A-Cat Flügel aus Berlin: Thilo Keller über den sportlichen Mehrwert seiner Kat-Konstruktion

Wing made in Germany

Kann man den theoretischen Leistungsunterschied zwischen Segel und Eurem Flügel quantitativ fassen?

So soll der Flügel umströmt werden. © Keller

Rechnerisch kann der Leitungsunterschied bis zu 20Prozent betragen. Wenn davon später nur ein Prozent  auf dem Wasser ankommt, wäre dies schon ein Quantensprung. Im Vergleich liegt die Leistungssteigerung der Segel pro Jahr im Bereich der Nachkommastellen.

Auch der gerne genommene Vergleich hinsichtlich des Leistungsunterschiedes der Boote im America’s Cup 2010 hinkt. BMW ORACLE war mit seinem Flügel zwar wesentlich schneller als Alinghi mit seinen Softsails, BMW hatte aber noch ein paar mehr Vorteile an Bord, die sich aufsummierten. Unter anderem die längere Vorbereitungszeit, ebenso war die Wasserlinienbreite, also das aufrichtende Moment bei BMW wesentlich größer.

Daher glaube ich, dass nur ein Teil des damals sichtbaren Leistungsunterschiedes auf den Flügel zurückzuführen ist. So wesentlich werden sich also beim A-CAT die Verhältnisse nicht verschieben, das wäre eine falsche Erwartung, es geht um kleine, aber entscheidende Leistungsvorteile.

Bestätigten Eure Testfahrten die Theorie?

Flügel mit drei Elementen. © Andreas Hartmann

Wir hatten bis jetzt zwei Testsessions, aber noch keinen Boot-zu-Boot-Vergleich, – die Spannung bleibt also noch etwas erhalten. Man hat aber schon im Test gesehen, dass der Flügel andere Herausforderungen als ein normales Segel hat.

Insbesondere der Trimm ist sehr filigran! Beim Flügel reißt die Strömung im Zweifelsfall über die komplette Höhe ab. Oder wenn er exakt steht, aber läuft er aber richtig. Genau diese Herausforderung im Trimm, wird voraussichtlich entscheiden, ob sich der Flügel auf dem A-Cat, also einem Einmannboot mit begrenzter Trimmkapazität durchsetzt.

In Summe verliefen die Tests bis jetzt positiv. Nach unseren ersten Eindrücken hat der Flügel insbesondere Amwind Vorteile. Man kann einfach enorme viel Höhe laufen.

Habt Ihr Euch an einem speziellen Entwicklungsstand der Flügel im AC 45, C-Cat oder am letzten A-Cat-Flügel von Ben Hall aus dem Jahr 2007 angelehnt?

Die Grundidee, dass es drei Elemente hintereinander sein sollen, haben wir von den aktuellen C-Cat-Flügel übernommen. Dies schien uns für ein Einmannboot eine noch beherrschbare Konzeption. Mit noch mehr Elementen wird der mechanische Aufwand einfach zu hoch. Aber von dieser Grundidee abgesehen, haben wir mit einem weißen Blatt Papier angefangen.

Welche Rolle hast Du im Entwicklungsteam eingenommen?

Hilfestellung von zahlreichen Unterstützern. © Andreas Hartmann

Irgendwann hatte ich die Idee einen Flügel zu bauen und habe mit den grundsätzlichen Entwürfen angefangen. Das Team ist dann relativ schnell auf einen harten Kern von fünf Leuten angewachsen, ohne die das Projekt nicht hätte umgesetzt werden können. In der wirklichen Bauphase waren wir zwischenzeitlich sogar bis zu 15 Teammitglieder, ein ganz schön großer Aufwand!

Ich selber habe mich auf das Design, 2D-Simulation, die Projektkoordination und die Auslegung der Bauteile konzentriert. 3D-Simulation, Bauausführung, Sponsorensuche, Präsentation etc. wurden durch andere im Team gestemmt. Die aufwendige 3D-Simulation erzeugte uns z.B. eine Tabelle, mit welchen Anstellwinkeln wir bei welchem Wind fahren müssen, das war eine separate Diplomarbeit von meinem Kollegen Florin Boeck.

Meine Bachelor-Arbeit konzentriert sich derzeit im Anschluss auf die Hydrodynamik des Bootes, also welche Momente auf die Plattform durch das Wasser wirken. Mit allem zusammen wollen wir anschließend eine komplette Geschwindigkeitsberechnung, ein VPP, des Bootes mit Flügel bei verschiedenen Windstärken leisten können.

7 Kommentare zu „A-Cat Flügel aus Berlin: Thilo Keller über den sportlichen Mehrwert seiner Kat-Konstruktion“

  1. jorgo sagt:

    Hut ab, Thilo (und Team natürlich)! Egal wie sich die Sache weiter entwickeln wird ist es schon sehr beeindruckend wie Du Dich für Deine Ideen einsetzt. Ich wünsche Dir weiterhin viel Erfolg!

    In unserem Sport kann sich ja jeder nach Belieben zuordnen … von LowTech bis MegaHighTech.
    Schön finde ich, dass es auch im Bereich der kleinen Katamarane diese Bandbreite gibt.
    Siehe Patin a vela (der Kat ohne Ruderanlage) vs. A-Cat mit Flügel.

  2. Flyer2 sagt:

    Könnte mir vorstellen, daß sich der Flügel durchsetzt, wenn er unter € 10.000 realisierbar ist – sportlicher Erfolg natürlich vorausgesetzt. Das ist viel Holz, aber ein Mast plus diverse Segel ist ähnlich kostspielig. Der finaziell nicht ganz so gut bestückte A-Cat-Segler hat sich ja schon länger mit jungem gebrauchten Material abgefunden/abfinden müssen. Mehr Speed durch den Flügel wird es sicher geben, denn nicht umsonst wird dort wo Geld keine Rolle spielt auf diese Technik gesetzt.

    Bedenken habe ich eher, daß man mit so einem Teil der unübertroffenen Unabhängigkeit und Spontanität mit seinem A beraubt wird.

  3. A-Cat-Addicted sagt:

    Wow, was man als Student auf die Beine stellen kann… zum Glück habe ich das hinter mir, sonst hätte ich jetzt auch noch ein schlechtes Gewissen 🙂
    Wenn der Flügel etwas bringt, wird er sich mE recht schnell in der Weltspitze durchsetzen (vielleicht fünf bis zehn in den Top 20), und das wäre ja für den Start genau richtig… dann werden sich einige Fragen von selbst entscheiden. Wir Anderen warten wohl zuerst mal recht interessiert ab, was da so passiert…

  4. schärenkreuzer sagt:

    Toller Artikel! Sieht superg*** aus der Flügel, superspannende Technologie,
    aber leider für normale, selbst regattaverliebte Kat-Segler wahrscheinlich preislich und logistisch nicht machbar, oder? Die Dinger sehen ausserdem SEHR empfindlich aus… Hält so ein Flügel eine Kenterung aus, oder darf man dann Balsa-Alu-Puzzle spielen… 😉

  5. Uwe sagt:

    Der Flügel bringt eine exorbiotante Steigerung der Kosten und gravierende Nachteile beim Aufriggen und Transport.
    Ob der minimale Geschwindigkeitszuwachs dies aufwiegt, ist mehr als zweifelhaft.

  6. dreas sagt:

    toller beitrag! die technischen hintergundinfos der letzten zeit sind grosse klasse!

    zum thema, die abrupten strömungsabrisse sind sicherlich gerade an tonnen ein grosses problem.
    dem kann man natürlich vorbeugen, trotzdem bleibt es mangels twist ein kritikpunkt, welcher bei kleinen kats im regattagedränge nicht zu unterschätzen ist.

    die technische entwicklung geht weiter und es ist gut, dass gerade bei uns in deutschland in diesem segment pionierarbeit geleistet wird. die trimmprobleme wird man immer besser meistern und sonstige anfangsschwierigkeiten in den griff bekommen.

    wichtig ist den flügel möglichst schnell und in der breite bei allen möglichen klassen einzusetzen um berührungsängste und vorbehalte abzubauen.

    vg
    dreas

  7. Christian sagt:

    interessantes Interview zu einem spannenden Projekt!

    Aber ob sich der Flügel je durchsetzen wird, ist mehr als zweifelhaft. Dem durchschnittlichen A-Cat-Segler fehlt es sowohl am Ingenieurswissen als vor allem auch am finanziellen/ logistischen Hintergrund, um einen Flügel je leistungssteigernd betreiben zu können… aber wir werden sehen.

    Bei den Foiler-Motten, deren Wing wesentlich kleiner wäre, konzentriert man sich derzeit schon wieder auf die Optimierung anderer Dinge (Foils, Gewichtsreduzierung etc.).

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