Olympia Bilanz: Warum die Engländer den olympischen Segelsport dominieren

Britannia rules the waves

England steht einsam an der Spitze des Segel-Medaillenspiegels. So wie bei fünf der letzten sechs Olympischen Spiele. Das Erfolgsgeheimnis ist nicht so geheimnisvoll, wie man denken könnte.

Immer ein Stück voraus. Hier die britischen 49er-Champs vor Neuseeland.
© Sailing Energy / World Sailing

Britannia rules the waves. Die Engländer stützen ihr Selbstbwusstsein seit Urzeiten auf das Beherrschen der See. Auch deshalb steht der Erfolg der Olympia-Segler auf der Insel besonders hoch im Kurs. Vor Enoshima führen sie erneut souverän den Medaillenspiegel an.

Zum fünften Mal seit 2000 ist England bei Olympischen Segelspielen die beste Nation. Nur 2012 bei der Regatta vor heimischem Publikum sammeln Australien und Spanien mehr Goldmedaillen. So richtig schlecht verlief aber auch dieser Wettkampf nicht mit einmal Gold und viermal Silber.

Wie ist das möglich? Wie kann ein Land im Segelsport so viel besser sein als andere? Liegt es an den Genen? Sind Briten schon bessere Segler, wenn sie auf die Welt kommen? Wohl kaum. Dann hätten sie sicher auch einmal den America’s Cup gewonnen. Und die Dominanz hätte sich in anderen Klassen fortgesetzt.

92 Jahre dauernde Durststrecke

Die Antwort ist eigentlich ziemlich einfach: Geld! Kein Land der Welt pumpt so viel Geld in den Olympischen Segelsport. 30 Millionen Euro waren es für Tokio. Etwa genauso viel wie im Land Leichtathleten, Ruderer, Radfahrer erhalten. Die Ausschüttung wird an Erfolgen gemessen. Und da punkten die Segler regelmäßig seit 2000.

England segelt olympisch regelmäßig voraus. © Sailing Energy / World Sailing

Vorher hat die Seemacht nicht viel gerissen. Zwar sie bei den ersten beiden Olympischen Spielen 1900 und 1908 noch die erfolgreichste Segelnation, doch dann dauerte es 92 Jahre, bis sie wieder die Spitzenposition übernahm.

1992 und 96 plätscherten die Briten mit einer und zwei Medaillen im Mittelfeld mit. Aber 2000 in Sydney und 2004 in Athen räumten sie gleich in der Hälfte der Klassen (5) Edelmetall ab – 2008 in China sogar sechsmal. In London 2012 waren es erneut fünf Medaillen, in Rio nur drei, aber jetzt sind es wieder fünf.

Lotterie Gelder

Den Unterschied macht die Nationale Lotterie aus. Seit 2000 fließen Einnahmen daraus in den britischen Sport. Umgerechnet 406 Millionen Euro sind für Tokio verteilt worden. Für Rio waren es noch 322 und für London 310 Millionen. Die Segler erhalten einen Löwenanteil.

Sie wissen, bei wem sie sich bedanken müssen:

Geld schießt keine Tore, aber es es schadet auch nicht. Das gilt auch für das olympische Segeln. Insbesondere in einem Amateur-Sport, bei dem die Athleten um ihr Auskommen und ihre zukünftigen Berufschancen fürchten müssen. Auch wegen der großen Bedeutung des Materials lassen sich durch ein stabiles Budgets Vorteile erzielen. Aber insbesondere das professionelle Umfeld und etwa die Qualität der Coaches lässt sich im Mutterland des Segelns auf höchstem Niveau halten.

Während anderswo in der Welt kaum ehemalige Olympioniken als Trainer oder Organisatoren in die Strukturen eingebunden werden können – schon weil die Bezahlung selten ausreichend attraktiv ist – geben britische Spitzensegler häufiger ihr Know How an den entscheidenden Stellen weiter.

Fletcher/Bithell sorgen mit einem Sieg über Burling/Tuke für eine Überraschung. © Sailing Energy / World Sailing

Die britische Segellegende Ian Walker, Volvo Ocean Race Sieger und Doppel-Silber-Gewinner im 470er und Star, hat etwa 2017 das Amt des Performance Direktors übernommen. Und ein Iain Percy steht hinter dem rasanten Aufstieg des Duos Gimson/Burnett zum Nacra17-Silber. Auch die 49er Gold-Gewinner Fletcher/Bithell nennen Percys technischen Input mithilfe dessen America’s Cup-Ablegers Artemis Technologies als einen Schlüssel zum Erfolg.

Deutsche Segler können nicht auf ein solches finanzielles Sicherheitsnetz vertrauen. Sie müssen sich jeweils ihre eigene Finanzierung basteln, um etwa einen britischen Coach bezahlen zu können. Tina Lutz und Susann Beucke führen ihren Leistungssprung etwa auf die Zusammenarbeit mit dem britischen 49er-Silber-Gewinner Ian Barker zurück. Er coacht seit mehr als zwei Jahrzehnten britische Olympiateams wie die Yngling-Golden-Girls 2004 und 2008 zu Erfolgen.

Der DSV hilft mit seinen bescheidenen Mitteln, wo er kann. Aber ohne die Hilfe der Bundeswehr, privater Mäzene und immer mehr auch der großen Vereine – sieben von zehn Olympiaseglern werden vom im NRV Olympic Team unterstützt- sind international konkurrenzfähige Kampagnen nicht denkbar. Umso höher ist die Leistung der deutschen Segler in der Bucht von Enoshima zu bewerten.

 

avatar

Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

Ein Kommentar „Olympia Bilanz: Warum die Engländer den olympischen Segelsport dominieren“

  1. avatar Stephan Bode sagt:

    Tja und die deutsche Werftindustrie ist auch keine Hilfe mehr.
    Für die Olympiade 976 hat Dehler 470er gebaut und wahrscheinlich auch gesponsert.
    Heute kommt von den großen Werften mal garnichts.
    Segeln ist in Deutschland auch kein angesagter Sport.
    Der DFB hat 6 Mio Mitglieder. Der DSV irgendwas um 160.000. Da hat schon Borrusia Dortmund mehr Mitglieder.
    Es geht halt nur über das Engagement Einzelner, und da wird die breite Masse halt nicht erreicht.

    Denen, die im Segeln Medaillen mitgebracht meine allerhöchste Anerkennung.
    Was Ihr und Eure Unterstützer geschafft haben ist einmalig.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert