Segel Technik: Das Problem mit der Patenthalse

"Death roll"

Aus der beliebten Reihe Patenthalsen für jedermann diesmal ein Fundstück von der Big Boat Series in San Francisco. Wie kommt es überhaupt zur Chinese Jibe? Wie kann man sie verhindern?

Warum werden eigentlich die armen Chinesen mit einem der fiesesten ungewollten Manöver in Verbindung gebracht werden, die auf Segelbooten passieren können? „Chinese jibe“ sagen die Briten zur gemeinen Patenthalse. Oder „death roll“, was sich auch nicht gerade nett anhört.

Patenthalse

Patenthalse

Passierte Chinesen das Missgeschick in der Vergangenheit besonders häufig? Spielt man damit auf ihre bisher vermuteten eher unterdurchschnittlichen seglerischen Fähigkeiten an? Das dürfte spätestens nach den Erfolgen des Dongfeng Teams beim Volvo Ocean Race oder dem jüngsten Olympiasieg im Laser Radial der Vergangenheit angehören.

Gründe für die Patenthalse

Wie dem auch sei, das Phänomen der Patenthalse bleibt bestehen. Wodurch wird sie ausgelöst?

Eine Voraussetzung ist, dass der Wind ziemlich genau von hinten kommt. Dabei segelt das Schiff ausgewogen, wenn der Segel-Druckpunkt genau über der Lateral-Druckpunkt gehalten werden kann. Ein echter Balance-Akt, denn der Mast bewegt sich besonders bei Wellengang ständig hin und her.

Das passiert besonders bei schweren Kielbooten, die nicht ins Gleiten kommen. Wenn sich der Winddruck von hinten sehr stark aufbaut, und das Schiff wegen seiner Masse und Rumpfform wenig beschleunigt, bekommt der Kraft auch eine Querkomponente, die das Schiff krängen lässt.

Das fiese Geigen

Sobald das Schiff nach Lee krängt, wird das Schiff luvgierig. Kippt es nach Luv, wird Leegierigkeit erzeugt. So entsteht das so genannte „Geigen“. Der Steuermann versucht die Bewegung mit Gegensteuern auszugleichen, und dabei wackelt das Schiff immer mehr hin und her. Extreme Luvkrängung führt schließlich zur Patenthalse. Das Schiff schmiert nach Lee ab und der Großbaum schlägt mit Hochgeschwindigkeit auf die andere Seite.

Aber nicht nur Wellengang auch sehr drehender Wind bringt das System aus dem Gleichgewicht. Der Steuermann muss auf die Winddrehungen sofort reagieren, sonst schlägt möglicherweise sofort der Großbaum herüber. Auch durch die Pendelbewegungen am Steuer kann das Schiff ins Geigen kommen.

Dabei wird die Tendenz zur Patenthalse durch verschiedene Maßnahmen vestärkt. Besonders ein zu locker eingestellter Niederholer lässt den Großbaum steigen, erzeugt Twist im Großsegel und ein instabiles Profil. Dabei kann sich beim Wackeln eine Querkraft entwickeln, die besonders bei Jollen zu Luvkenterungen führt.

Unter Spinnaker ist darauf zu achten, dass die Schoten sehr dicht gefahren werden und die Blase keine Chance hat, vor dem Mast zu pendeln. Im Video liegt genau hier das Problem. Die Spinnaker-Schoten sollte über die Barbehauler so eng gezogen werden wie möglich. Und der Niederholer des Spibaums muss dicht geholt werden. Außerdem sollte das Tuch mit dem Baum nicht zu weit nach Luv gezogen werden. Dadurch vergrößert sich die Sicherheit.

Chinese jibe unter Gennaker

Die Patenthalse kann aber auch bei Gennaker-Booten vorkommen. Das betrifft allerdings weniger gleitende Jollen oder Sportboote als Yachten mit einem sehr voll geschnittenen asymmetrischen Spi wie bei der J/109 von Peter Gustafsson, der 2012 eine Chinese Jibe dokumentierte.

Bei diesen Booten wird das Schiff weit nach Luv gekrängt, so wie bei Einhand-Jollen wie dem Laser, um den Segel-Druckpunkt über den Lateraldruckpunkt zu bekommen. Auch hier zerstörte eine plötzliche Böe das fragile Gleichgewicht.

In diesem Video ist auch am besten zu sehen, was man tut, um das Schiff nach dem Missgeschick wieder aufzurichten. Ruhe bewahren und kurz das Fall lösen, das Boot wieder aufrichten lassen und schnell wieder durchsetzen, damit das Tuch nicht überfahren wird.

Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

4 Kommentare zu „Segel Technik: Das Problem mit der Patenthalse“

  1. Marc sagt:

    Vielleicht weil die Chinesen gerne Patente verletzen? Aus Patent Halse wurde die Chinesen Halse.

  2. Kai Jensen sagt:

    Die Archambault aus dem Video ist dennoch eines der geilsten Schiffe, die es für Normalsterbliche zu segeln gibt.

  3. Karman sagt:

    „Wenn sich der Winddruck von hinten sehr stark aufbaut, und das Schiff wegen seiner Masse und Rumpfform wenig beschleunigt, bekommt der Kraft auch eine Querkomponente, die das Schiff krängen lässt.“

    Achjee… Ihr solltet mal euren Marchaj lesen: Am Spi löst die Strömung aufgrund seiner Geometrie mehr oder weniger komplett ab. Wenn dann noch die Reynoldszahl (u.a. Windstärke) passt wird das ganze periodisch, entspechend variiert auch die Druckverteilung. Durch die Asymmetrie in der Druckverteilung sind die Querkräfte nicht mehr ausgeglichen. Wer das nicht ausgesteuert bekommt legt sich halt hin…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert