Sorge um Sponsoren: „Sind keine Wal-Killer“ – Mini-Foiler Caroline Boule ärgert sich

"Der arme Kerl hat geschlafen"

Die Diskussion um Wal-Kollisionen der Offshore-Racer macht Profi-Racern Angst. Der Effekt könnte für ihre Karrieren fatal sein, wenn das positive Umwelt-Image ihres Sports leidet. Eine 26-jährige Aufsteigerin veröffentlicht einen offenen Brief.

Der innovative Mini 6.50 Foiler „Bill“ im Flugmodus. © Boule Sailing

Die polnisch-französische Einhandseglerin Caroline Boule hat in der vergangenen Saison in der Mini-Class-Szene für Aufsehen gesorgt, als sie die Mini Transat mit einem hochgewetteten neuen Foiler bestritt. Das Design vom inzwischen etablierten IMOCA-Konstrukteur Sam Manuard, der etwa für Sam Davies Neubau verantwortlich zeichnet, zeigt Speed-Peaks von 25 Knoten, landete bei dem Atlantik-Rennen nach technischen Schwierigkeiten aber dann doch nur auf dem enttäuschenden 16. Platz.

Caroline Boule bei der Vorbereitung für den Mini-Transat-Start 2023. © Olivaud / Mini Transat

Die 26-jährige Skipperin nutzt das Projekt dennoch als Sprungbrett für ihre Karriere. Der Mini 6.50 soll weiter optimiert werden, um etwa das nächtliche Fliegen im Autopilot-Modus zu verbessern. Aber Boules Fokus richtet sich schon auf den nächsten großen Schritt ihrer Karriere. 2028 will sie bei der Vendée Globe an den Start gehen.

Die Chancen stehen nicht schlecht. Schließlich hat sich Boule mit ihrem Foiler-Projekt eine große Fangruppe aufgebaut. Und sie ist internationaler aufgestellt, als die klassischen VG-Skipper. Sie studierte Ingenieurwissenschaften in London und schrieb ihre Abschlussarbeit in Grundlagenphysik an der Elite­hochschule École Polytechnique bei Paris.

https://www.facebook.com/caroboule.sailing/videos/1083684426363484

Boule scheint bestens für eine IMOCA-Karriere aufgestellt. Vielleicht sieht sie deshalb die aktuelle Diskussion um die Wal-Kollisionen so kritisch. Potenzielle Geldgeber könnten durch die negative Außenwirkung abgeschreckt werden.

In einem offenen Brief wendet sie sich gegen die jüngsten „wiederholten und gezielten Angriffe auf die Welt des Hochseesegelns“. „Das regt mich richtig auf“, auch wenn vieles gut gemeint sein möge. „Aber ich sehe schwerwiegende Folgen für das empfindliche Gleichgewicht eines Systems, von dem die Berufe Tausender von Menschen abhängen. Kritik um der Kritik willen wird die Situation nicht verbessern. Im Gegenteil, sie führt dazu, dass die Menschen sich abkapseln und gegeneinander kämpfen, anstatt Hand in Hand zu arbeiten, um die Probleme zu lösen.“ – „Um die Welt zu verändern, muss man zusammenbringen statt zu spalten.“

Boule bezweifelt, dass die drei jüngsten Kollisionen bei der Arkea Ultim Challenge zwingend auf Wale zurückzuführen sind. „Wie kann man das behaupten?“ Niemand der Ankläger sei an Bord gewesen. Die Ultim seien keine „Wal-Killer“.

Caroline Boule vor ihrem neuen Mini „Bill“ in Lorient im Dezember 2022. © Boule

Auch wenn ein Artikel der Öko-Zeitschrift Reporterre Ende 2022 diesen Zusammenhang herstellt. Darin zwischen 2008 und 2022 bei Hochseerennen 51 Kollisionen mit Meerestieren angeführt. Die Dunkelziffer sei aber erheblich größer. Niemand gebe das zu. „Die Skipper wollen nicht als „Walkiller“ gelten.“

Es gehe immer um „nicht identifizierte schwimmende Objekte“ (UFO), aber Profi-Skipper Ian Lipinski gibt gegenüber Reporterre zu, dass diese Bezeichnung eine Form von „Heuchelei“ sei: „Wenn ein Skipper sagt, dass er ein ‚UFO‘ gerammt hat, handelt es sich fast immer um einen Wal.“ Die Teams wollen kein schlechtes Bild in der Öffentlichkeit abgeben und verschleiern solche Vorfälle. „Als ich 2021 bei der Transat Jacques Vabre einen Wal getroffen habe, habe ich das sofort gesagt. Mir wurde von meinem Sponsor allerdings auf die Finger geklopft. So ist es nun mal.“

Crashes mit Walen werden selten so dokumentiert, wie von Kito de Pavant. Aber es gibt sie. Amateurskipper Jean-Baptiste L’Ollivier hat einen solchen Vorfall zufällig bei der Transquadra 2011 aufgezeichnet. In seinem Kielwasser bildet sich eine Blutlache. „Scheiße! Ich habe den Wal getroffen“, schreit er in die Kamera. „Der arme Kerl hat geschlafen…“:

 

Auch Boule will das nicht ignorieren, aber sie glaubt, dass man an die Entwicklung der Technik glauben muss, an Radar, Oscar oder Pinger. „Selbst wenn sie nicht hundertprozentig wirksam sind, ist das immer noch besser als nichts. Diese Lösungen könnten auf die 60.000 Frachtschiffe angewendet werden, die derzeit auf dem Meer unterwegs sind.“  Diese seien schließlich auch dann noch unterwegs und kollidieren mit Tieren, wenn die sechs Ultims längst im Ziel seien. „Deshalb ist es wichtig
wichtig, jede Initiative, die diese Systeme vorantreibt, zu unterstützen,  anstatt sie zu kritisieren.“

Vorbild Malizia

Wenn man nur mit Steinen werfe, anstatt Alternativen vorzuschlagen, komme die Welt nicht voran. „In den Rennteams gibt es Hunderte von klugen Köpfen, die zusammen großartige Lösungen zur Verbesserung beitragen. Das ist aber unwahrscheinlich, wenn Sponsoren nach solchen öffentlichen Angriffen auf den Sport beschließen, ihre Finanzierung zurückzuziehen,“ weil sie vor einem Imageverlust Angst haben.

„Wir erinnern uns, dass 66,7 % der Franzosen angeben, die Vendée Globe verfolgt zu haben“, sagt Boule. Diese Reichweite biete große Möglichkeiten bei der Kommunikation. Der Veränderungsprozess, den die Welt durchlaufen muss, könne einer breiten Öffentlichkeit dargestellt werden. „Malizia mit seinem Slogan „A Race We Must Win“ und seinen Bildungsmaßnahmen ist ein hervorragendes Beispiel.“

„A Race We Must Win“. Der Maliza Slogan als Vorbild für die Branche. © Antoine Auriol / Team Malizia

Die überwältigende Mehrheit der Menschen sei sich der Probleme doch bewusst. „Nun ist es an der Zeit, Lösungen zu finden, indem wir den Wandel fördern. Anstatt etwa sofort den Bau von Rennyachten zu verbieten, sollten wir damit beginnen, diejenigen zu beglückwünschen, die biobasierte Harze erfinden. Ermutigen wir die Gesamtheit der Akteure dazu, sich für eine nachhaltigere Zukunft einzusetzen, jeder auf seine Weise, jeder in seinem Tempo…Unser Beruf ist es, die Menschen zum Träumen zu bringen, und das in einer Welt, in der Kriege und Epidemien die Titelseiten der Zeitungen beherrschen.

„Sägen wir nicht an dem Baum, auf dem wir alle sitzen. Zerstören wir nicht ein ganzes Ökosystem, anstatt es zu verbessern. Die größte Teil der Segler trägt die Ökologie in ihrem Herzen. Sie werden sich gerne an Initiativen zur Erhaltung der Umwelt beteiligen und ihr Bestes tun, um ihr Fachwissen einzubringen. Es sei denn, sie verlieren aufgrund der übertriebenen Anschuldigungen ihren Sponsor…“.

Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

6 Kommentare zu „Sorge um Sponsoren: „Sind keine Wal-Killer“ – Mini-Foiler Caroline Boule ärgert sich“

  1. Egon Zangenberg sagt:

    Moin zusammen, die relativ Neue sollte sich besser nicht so weit aus dem Fenster lehnen. In Ihre Richtung wird und
    kann es nicht weiter gehen. – Ein durchaus denkbarer Schritt wäre z.B., die Mähbalken, hier Foils genannt, (wieder)zu
    verbieten. Ein Rückbau wäre vermutlich sogar noch günstiger, als weiter damit zu segeln. Ein gewisser Jean hat gleich darauf verzichtet, andere warten ab und segeln erstmal Class40. Wenn’s irgendwie passt, nach Ampel!
    Gut, dass das Thema nun auch mal öffentlich wird…
    Grüße, Egon Zangenberg

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  2. Peter Ningelgen sagt:

    als frühere Boote langsamer waren war es nicht weniger spannend.
    Ich bin selber VOR70 von Antigua nach Galicien. Es knallt öfters als gedacht, man hört das recht deutlich, was auch immer da treibt oder schwimmt.

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  3. Expresssegler sagt:

    Man kann das Bashing aber auch mal sein lassen. Man darf auch die Hochtechnologie bestaunen und sich über fliegende Schiffe freuen.
    Da schwimmen tausende Tiere rum und 3 werden getroffen. Mein Gott. Wieviele Tiere verenden täglich auf Autobahnen?!!! Bewusst langsamer wollen aber auch die wenigsten fahren.
    Heuchelei.
    Setzt Euch mehr gegen die Treibnetze und Überfischung ein. Vermeidet Plastik. Da könnt ihr alle viel mehr für die Tiere tun!

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    • PL_l.kliewer sagt:

      Verhältnismäßigkeit ist hier ein gutes Stichwort. Wenn von tausenden „rumschwimmenden“ Walen ein paar getroffen werden, ist das nicht schlimm? Das gleiche gilt dann sicher auch für die Arbeitsplätze und Karrierechancen, um die Caroline Boule im Profisegelsport fürchtet. Sie sind eine volkswirtschaftlich insignifikante Größe. Zum Glück stehen der Ingenieurwissenschaftlerin mit Elitehochschulabschluss Alternativen offen. Gerade mit diesem Background hätte man von Ihr einen differenzierteren Beitrag erwartet.

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  4. Christian sagt:

    Segler machen sich selbst und allen anderen gerne vor, Segeln sei ein umweltfreundlicher Sport. Seien wir mal ehrlich: Ist es nicht. Bau, Betrieb und Entsorgung von Segelyachten haben unter Umweltgesichtspunkten eine extrem negative Bilanz. Wale und andere Meerestiere töten oder verletzen ist nur die Spitze des Eisbergs. Man denke nur an Antifouling oder Schäden durch Ankern auf dem Meeresgrund.

    Mit all dem offen umzugehen und auf allen Ebenen nach wirklichen Verbesserungen zu suchen, ist das Gebot der Stunde. Es wäre schon viel geholfen, wenn es Eignergemeinschaften gibt, die sich zu fünft ein Boot teilen (und hoffentlich viel gemeinsamen Spaß haben), statt dass alle alleine ein Boot zu kaufen, nur weil man es sich leisten kann.

    Das wird die Nautik-Branche einschließlich der Profisegler jetzt nicht gerne lesen. Ok, aber es ist auch an euch, sich ernsthaft Gedanken um das Thema zu machen. Ein bisschen Flachs im Fasermix reicht nicht.

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  5. PL_klaus.schink sagt:

    Boh ey, dieser offene Brief von Caroline Boule hört sich doch nach totalem Greenwashing an. Sie zweifelt an, dass so etwas öfters vorkommen kann, aber kein Wort davon, das man herausfindet wie häufig und dazu mit offenen Karten spielt. Überspitzt sagt sie, so viele sind das doch bestimmt nicht und wir sollten das verschweigen, weil das eine schlechte Presse gibt und dann fallen wieder Arbeitsplätze weg. Man soll darüber schweigen (also die Omerta fortführen:-) ), denn dann würden ja zukünftig bestimmt bessere Systeme als Nachfolger von OskR oder so irgendwann ohne öffentlichen Druck von selbst auf den Markt kommen. Hat ja schließlich woanders auch nicht geklappt (ja gut, ein bisschen provokant).
    Ich finde die Vendee Globe und die jetzige Regatta mit den Ultim 100 auch spannend. Aber man sollte auch über die Umweltprobleme dabei sprechen können ( Kollisionen mit Walen, aufwendige Transporte von Teams usw.). Nur dann kann es auch Verbesserungen geben und man kann diese Regatten mit einem weniger schlechtem Gewissen verfolgen.

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