A-Cat Flügel aus Berlin: Thilo Keller über den sportlichen Mehrwert seiner Kat-Konstruktion

Wing made in Germany

Kannst Du uns kurz den technischen Aufbau Eures Flügels erläutern?

Der Flügel besteht aus drei gegeneinander verstellbaren Elementen. Der Twist ist für jedes Element eigens steuerbar, auch für das vorderste. Die hierdurch möglichen unterschiedlichen Anstellwinkel über die gesamte Höhe des Flügels sind essentiell.

Aktuell nutzen wir eine Großschot-Übersetzung von 1:3, wobei wahrscheinlich 1:2 ausreichend wäre. Wir haben den Flügel bewusst höher und elliptisch gebaut, da wir hierdurch strömungstechnische Vorteile bei der Wirbelverteilung erwarten. Diese Theorie ist aber überall nachzulesen.

Ben Hall (USA) setzte zuletzt 2007 einen Flügel auf einer A-Cat-WM ein und wurde 30ter, noch vor dem Flügel-Hype des letzten Americas Cups. Was unterscheidet Euren Flügel von der damaligen Entwicklung?

Unser Flügel ist im Vergleich zu Ben Halls schon eine deutliche Weiterentwicklung. Wir können den Spalt zwischen dem vorderen und dem hinteren Elementen über eine Klappe auf dem Wasser kontrollieren, was man bei Bens Flügel nur an Land über verschiedene Bohrungen umstellen konnte.

Dies ermöglicht eine höhere, gut funktionierende Bandbreite an kleinen Anstellwinkeln auf Amwindkursen und großen Anstellwinkeln auf Vorwindkursen. Ben ist damals außerdem mit relativ kurzer Vorbereitungszeit angereist und konnte mit seiner Platzierung trotz allem zeigen, dass ein Flügel auch auf dem A-Cat grundsätzlich wettbewerbsfähig zum normalen Segel ist.

Wie schwer ist Dein Flügel? Das Boot wiegt heute segelfertig mit Flügel 79 kg (Anmerkung: Mindestgewicht des A-Cats beträgt 75 kg), der Flügel alleine wiegt deutlich unter 30 kg, ein vergleichbares Rigg mit Segel liegt heute bei vielleicht 20 bis 23 kg. Eine weitere Gewichtsreduktion des Flügels für die Serienfertigung sollte dabei kein Problem sein.

Ich denke, man kann mindestens noch 25 % des derzeitigen Gewichts einsparen und wird damit Gewichtsnachteile weitgehend vermeiden können. Wir streben hierzu gerade innerhalb der Universität eine Kooperation mit dem Fachbereich Luft- und Raumfahrt an um die Struktur diesbezüglich zu optimieren.

Neben aller Gewichtsreduktion muss aber auch die Stabilität des Flügels, z.B. bei einer Kenterung gewährleistet sein, auch solche besonderen Krafteinwirkungen wollen wir für die Auslegung simulieren.

Entscheidend für den Erfolg dürfte am Ende der sportliche Mehrwert sein, richtig?

Genau, wenn Flügel erfolgreicher sind, werden sie sich durchsetzen, oder verboten. Letzteres hängt dann wieder sehr von den Ländervertretern im Komitee der internationalen Klassenvereinigung IACA ab.

Grundsätzlich sollte man eine Entwicklung, wie den Flügel jedoch m.E. nicht verbieten. Und zwar aus folgenden Gründen: Wir sind zum einen eine freie Catamaran-Konstruktionsklasse, in dieser muss eine technische Weiterentwicklung nach dem Stand der Technik möglich sein, sonst verliert die Klasse langfristig ihre Anziehungskraft.

Darüber hinaus ist schon seit vielen Jahren bekannt, dass Flügeln für den A-Cat entwickelt werden. Wenn man diese nun verbieten würde, sobald sie sich endlich als sportlich überlegen herausstellen, würde man den enormen Entwicklungsaufwand nicht belohnen.

Das würde was perspektivisch das Klima für Neuentwicklungen sehr negativ beeinflussen, was wäre das für ein Zeichen? Natürlich muss man bewerten, ob die breite Einführung einer Neuerung der Klasse an sich schadet. Dann könnte man aber immer noch bestehende Flügel unter eine Ausnahmeregelung fallen lassen.

Auch Nachteile, die beim Handling an Land angeführt werden, sollten beherrschbar sein. Es wird auch hier Lösungen geben, wie diese alleine an Land gehandhabt werden können. Auch bei den heutigen Booten und Riggs gibt es beim Verladen und Maststellen Situationen, in denen man sich gegenseitig hilft. Den Unterschied im Handling zwischen Flügel und Mast-Segel-Kombination sehe ich grundsätzlich als nicht so dramatisch an.

7 Kommentare zu „A-Cat Flügel aus Berlin: Thilo Keller über den sportlichen Mehrwert seiner Kat-Konstruktion“

  1. jorgo sagt:

    Hut ab, Thilo (und Team natürlich)! Egal wie sich die Sache weiter entwickeln wird ist es schon sehr beeindruckend wie Du Dich für Deine Ideen einsetzt. Ich wünsche Dir weiterhin viel Erfolg!

    In unserem Sport kann sich ja jeder nach Belieben zuordnen … von LowTech bis MegaHighTech.
    Schön finde ich, dass es auch im Bereich der kleinen Katamarane diese Bandbreite gibt.
    Siehe Patin a vela (der Kat ohne Ruderanlage) vs. A-Cat mit Flügel.

  2. Flyer2 sagt:

    Könnte mir vorstellen, daß sich der Flügel durchsetzt, wenn er unter € 10.000 realisierbar ist – sportlicher Erfolg natürlich vorausgesetzt. Das ist viel Holz, aber ein Mast plus diverse Segel ist ähnlich kostspielig. Der finaziell nicht ganz so gut bestückte A-Cat-Segler hat sich ja schon länger mit jungem gebrauchten Material abgefunden/abfinden müssen. Mehr Speed durch den Flügel wird es sicher geben, denn nicht umsonst wird dort wo Geld keine Rolle spielt auf diese Technik gesetzt.

    Bedenken habe ich eher, daß man mit so einem Teil der unübertroffenen Unabhängigkeit und Spontanität mit seinem A beraubt wird.

  3. A-Cat-Addicted sagt:

    Wow, was man als Student auf die Beine stellen kann… zum Glück habe ich das hinter mir, sonst hätte ich jetzt auch noch ein schlechtes Gewissen 🙂
    Wenn der Flügel etwas bringt, wird er sich mE recht schnell in der Weltspitze durchsetzen (vielleicht fünf bis zehn in den Top 20), und das wäre ja für den Start genau richtig… dann werden sich einige Fragen von selbst entscheiden. Wir Anderen warten wohl zuerst mal recht interessiert ab, was da so passiert…

  4. schärenkreuzer sagt:

    Toller Artikel! Sieht superg*** aus der Flügel, superspannende Technologie,
    aber leider für normale, selbst regattaverliebte Kat-Segler wahrscheinlich preislich und logistisch nicht machbar, oder? Die Dinger sehen ausserdem SEHR empfindlich aus… Hält so ein Flügel eine Kenterung aus, oder darf man dann Balsa-Alu-Puzzle spielen… 😉

  5. Uwe sagt:

    Der Flügel bringt eine exorbiotante Steigerung der Kosten und gravierende Nachteile beim Aufriggen und Transport.
    Ob der minimale Geschwindigkeitszuwachs dies aufwiegt, ist mehr als zweifelhaft.

  6. dreas sagt:

    toller beitrag! die technischen hintergundinfos der letzten zeit sind grosse klasse!

    zum thema, die abrupten strömungsabrisse sind sicherlich gerade an tonnen ein grosses problem.
    dem kann man natürlich vorbeugen, trotzdem bleibt es mangels twist ein kritikpunkt, welcher bei kleinen kats im regattagedränge nicht zu unterschätzen ist.

    die technische entwicklung geht weiter und es ist gut, dass gerade bei uns in deutschland in diesem segment pionierarbeit geleistet wird. die trimmprobleme wird man immer besser meistern und sonstige anfangsschwierigkeiten in den griff bekommen.

    wichtig ist den flügel möglichst schnell und in der breite bei allen möglichen klassen einzusetzen um berührungsängste und vorbehalte abzubauen.

    vg
    dreas

  7. Christian sagt:

    interessantes Interview zu einem spannenden Projekt!

    Aber ob sich der Flügel je durchsetzen wird, ist mehr als zweifelhaft. Dem durchschnittlichen A-Cat-Segler fehlt es sowohl am Ingenieurswissen als vor allem auch am finanziellen/ logistischen Hintergrund, um einen Flügel je leistungssteigernd betreiben zu können… aber wir werden sehen.

    Bei den Foiler-Motten, deren Wing wesentlich kleiner wäre, konzentriert man sich derzeit schon wieder auf die Optimierung anderer Dinge (Foils, Gewichtsreduzierung etc.).

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