Knarrblog Meisterschaft der Meister: Erstaunlicher Sieg – Die Kielzugvogel-Meister und ich

Kaum zu glauben

Manchmal hilft Erfahrung dann doch. Die ersten Rennen des zweiten Tages laufen nur noch mäßig. Alex rätselt kurz. Liegt es an den Arm-Schmerzen vom vielen Schot ziehen?

Eine Blockade im Nacken macht Probleme, sagt vor-Ort-Segel-Physio Olli Thies. Aber der Skip zieht auch mit zusammengebissenen Zähne an der Schot, während die Böen über die Alster hacken – in der Spitze 33 Knoten. Eigentlich genauso wie gestern, als wir nach den ersten sechs Rennen am ersten Tag der Meisterschaft der Meister das Feld anführen. Unglaublich. Dann checkt Morgenstern den Fehler. Es ist die Mütze.

Luvtonnenrundung. Alex versucht abzufallen, ich reiße den Niederholer und die Fock auf, Tanja sorgt für Luvgewicht. © Pepe Hartmann

32 Teams sind geladen. Von Seesegel-Meistern bis zum O’pen Skiff und Teeny-Champs, vom Finn-Recken bis zum Contender-Weltmeister. Eine perfekte Mischung, auch wenn viele Olympioniken fehlen, die sich downunder bei den nächsten WMs auf die nächsten Spiele vorbereiten. Die Regeln versprechen besonders viel Spannung. Gennaker sind diesmal auf den J/70 verboten. Man muss kein Spezialist sein, um die Kielboote zu beherrschen.

Protest auf dem Wasser. Die Schiedsrichter sind immer präsent. © Pepe Hartmann

Ich atme auf, als ich von diesem kleinen Detail höre. Mit dem widerspenstigen Tuch im Mast, zu dritt bei 30 Knoten Wind, auf dem Mini-Kurs und mit mir an der Kite-Schot – wir hätten uns wohl umgebracht.

„Kennst du jemanden?“

Es ist eine skurrile Crew-Zusammensetzung. Entstanden aus einer kurzen FB-Messenger-Nachricht: „Lust MdM zu segeln? Oder kennst du jemanden?“ Alexander Morgenstern. Ein Ruf aus der Vergangenheit. Vor 40 Jahren sind wir gegeneinander Optimist gesegelt. Stadt- und Club-Meisterschaften auf der Duisburger Sechs Seenplatte. Er beim Yacht-Club am anderen Ufer des Masurensees, ich beim Segel-Club in der Ecke mit dem Kies-Bagger. Meistens hatte ich keine Chance.

Freude über den Überraschungssieg. © HSC

Klar hab ich Bock. Ich liebe diese Veranstaltung. Stark, dass der Hamburger Segel-Club dieses nationale Klassentreffen, erfunden vom Mitglied Jochen Halbe, nach dem plötzlichen Ausstieg des DK-Verlags gerettet hat. Dimension Polyant, Pantenius und Musto haben die Treue gehalten. Und der Verein hängt sich jedes Jahr mit maximalem Engagement rein.

Alex ist Kielzugvogel-Meister geworden. Zusammen mit Tanja Seegelke, seiner Top Vorschoterin, die er aus Heilbronn nur zu den wichtigen Wettkämpfen bestellt. So wie zur IDM am Wannsee, wo die beiden überlegen den schon im Vorjahr gewonnenen Titel verteidigten. Nebenbei wurde er auch noch in beiden Jahren mit Heinz Lenz an der Vorschot Meister im Schwertzugvogel.

Mit Eiermann im Zugvogel

Keine Frage, der Junge hatte immer Talent. Das zeigte er schon als Vize-Jugendweltmeister 1981 im 470er zusammen mit seinem Bruder. 82 und 83 holten sie jeweils den nationalen Jugend-Titel. Aber der Job als Schifffahrtskaufmann kam dazwischen. Es brauchte seine Zeit bis er das Segeln wieder vermisste. Als Vorschoter vom legendären Gerd Eiermann fand er zurück zum Spiel und lernte die Feinheiten der Kielzugvogel-Segelei.

Enger Start der acht-Boote Flotte. © Pepe Hartmann

Klar würde ich helfen. Alte Duisburger-Verbundenheit. Mit dem Zugvogel verbindet mich schließlich eine innige Bande. Annodazumal bei der Niederrheinmeisterschaft auf dem Wolfsee, hat mir der spätere Schwiegervater nicht nur seinen roten Kieler „Iduna“, sondern auch die Tochter anvertraut. Er wusste vermutlich: Es gibt kein besseren Charakter-Test für eine mögliche Partnerschaft als eine gemeinsame Regatta.

 

Eine witzige Revival-Geschichte. Einfach Spaß haben und über alte Zeiten quatschen. Sportliche Ambitionen? Nebensache. Wir konnten uns nichts ausrechnen. Noch nie war Alex regattamäßig J/70 gesegelt. Und ich hatte erst einmal vor einer Woche beim Liga-Pokal Fun Event in Glücksburg an der Fockschot gerissen.

Baggerloch-Reflexe

Aber Alex kann es noch immer. Gut getimte Starts in Luv bei hackigem Wind, Ü-90 Gewicht auf der Kante, vom Baggerloch geschulte Dreher-Reflexe, viel Arbeit an der Großschot und jede Menge Kieler-Erfahrung beim Schmetterling-Segeln. Nach dem ersten Tag liegen wir auf Rang eins der Flotte. Es ist kaum zu glauben.

Ergebnis Meisterschaft der Meister 2019 Topp 13 von 32 Teams.

 

Gesamtergebnis Meisterschaft der Meister 2019

Am Sonntag dann der erwartete Einbruch. Am Startschiff abgestreift vom Europe-Meister, später unglücklich an der Luvtonne weggeblockt, schnell rutschen wir auf Rang fünf ab. Die Favoriten sind vorne. ORC-Meister und SKWB Liga-Steuermann Nickel, Silke Basedow – diesmal als Match Race Vize-Europameisterin –  505er-Champ und Düsseldorfer Liga-Skipper Hofmann, Finn-Meister Max Kohlhoff. Er legt mit der deutschen 470er-Hoffnung Frederike Löwe an Bord einen fulminanten Endspurt hin. Egal. Die besten Acht kommen in das Halbfinale, für uns das passt locker. Die Punkte werden nicht mitgenommen. Es geht wieder bei Null los.

Die Teeny-Meister vom HSC freuen sich, drei Crews achteraus gelassen zu haben. © Pepe Hartmann

Dann findet Alex auch den eigentlichen Fehler. Es ist die Mütze! Zu neu, zu wenig im Rennmodus getestet, nicht ordentlich das Pech rausgesegelt. Ein guter Steuermann spürt das. Es ist die Erfahrung von 40 Jahren auf dem Wasser. Zack, zum Käppie mit den Schweißrändern gewechselt. Zack, klappt es wieder mit den Spitzenplätzen. So einfach kann es manchmal sein.

„Ihr müsst noch mal“

Dieses aus der vertrauten Kopfbedeckung gepresste Glück ist auch nötig. Ein mittelmäßiges erstes Halbfinalrennen endet auf Rang fünf. Dann schießen sich Gurgel und Kohlhoff beim Start raus. Der Weg wäre frei zu Sieg. Fiese Dreher auf der zweiten Kreuz lassen den Spitzenplatz aber verloren gehen. Wir wähnen uns ausgeschieden.

Letztes Rennen im Finale der Topp drei. Wir in der Mitte, Silke mit ihren Mädels in Luv, Gordon in Lee. © Pepe Hartmann

5 und 2, das kann nicht für das Triple-Race-Finale gereicht haben. Im Hafen takeln wir schon das Boot ab und streifen die durchgeschwitzten Klamotten ab. „Ihr müsst noch mal.“ Wie jetzt? Tatsächlich. Die Hofmänner haben 4/3 gesegelt, sind punktgleich, und so zählt unser zweiter Platz als Tiebreaker.

Unglaublich. Gegen Nickel und die Match-Race-Frauen im Finale, Topp drei sicher. Wer hätte das gedacht? Nun also auf Sieg segeln? Alles ist Zugabe. Ob sich die beiden belauern und uns fahren lassen? Nur erste Plätze zählen. Wer zweimal gewinnt, ist durch.

Verteidigen im Rhythmus

Bei den ersten beiden Rennen stellen wir uns hinten an. Im Infight sind die Gegner besser. Aber dann bringt ein Steuerbord-Start hinter Silke erneut ungeplanten Erfolg auf der rechten Seite. Alle Teams verbuchen nun einen Sieg. Wer das letzte Rennen gewinnt, ist durch.

Das KZV-Meister-Team mit Anhang. DSV-Vize Thorsten Haverland (l.) und Polyant-Chef Robert Kühnen im bei der Siegerehrung im HSC. © HSC

Gordon kommt besser weg in Lee. Wir haben Schwierigkeiten uns in Luv zu halten. Aber der Wind kippt nach rechts, und wir bekommen immer wieder Luft zum Leeboot, sind schnell. Fast bis zur Layline reicht der Schlag, bis zum ersten Linkskipper. Kaum zu glauben. An der Luvtonne liegen wir vorne.

Tanja hat die Vorwind-Technik als menschlicher Ausbaumer perfektioniert. Alex verteidigt auf der zweiten Kreuz souverän im Dreher-Rhythmus, und plötzlich sind wir als Erste im Ziel. Unverhofft kommt oft. Aber das ist wirklich kaum zu glauben!

Eine Antwort zu „Knarrblog Meisterschaft der Meister: Erstaunlicher Sieg – Die Kielzugvogel-Meister und ich“

  1. Andreas Borrink

    sagt:

    Das sind die Geschichten, die das (Segel-) leben schreibt – Klasse! Danke für den Zuspruch!

    See you in 2020?!

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