ORC-Kontroverse: X-Yachts und ITC raufen sich zusammen – „Interessenskonflikte“ im Fokus

„Wissenschaft ist nicht verhandelbar“

Das Offshore Racing Council signalisiert mit einem Statement, die Wogen im Ärger um die XR 41 Bestrafung glätten zu wollen. Man arbeite nun eng mit X-Yachts zusammen – offenbar auch um dem Vorwurf entgegenzuwirken, dass italienische Interessen stärker gewichtet werden als nordeuropäische.

 XR 41
Die XR 41 vor einer Halse. © X-Yachts

Das Rating-System ORCi erhebt den Anspruch, die Bewertung verschiedener Yachten transparent und wissenschaftlich vorzunehmen. Damit will es sich vom konkurrierenden International Rating Certificate (IRC) abheben, dessen Parameter für die Formel geheim sind, um zu verhindern, dass Boote gezielt dafür gebaut werden. Entsprechend komplizierter und umfangreicher ist eine ORC-Vermessung, aber auch genauer.

Nun stellt die aktuelle Kontroverse um die XR 41 allerdings genau die propagierte Wissenschaftlichkeit und Transparenz infrage, weil die in ihrem Geschwindigkeitsvorhersageprogramm (VPP) entdeckte Anomalie, die vom Design ausgenutzt wird, nicht mit der Erhebung wissenschaftlicher Daten behoben werden sollte, sondern durch eine künstliche Zeitbestrafung (im Schnitt 10 Sekunden pro Seemeile).

Das ist umso brisanter, weil der italienische Konstrukteur Matteo Polli eine wichtige Stimme im ORC-Gremium hat, selbst aber beteiligte Partei ist. Er hat einige Konkurrenzyachten gezeichnet. Insbesondere die Skandinavier monieren diese Konstellation und erkennen ein „Geschmäckle“. In der ORC-Szene konkurrieren insbesondere die Interessen der Flotten in Nordeuropa mit denen im Mittelmeer.

Hauptversammlung des ORC-Kongresses 2025 – Dun Laoghaire, Dublin, Irland © Piret Salmistu / ORC

Darf man es bestrafen, wenn Designer wie bei der XR 41 einen guten Job gemacht haben? Befürchten italienische Konstrukteure, ihre Vormachtstellung zu verlieren? Es geht bei dieser Kontroverse nicht nur um den neuen Renner von X-Yachts, sondern um die Glaubwürdigkeit von ORC im Allgemeinen.

Deshalb hat das Offshore Racing Council nun folgende Erklärung abgegeben:

„ORC und X-Yachts arbeiten eng zusammen, um die technischen Fragen zu klären, die hinsichtlich der XR-41 und der aktuellen Parametergrenzen innerhalb des ORC VPP aufgeworfen wurden. Beide Parteien verfolgen ein gemeinsames Ziel: ein faires, genaues und wissenschaftlich fundiertes Bewertungssystem für 2026 und darüber hinaus sicherzustellen.

Ein koordinierter technischer Prozess ist im Gange, der Folgendes umfasst:

  • Gemeinsame Überprüfung der beobachteten Leistungsdaten.
  • Zusätzliche CFD-Studien, mit Beiträgen von Tobias Merkel, dem Designer von X-Yachts.
  • Unabhängige Analyse durch externe Experten, darunter KND.
  • Systematische Kartierung der Domänenabdeckung künstlicher neuronaler Netze zur Identifizierung struktureller Lücken im Modellverhalten.
  • Bewertung der aktuellen Parametergrenzen und Anpassung auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse.

Sowohl ORC als auch X-Yachts bekräftigen einen fundamentalen Grundsatz: Das VPP muss ein wissenschaftliches Modell bleiben – und Wissenschaft ist nicht verhandelbar.

Jegliche Änderungen am VPP 2026 müssen daher auf validierten Daten und einer transparenten Methodik basieren – und nicht auf isolierten Regattaergebnissen oder den Interessen einzelner Interessengruppen.

Wir unterstreichen gemeinsam auch die Bedeutung von:

  • Einer ausgewogenen und unparteiischen ITC – gestützt auf das Bekenntnis zu strengen Governance-Standards, die vor Interessenkonflikten schützen.
  • Offener Kommunikation und Transparenz bei der Regelentwicklung.
  • Sicherstellen, dass Innovationen im Yachtdesign anhand einheitlicher und wissenschaftlich fundierter Methoden bewertet werden.

Diese Arbeiten werden mit hoher Priorität vorangetrieben. Sobald die laufende Analyse verifizierte Ergebnisse liefert, wird ORC eine ausführliche technische Erläuterung der Hintergründe, Ergebnisse und Auswirkungen auf das VPP 2026 veröffentlichen.

Anschließend werden die Ergebnisse dem ORC-Kongress zusammen mit etwaigen Handlungsempfehlungen zum VPP 2026 vorgelegt. Der ORC-Kongress ist das Gremium, das alle Änderungen am VPP genehmigt.

ORC und X-Yachts setzen sich weiterhin für Zusammenarbeit, wissenschaftliche Integrität und Fairness für alle Wettbewerber ein.“

Mit dieser Erklärung hat das kritisierte, bis zu 15 Personen umfassende technische Expertenkomitee (ITC), das innerhalb der ORC-Organisation die Rating-Regel überwacht, auf den massiven Druck reagiert und Gesprächsbereitschaft signalisiert. Indem es „wissenschaftlich fundierte Methoden“ hervorhebt, scheint es von dem Beschluss Abstand zu nehmen, der XR 41 pauschal eine Zeitstrafe aufzuerlegen. Offenbar bemüht man sich stattdessen, die Datensätze für die Formel anzupassen.

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Eine Antwort zu „ORC-Kontroverse: X-Yachts und ITC raufen sich zusammen – „Interessenskonflikte“ im Fokus“

  1. Hans W.

    sagt:

    Ich denke insbesondere die systematische Kartierung der Domänenabdeckung künstlicher neuronaler Netze zur Identifizierung struktureller Lücken im Modellverhalten kann gar nicht hoch genug gehängt werden. Das ist ja bei bei YS nicht anders 🙂

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