Laser SB3 WM Blog 5. Tag + Video

Man denkt, es geht nicht schlimmer. Es geht…Ruderbruch!

Ich weiss gar nicht, was es da zu lachen gibt. Das Ruderblatt ist hin.

Es ist hart genug, gegen Mädchen zu verlieren. Im Match Race ist es mir immer wieder gelungen. Der Anstand ist wohl zu gross. Man schlägt ja auch keine Frauen. Aber da kommt diese blöde Tusse von Luv unter Gennaker auf die Leetonne zu und schreit und schreit, als könnte sie uns verbal aus dem Dreilängenkreis verbannen.

Ich mache ihr in ähnlicher Lautstärke klar, dass ich nicht der Gentleman bin, für den sie mich halten mag. Ich werde ihr nicht höflich die Türe aufhalten und Vortritt gewähren. Wo sind wir denn hier? Das ist ein Wettrennen. Eine Weltmeisterschaft.

Dabei habe ich einen Höllenrespekt vor der Britin. Zum einen vor ihrer konstanten Leistung als Gesamt achte. Zum anderen, weil sie gerne im Vorstart wie selbstverständlich mit runtergelassener Hose und blankem Hintern über der Kante durch das Männer-Feld pflügt. Warum auch nicht? Wir Typen denken uns schließlich auch nichts beim über die Kante schiffen.

Diese Frau – sie heisst Sarah Allan, und die beste britische Match Racerin Josie Gibson ist mit an Bord – schafft es also nicht, uns vom zehnten Platz wegzublöken. Aber das muss sie auch nicht. Schließlich machen wir doch noch Platz. Wenn auch nicht ganz freiwillig. Bei dieser Leetonnenrundung weht der Gennaker zum wiederholten Mal achteraus, als ich an den Wind gehe. Das mag von aussen hübsch aussehen. Aber man muss nicht viel Vorstellungskraft besitzen, um sich den Bremseffekt vor Augen zu führen.

Gute Starts sind entscheidend. Photo Stefano Grossi/Volvo

Wieder ist eine Top Ten Platzierung futsch. Wir waren gut dran nach einem hart erkämpften guten Start am Schiff auf dem Riva Kurs. Wir legen zügig um und kämpfen uns auf die Felsen zu. Es weht mit sechs. Alle Trimm-Elemente sind auf Anschlag gezogen. Das Achterstag, Niederdruecker, Cunningham biegen den Mast brutal. Das Gross ist flach wie ein Brett. Ich arbeite heftigst mit der Grossschot. Und die Fock machen wir schon ein wenig auf, um das Achterliek zu öffnen.

Die Linie ist links wieder um zig Bootslängen im Vorteil. Die Wettfahrtleitung hat feste Punkte für ihre Tonnen. Es ist schließlich schwer, im 350 Meter tiefen See mal eben die Marke zu verlegen. So liegt das Feld links also weit vorne. Aber dennoch kommt der Positiv-Effekt unter dem Felsen. Er muss kommen. Er kommt immer. Und meistens dann, wenn man schon nicht mehr daran glaubt.

Dann purzeln sie alle oben von ihrem hohen Kurs auf unseren herunter. Na ja, fast alle. Wir liegen an der Luvtonne im Bereich der Top Ten. Dann kommt das Lee-Gate, das Spimanöver und die Britin. Das Rennen ist wieder einmal viel zu früh vorbei. Platz 28.

Aber es kommt noch besser! Deprimiert dödeln wir ins Ziel. Ich beschränke die Kommunikation auf ein Minimum. Ich sollte eh meine Stimme schonen. Das muss man erst einmal verkraften. Beim Warten auf den nächsten Start treiben wir auf eine Hotel Ruine am Felsen zu. Dort gibt es ein wenig Windschatten für die strapazierten Plastik-Tücher. Aber der Anblick der rostigen Geländer und zerbrochenen Fensterscheiben zieht die Stimmung eher noch weiter runter.

Ex Shosholoza Mann Ian Ainslie arbeitet sich am Felsen entlang Richtung Luvtonne. Photo Stefano Grossi/Volvo

Ein Brite winkt. Es geht wieder los! Zweites Rennen. Oops. Tatsächlich. Besten Dank für den Tipp. Die zweite Startsequenz ist schon angeschossen. Das Brötchen wird hastig eingepackt. Es ist knapp zur Linie. Wir müssen den Startanlauf schon verkürtzen.

Der Start ist mittelmäßig. Aber in einem haarigen Manöver reisse ich den Bug rum, wir passieren knapp hinter dem Luvboot und finden wieder eine freie Spur zur Wand. Der Wind scheint noch einmal zugenommen zu haben. Ich höre mich Ächzen. Die Grossschot schneidet in die geschundenen Hände. Wende auf Wende schlagen wir unter der Wand. Es geht bis auf einen Meter an den Felsen. Gerade die letzten Zentimeter zählen.

An der Luvtonne sind wir im Bereich der Top Ten. Auch in der zweiten Runde. Wider Erwarten geht der Spi diesmal einigermaßen runter. Nur zwei Schiffe fahren vorbei. Shosholosa Stratege Ian Ainslie versucht in Luv drüber zu rutschen. Und er packt es knapp.

Aber der nächste Jibe Set klappt dann wieder exzellent. Wir sind dabei Ainslie zu überholen. Er hat sich mit der Layline verschätzt. Er wird am Ende siebter. Im High Speed Modus geht es wieder auf die Wand zu. Heissa! Dieses Geschoss geht jetzt richtig ab. Und das bei vollster Kontrolle. Es ist eine Freude !

Als der Bugspriet fast am Felsen kratzt halsen wir auf die Anliegelinie. Es ist knapp. Ich schreie mir die Crew auf den Schoß. Je mehr Gewicht hinten, um so kontrollierter ist der Surf. Ainslie dreht schon vor der Tonne ab und nimmt den Gennaker runter. Den schnupfen wir gleich. Mit gut 16 Knoten stieben wir in einer Gischtwolke heran. Nur noch diese eine Tonne, danach folgt ein banaler Verholer ins Ziel.

Knack !!!!!!!

Mit einem Auge sehe ich die Wasserfontäne am Ruder spritzen. Dann driftet das Heck weg. Ich verliere den Halt. Rolle rückwärts ins Wasser. Das Schiff fährt mit meinen Jungs weiter. Die merken nicht, dass ich weg bin. Sie glauben an einen Spin Out, einen Sonnenschuss, und versuchen das Tuch zu bergen. Tatsächlich ist das Ruder gebrochen.

Ich treibe einsam und verlassen im Gardasee. Vielleicht sind sie ja froh, mich los zu werden. Vielleicht ist es die Rache für einen der vielen gut gemeinten Tipps beim Gennaker Bergen. Die wurden ja nur manchmal etwas laut vorgetragen, damit sie auch im Sturmgebraus zu hören waren. Da empfinde ich die Ignoranz meiner im Wasser treibenden Person doch etwas übertrieben.

Zumal gerade das Feld auf mich zurast. Eigentlich ein herrlicher Anblick aus der Perspektive im Wasser. Aber er ist dann irgendwann nicht mehr so lustig. Ich schwenke mein Cappy, um gesehen zu werden. Aber die Crews haben anderes zu tun, als auf bekloppte Schwimmer zu achten.

Haarscharf brausen sie an mir vorbei. Dann steht auch noch unser Schiff im Weg, dass die verbliebene Besatzung mit dem Stummelruder in meine Richtung zu lenken versucht. Ich springe wieder auf. Der eine oder andere Laser SB3 rauscht mit seiner fluchenden Besatzung vorbei und vermeidet so gerade einen Sonnenschuss.

Nur mit den Segeln als Steuerung versuchen wir noch den Parcours abzutreiben. Es gelingt. Platz 48. Das war’s. Wenn es einmal schief läuft, dann richtig.

Dann bekommt der Tag nämlich noch sein Sahnehäubchen. Am Liegeplatz krame ich mein wasserdicht verpacktes iPhone aus dem Sack, um ein hübsches Erinnerungsfoto an Bord zu machen. Nun ja, der Sack war nicht wasserdicht. Vermutlich habe ich ihn falsch verschlossen. Das Gerät ist jedenfalls hin. Super! Mal sehen, was der morgige Tag noch bringt. Langsam bekomme ich Angst …

Ergebnisse nach 12 Rennen

Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

5 Kommentare zu „Laser SB3 WM Blog 5. Tag + Video“

  1. Kai Kemmling sagt:

    Na also ich habe mich da eigentlich raus gehalten! Wenn man Gennaker fährt und sich die Arme aus den Gelenken reissen lässt und dann im Vollstreß, mit Angst in den Knochen einen Fehler zu machen, das Ding verstauen muß, hat man nicht gerade die Zeit dazu in die Gegend zu schauen was irgendwelche Gummiboote so zeigen.
    Ich hatte nichts gesehen und hatte deshalb keine Meinung dazu. Ich war nur froh, dass das gelbe Monster im Sack war und ich eine kleine Pause hatte!
    Somit kann von überstimmen keine Rede Sein…..
    Sollte der Älteste der Crew doch mal auf seine Erfahrung pochen und sich durchsetzen! Dann hätten wir vielleicht tatsächlich mal den Ersten geschlagen, wenn auch mit einem faden Beigeschmack.

  2. Andreas Jung sagt:

    Das war so: wir zweiter am Leegate. Liegt da ein Boot, hupt und schwenkt eine Italuen- Flagge. Woraufhin ein Drittel unserer Crew dafür plädiert, ins Ziel zu fahren , aber überstimmt wird, weil es doch gerade so schön ist. Scheint den meisten anderen Booten auch so zu gehen: Sie fahren weiter. Aber dann haben wir doch keine Lust mehr, hohe. Die Tüte hoch, biegen wieder ab und fahren ins Ziel. Die meisten andren nutzen den schöne. Wind, um noch etwas über den Lago zu schippern. Was bei der Mehrzahl länger als 15 Minuten nach Zieldurchgang des ersten dauert. So geht das mit DNF. Der erste, das wären übrigens wir gwesen, wenn politisch korrekt Minderheiten an Bord mehr Gehör fänden. Hätte, könnte, wäre – warum soll es auf dem Wasser anders sein als im richtigen Leben?

  3. Andreas sagt:

    Was ist in der letzten Wettfahrt passiert? Lauter DNF? Den Weltmeister habt Ihr wohl dann in der letzten Wettfahrt paniert. Lust auf mehr nächstes Jahr?

  4. Birdy sagt:

    Und dabei heisst das doch Mast- und Schotbruch.

  5. Matt sagt:

    Viel Erfolg für die naechsten Rennen.
    Das Pech habt ihr ja wohl erstmal aufgebraucht.
    Wir fühlen mit