Retour à La Base: Boris Herrmann ist auf Platz fünf vorgesegelt, verliert aber an Boden

Stürmische Zeiten

Es sah schon einmal so aus, als wenn Boris Herrmann bei den immer heftiger werdenden Atlantik-Bedingungen Richtung Podium vorstoßen könnte. Aber Malizia die Konkurrenz profitiert von eine Winddrehung.

Stürmische Anfahrt auf das Azoren-Tor.

Fans hatten gehofft, dass Boris Herrmann bei dem dauerhaften Wind über 25 Knoten und stärker werdendem Seegang die Stärken seiner Konstruktion auskosten könnte. Zeitweise bestätigte Malizia auch die Erwartungen als schnellster IMOCA im Feld. Aber inzwischen ist Herrmann wieder vom Gas gegangen. Er hat technische Probleme. Und auch die strategische Entwicklung verläuft nicht zu seinen Gunsten.

Wetterspezialist Christian Dumard hatte sich schon gewundert, dass die meisten Skipper so vorsichtig segeln und sich nicht näher zum im Norden heranrauschenden Tief orientieren. Er glaubt, dass Vorsicht eine große Rolle gespielt hat. Der zu erwartende Seegang schreckte offenbar das Gros der Spitzengruppe ab, diese Option zu wählen.

Allein Yoann Richomme nutzte die Chance mit einer Halse nach Norden. Der zweifache Gewinner der Solitaire du Figaro ist für seine Sieg-Ambitionen bekannt. Und auch mit seinem relativ ungetesteten Neubau fühlt er sich nach Platz zwei bei der TJV nun offenbar sicher genug, um diese Regatta zu gewinnen.

Malizia (5. Linie von oben) hat Boden verloren. Simon (rot) hat zweitweise Tracker-Ausfälle. Burton (gelb) schließt mit dem Rechtsdreher auf.

Er entfernte sich mit gut 100 Meilen Querabstand aus der Spitzengruppe und hat seitdem den stärkeren linksgedrehten Wind gut drei Tage vor dem erwarteten Zieleinlauf für eine Vorentscheidung nutzen können. Er segelt mit einem Vorsprung von 70 Meilen vor dem Zweitplatzierten Jérémie Beyou, der es sich nicht anmerken lässt, dass er eigentlich ein Segel und die Windinstrumente im Masttopp verloren haben will.

Boris Herrmann hätte auf dem rauen Weg im Norden wohl auch gut ausgesehen. Und Beobachter Alan Roberts, Clarisse Crémers Co-Pilot bei der TJV, äußert schon, dass er sehr überrascht war, ihn nicht im Norden, sondern am weitesten im Süden nahe des leichteren Windes zu sehen.

Längst ist auch Malizia im Norden angekommen, aber der Rückstand zu Charal hat sich in zwei Tagen von rund 30 auf 100 Meilen vergrößert. Auch Seb Simon (Dubreuil) kommt mit der ex 11th Hour, dem Sieger von The Ocean Race, immer besser zurecht. Er behauptet Seite an Seite mit Sam Goodchild bei dessen erster Einhand-IMOCA-Regatta den Vorsprung von gut 50 Meilen auf Verfolger Herrmann.

Dafür kommen die Verfolger auf, weil sie von einer starken Rechtsdrehung profitieren, mit der sie abfallen und direkter Richtung Ziel segeln können. Insbesondere Louis Burton profitiert davon, aber auch Herrmanns ex Navigator Nico Lunven kommt wieder heran. Er war am Vortag auf seiner Holcim-PRB  deutlich vom Gas gegangen und hatte Malizia ziehen lassen.

Louis Burton (gelb) hatte vor der Winddrehung gut 240 Meilen Rückstand zu Malizia…

…Seit einiger Zeit kann Burton mit dem rechtsgedrehten Wind aber deutlich direkter nach Osten segeln Richtung Ziel. Der Abstand zu Boris Herrmann, der noch mit dem Südwest segelt verringert sich, bis er auch den Nordwestwind erreicht.

Die aktuellen Routenprogramme zeigen für die Top Ten an, dass der schnellste Weg zum Norden des bei den Azoren zu durchfahrenden Tores führt. Dort steuert die Spitzengruppe auch hin. Das nächste große Tiefdruckgebiet rauscht am 7. und 8. Dezember heran. Es könnte vor allem die Mitte der Flotte und die Nachzügler treffen und mit hohem, konfusem Seegang Probleme bereiten.

Weiter vorne ist aktuell die Welle einfacher zu bewältigen. Davon profitiert insbesondere Yoann Richomme, der seinen Vorsprung weiter ausbaut. Aber er kann sich längst noch nicht entspannen, wenn Dumard Recht hat. Der Meteorologe erklärt: “Im Moment liegen die Führenden vor der Front und Yoann beginnt sich abzusetzen. Aber am Abend erreicht er eine Zone mit leichteren Winden. Und die Verfolger werden gezwungen, entweder nach Norden oder nach Süden zu halten, um in dem Windkorridor zu bleiben.”

Malizias 24h-Speed im Vergleich zu Charal (weiß), Dubreuil (rot) und For The Planet (blau)

Danach solle es für den Führenden aber keine wirklich großen Probleme geben. Das große Tief komme aus Nordosten. Aber nahe Kap Finisterre soll der Seegang mit maximal  4,5 Metern Höhe nicht allzu schlimm werden.

Wie brutal der Alltag aktuell an Bord ist, zeigt die Geschichte von Sébastien Simon. Er hat den Rennarzt kontaktiert, nachdem er durch das Schiff geschleudert worden war und sich eine Kopfverletzung zugezogen hat. Bei dem Südwestwind bis 25 Knoten und Wellen zwischen 3 bis 4 Metern krachte das viertplatzierte TOR-Siegerboot in eine Welle und stoppte stark ab.

Der Arzt wies den Skipper an, wie die Wunde zu versorgen ist. Die Situation soll nun unter Kontrolle sein. Dabei kam Simon gar nicht auf die Idee, vom Gas zu gehen. Er ist aktuell Drittschnellster im Feld und schickt sich an, Sam Goodchild vom Podium zu verdrängen.

Pip Hare zeigt, wie es gerade auf dem Atlantik zugeht:

 

Boris Herrmann bringt im rockenden Boot seine Klima-Botschaft rüber:

Race Tracker Retour à La Base

Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert