+IV: „Play Harder“, Dirk Tschierschke (Bremen)
ORC Doublehand: „Dwinger 2.0“, Jens Dwinger (Strande)
Yardstick: „Carlotta“, Rüdiger Fuchs (Hamburg)
Yardstick Doublehand: „Colombine“, Jens Peter Weissmann

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