Segler von Strömung erfasst: Was dahinter steckt

Verrückt?

Ein dramatisches Video zeigt einen Einhandsegler in Nöten. Er wirbelt mit seiner Yacht durch die Brandung, läuft schließlich auf und wird mit vereinten Kräften gerettet. Wie konnte es dazu kommen?

Die Szene erscheint skurril. Mit einem Speed, den man der kleinen Segelyacht nicht zutrauen würde, entfernt sie sich vom Ufer. Kontrolliert erscheint dieser Törn nicht abzulaufen. Der Steuermann dreht um und landet schließlich auf dem Strand.

(Direkter FB-Link)

Touristen kommen zu Hilfe. it vereinten Kräften sichern sie die Yacht. Was ist da schief gelaufen? In den Kommentaren zu dem Video ereifern sich die Betrachter wie üblich. „Wie kann man nur?“, „Warum werden die Segel nicht früher geborgen?“, „Wieso geht man bei solchen Bedingungen überhaupt raus?“. „Ist der Skipper verrückt?“

Diese Fragen werden der Situation aber nicht gerecht. Denn offenbar handelt es sich um alles andere als einen absichtlichen Törn bei Extrembedingungen. Das Revier spielt eine große Rolle. Der Vorfall ereignete sich bei Hermanus gut 100 Kilometer Südöstlich von Kapstadt in Südafrika.

Dort wird normalerweise sehr aktiv auf der Klein River Lagune gesegelt. Das Revier ist 10 Kilometer lang und 2 Kilometer breit. Dort residiert der Hermanus Yacht Club und unterhält Optimisten- und ILCA-Flotten. Eine ILCA4-Weltmeisterschaft wurde dort schon ausgerichtet. Außerdem segeln dort Kleinkreuzer im Varianta-Format die Carioca genannt werden.

14 Schiffe gibt es im Club. Die Konstruktion entstand schon 1971 bei Van De Stadt Yacht Design in Holland. Es ist 6,85 Meter lang, 2,37 Meter breit und wiegt 1250 Kilogramm. Der Kiel weist einen Tiefgang von 1,35 Metern auf. Eine solche Yacht ist im Video zu sehen.

Über 300 Exemplare wurden weltweit gebaut und waren in Holland, Japan und Australien als „Oceaan 22“ bekannt. Mit diesem Schiffstyp soll sogar 1976 der IOR-1/8 Ton Cup in Lymington gewonnen worden sein.

Die Flotte der Carioca Kielboote auf der Klein River Lagune. © HYC

Beim Herrmanus Yacht Club kommt eine Version zum Einsatz, die mit einem speziellen Hubkiel ausgerüstet ist und damit variabel auf niedrige Wassertiefen reagieren kann. Im Video scheint es so, dass der Skipper zuletzt den Kiel geliftet hat, nachdem er auf der ersten Sandbank aufgelaufen ist.

Normalerweise segeln die Carioca auf der Lagune. Aber in diesem Fall haben offenbar Regenfälle zu Überschwemmungen geführt. Das passiert in dieser Region nicht selten. Das Wasser strömt dann in das Becken und darüber hinaus in die offene See. Normalerweise gibt es keinen offenen Zugang zum Ozean.

Der Mann wurde also offenbar gegen seinen Willen von der starken Flut aus der Lagune gesaugt. Möglicherweise wollte er sein Schiff retten, nachdem es sich losgerissen hatte. Der Wind weht leicht ablandig. Die starke Strömung erzeugt aber so viel Fahrtwind, dass an Bord kaum „Wahrer Wind“ zu messen ist. Erst als das Schiff aus der Hauptströmungsrichtung ausbricht, kommt es in den gegenläufigen Neerstrom im Flachwasser. Dort sitzt das Schiff aber dann auf.

Mit vereinten Kräften wird es dann in den sicheren Strandbereich gezogen. Es ist so leicht, dass es nach einer Beruhigung der Lage sicher schnell wieder flottgemacht werden kann.

Im vergangenen Jahr ist es in der gesamten Region zu Überschwemmungen gekommen einschließlich einer Jahrhundertflut im September (Video), die viele Häuser des nahen Dorfes Stanford zerstört hat. Das Wasser öffnete auch die Mündung der Lagune, die normalerweise durch eine Sandbank zum Meer verschlossen ist. Aber von Zeit zu Zeit bricht sie auf natürliche Weise durch.

Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

1 Kommentare zu „Segler von Strömung erfasst: Was dahinter steckt“

  1. Frank Odebrecht sagt:

    Moin, es muss natürlich heißen „ kaum scheinbarer Wind“
    Schönes Wochenende

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