New York-Vendée Überraschung: Samantha Davies auf den letzten Meilen an Richomme vorbei

"Es war so gut!"

Sam Davies tanzt auf ihrem Schiff, als sie auf Rang sechs ins Ziel kommt. Fraglos ein guter Platz, aber die besondere Freude hat mit dem Gegner zu tun, den sie kurz vor dem Ziel überholt: Yoann Richomme Doppelsieger der vergangenen beiden Transats. 23 Minuten fehlen ihm.

Sam Davies tanzt vor Freude nach ihrem Coup. © Olivier Blanchet/Alea/New York Vendée

Um vier Uhr in der Nacht hat  Samantha Davies noch 50 Meilen bis zum Ziel zu segeln.  Drei Meilen vor ihr rast Yoann Richomme mit Paprec Arkea und peilt Platz sechs an bei der New York-Vendée. Taktisch ist eigentlich nicht mehr viel zu machen. Beide Skipper versuchen ihre IMOCAs bei knapp 14 Knoten Wind auf den Tragflächen zu halten. 

Davies mit den geschwungenen Manuard-Foils, die auch Boris Herrmann beflügeln, Richomme mit den geraderen Profilen, die etwas weniger Trimmfehler verzeihen sollen. Im Duell puschen sie sich zur Höchstleistung. Sie versuchen in Spitzen die 20 Knoten zu knacken, erreichen aber 14 Knoten im Schritt. 

Plötzlich wird Richomme langsamer. Das Defizit zu Davies beträgt gut zwei Knoten. Die Britin zieht vorbei.

50 Meilen vor dem Ziel liegt Richomme gut 3 Meilen vor Davies…

…Zwei Stunden später ist sie vorbeigezogen.

„Ich glaube, er hatte heute Morgen ein kleines Problem“, erklärt Davies im Ziel. „Das habe ich ausgenutzt.“ Richomme selbst sagt später nichts dazu. Er geht nicht explizit auf das verlorene Duell ein. Aber Davies jubelt.

„Es war so gut! Zwei Tage lang hatte ich mich langsam an Yoann herangetastet. Ich versuchte, nicht zu gierig zu sein. Aber das Boot war wirklich schnell und ich habe ihn schließlich überholt. Ich habe gewartet, um an ihm vorbeizukommen.“

Sam Davies Vendée Globe

Sam Davies nach dem fulminanten Finish im Ziel. © Olivier Blanchet/Alea/New York Vendée

Es muss ein Genuss für die 49-jährige Britin, die schon 2008-09 bei ihrer ersten Vendée Globe auf Platz vier gesegelt ist. Damals profitierte sie von vielen Ausfällen, diesmal aber segelt sie auf Augenhöhe mit den Besten. Schon bei der Transat CIC zeigte sie mit Platz drei eine neue Qualität. Mehr noch als der Platz zeugte der geringe Abstand zu Yoann Richomme und Boris Herrmann für die deutlich verbesserte Leistungsfähigkeit im Vergleich mit den Besten. Dieses Niveau hat sie nun bestätigt.

Davies erklärt: „Ich habe die vergangenen Tage nicht viel geschlafen. Man musste ständig trimmen, um das Boot im Flug zu halten. Der Wind war sehr unbeständig. Unsere Boote können sehr langsam sein, wenn sie nicht fliegen. Man muss dranbleiben, wenn sie schnell bleiben sollen.“

10 Kinder gerettet! Sam Davies sammelt bei ihren Langfahrten Geld für herzkranke Kinder (Initiatives-Coeur) © Olivier Blanchet/Alea/New York Vendée

Gefährlich sei auch der Ausfall ihres AIS gewesen. „Ich musste zwischen den Fischerbooten ein wenig Slalom fahren nd am Ende noch aufmerksamer segeln als sonst. Aber es war toll, die ganze Zeit mit anderen Booten in Kontakt zu sein – und zwar nicht nur mit irgendwelchen Booten!“

Das sei eine perfekte Situation gewesen, um die Trimmeinstellungen zu verbessern. Aber auch für die Motivation. „Wenn mehrere Boote in nächster Nähe segeln, sind wir alle schneller.“ Dabei hebt sie hervor, dass es gut war, ein etwas längeres Rennen zu segeln. Normalerweise wäre dieses Transat mit Rückenwind für die neuen IMOCAs in knapp über 9 Tagen zu bewältigen. Aber sie benötigte fast viereinhalb Tage länger.

Das sei aber sehr gut, um sich an das Leben auf dem Boot zu gewöhnen. Man sei gezwungen, einen Rhythmus zu finden, der später bei der Vendée Globe wichtig ist.

„Hut ab vor Charlie und Boris, die allen gezeigt haben, wie man es macht. Sie sind die einzigen, die es geschafft haben, diese Front zu überwinden, und es war wunderbar, ihren Weg zu beobachten. Boris hat besonders viel Mut bewiesen. Es ist großartig, dass er es gewagt hat, nach Norden zu fahren, und dass er bei dieser Option geblieben ist. Dahinter segelten wir alle in verschiedenen Gruppen. Aber jede von ihnen hat einen guten Kampf geliefert. Ich bin wirklich froh, dass ich zwei Transats hintereinander so gut geschafft habe. Das gibt mir Zuversicht für die Vendée Globe!“

Yoann Richomme nach zwei Siegen diesmal auf Platz sieben. © Olivier Blanchet Alea New York Vendée

Yoann Richomme blieb etwas einsilbig beim Zieleinlauf. „Ich bin froh, dass ich im Ziel bin! Es war eine längere Transatlantiküberquerung als ich erwartet hatte“, sagt er. „Wir haben jetzt vier Transatlantiküberquerungen innerhalb von sechs Monaten hinter uns gebracht, und das ist schon eine große Belastung für das System. Dieses Rennen war komplizierter, ich hatte weniger Erfolg, die Bedingungen waren für das Boot ungünstiger. Es war schwieriger, den Speed zu halten.“

Aber er habe eine Menge gelernt. Insgesamt seien es einige wichtige Lektionen gewesen. „Und es ist immer noch ein gutes Ergebnis in einer Flotte, die so viel Qualität hat. Wir müssen akzeptieren, dass es manchmal schwieriger ist, zu gewinnen. Das wird uns helfen, weitere Fortschritte zu machen.“

Justine Mettraux im Ziel. © Jean Louis Carli Alea

Lange Zeit konnte auch die Französin Justine Mettraux den Dreikampf um Platz sechs offen halten. Nach der Wende auf die Anliegelinie zum Ziel segelte sie mit der ex Charal auf neuen Foils nur zehn Meilen hinter Davies. Aber auf dem 700 Meilen langen finalen Schlag mit Wind von Backbord segelte sie zuletzt gut zwei Knoten langsamer als die beiden Konkrrenten und der Rückstand wuchs auf 75 Meilen. Ob auch sie ein Problem hatte ist nicht klar. 

Mettraux Kommentar: „Seit wir das Boot haben, haben wir bei allen Rennen zwischen dem sechsten und achten Platz gelegen. Das ist eine schöne Konstanz und ermutigend für die Zukunft. Ich bin froh, dass ich mit dem Boot in gutem Zustand ins Ziel gekommen bin. Ich muss mich noch zurechtfinden. Aber wir konnten die letzten technischen Dinge krennen, die wir noch verbessern müssen. Es war wirklich sehr hilfreich.

Zur Mitte des Rennens hatte ich einen elektrischen Blackout. Vor so etwas hat man immer Angst. Aber ich habe geschafft, da durchzukommen. Es ist immer gut, solche Situationen zu üben. Sie gehören zu den typischen Problemen, denen man bei einer Vendée Globe begegnen kann. Es wird immer Unwägbarkeiten geben.“

Vendée – New York Tracker 

Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

5 Kommentare zu „New York-Vendée Überraschung: Samantha Davies auf den letzten Meilen an Richomme vorbei“

  1. Andreas Borrink sagt:

    Für mich das Highlight des ganzen Rennens! Wunderbar zu sehen, wie Sam sich gefreut hat; Yoann hätte ruhig etwas Anerkennung ausdrücken können!?
    Damit rückt Sam Davies auf in die Riege der weiblichen Segellegenden wie Ellen, Florence (R.I.P.) uns Isabelle. Toll. Auch ein Podiumsplatz bei der VG wäre keine Überraschung…..

    • Lew sagt:

      Wenn jemand in der Formel 1 kurz vor Ziel überholt wird, gibt’s auch keinen Schulterklopfer. Hier segeln überehrgeizige Pros und keine Kids in ihren Optis.

  2. kamke@mac.com sagt:

    Justine Mettraux ist Schweizerin, nicht Französin. Als Segelfachmagazin im deutschsprachigen Raum sei dringend empfohlen, sich mit der Familie Mettraux zu befassen. Dazu gehört neben Justine auch Laurane (SailGP), Elodie-Jane Mettraux (Volvo Ocean Race, Siegerin Bol d‘Or,..), Bryan und Nelson…

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    • thomas jucker sagt:

      Wenn Justine Mettraux Deutsche wäre würde sich „Segelreporter“ vor Nationalismus überschlagen.

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      • kamke@mac.com sagt:

        Ich habe mich letzthin sehr über die Berichterstattung hier zu Oliver Heer gefreut und wollte einfach darauf hinweisen, dass wir deutschschweizer Segelfans auch mit Roura und allen Mettraux‘s mitfiebern, auch wenn diese aus der französischsprachigen Schweiz kommen. Das ist im grossen Kanton vielleicht nicht ganz so bekannt. Abgesehen davon ist die Familie Mettraux unabhängig von ihrer Nationalität für Segelfans mehr als beeindruckend und hier einen Bericht wert. Dass „Segelreporter“ deutsche Segler wie Herrmann feiern ist voll ok, die leisten ja auch Beeindruckendes gerade und ich freue mich mit.

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