A-Cat Flügel aus Berlin: Thilo Keller über den sportlichen Mehrwert seiner Kat-Konstruktion

Wing made in Germany

Wie sind die Starteigenschaften und was ist zu möglichen Pitching-Problemen zu sagen?

Klar, der Schwerpunkt liegt mit Flügel höher. Aber meiner Meinung nach ist das nicht signifikant, da sich das Hauptgewicht mit Plattform und Segler nahe der Wasseroberfläche befindet. Die enorme Reduktion des Windwiderstandes sollte, diesen Effekt zusätzlich mehr als ausgleichen.

Aber mal ehrlich, fast jeden Vorteil erkauft man sich mit einem Nachteil und zusätzliches Pitching ist wahrscheinlich der größte seglerische Nachteil der Konstruktion. Wenn man sich die heute weit entwickelten Boote ansieht, verfügen diese jedoch über sehr gute Wave-Pearcing-Eigenschaften und runde, stabilisierende Schwerter, die auch diesen Effekt begrenzen.

Und Manöver sind m.E. sogar leichter bzw. schneller durchzuführen, da man z.B. hinter dem Flügel ungehindert passieren kann und die Pinne und Schot nicht mehr beim Abtauchen unter dem Großbaum loslassen muss.

Auch beim Start sehe ich bis jetzt keine Nachteile, wobei wir da noch wenige Erfahrungswerte haben. Vielleicht muss man die Schot ein, zwei Sekunden früher dicht nehmen. Dafür fährt man hinterher deutlich mehr Höhe.

Wie kostspielig ist Deine Schönheit?

Das Projekt ist über das Institut für Strömungsmechanik und Technische Akustik im FG Experimentelle Strömungsmechanik betreut durch Herrn Professor Paschereit gelaufen. Hierdurch haben wir einige Zuschüsse zu bekommen, ca. 19.000 EUR über zwei Jahre.

Darüber hinaus haben sich die Sponsoren mit großen Material- und Sachspenden beteiligt. Wir hatten alleine einen Aufwand von ca. 80.000 EUR für Werkzeuge, Material, Fahrten etc.. Wenn man die Arbeitszeit voll mit bewertet, kommt man so auf die enorme Summe von 300.000 bis 500.000 EUR für den Bau des Prototypen.

Welche Skaleneffekte sich bei einer Serienfertigung ergeben würden, kann ich heute noch nicht sagen, da könnte man nur raten.

Muss man beim Wechsel auf einen Flügel das Segeln neu lernen?

Sicher sucht man zuerst die gewohnten Trimmeinrichtungen, die sind nämlich nicht mehr da, bzw. komplett anders, außer der Großschot vielleicht. Dafür gibt es neue, von der Anzahl identische Trimmmöglichkeiten, welche aber direkter und viel sensibler auf das Profil einwirken.

Ein gewöhnliches Segel ist durch den großen Twist deutlich fehlertoleranter. Entsprechend braucht der Flügeltrimm viel Präzision. Wenn man aber einmal in Fahrt ist, ist der Flügel sogar etwas weniger aufwendig im Nachtrimmen.

Sicher ist auch ein riesiger Vorteil des Flügels, dass er sich auf alle Windstärken sehr gut einstellen lässt. D.h. man braucht über die Bandbreite nur einen Flügel und fängt nicht wie bei den Segeln an, Latten zu tauschen, oder gar mehrere Segel für verschiedene Bedingungen vorzuhalten. Auch sind Flügel natürlich formstabiler und sollten damit nachhaltiger sein, z.B. für den Gebrauchtmarkt.

Würden nicht Flügel der ersten (Serien-)Generation schnell überholt sein und ihren Wert verlieren?

Nein, das muss überhaupt nicht sein. Man sieht es am Bootsmarkt, wer sich vor zehn Jahren einen Nikita A-Cat gekauft hat, ist heute immer noch absolut konkurrenzfähig.

Siehst Du auf der anderen Seite bei der breiten Einführung von Flügeln Weiterentwicklungsbedarf bei der bestehenden Bootsflotte?

Prinzipiell ist der Flügel ja nichts anderes als ein Segel. Wichtig ist, dass die Druckpunkte in longitunaler Richtung übereinstimmen. Also, das sich die Balance des Bootes nicht wesentlich verändert.

Aber es kann schon sein, dass die höhere Leistung des Flügels langfristig zu voluminöseren Rümpfen führt, weil man Vorwind noch mehr Druck entwickelt. Vielleicht kann man diesen zusätzlichen Bedarf an Auftrieb aber auch über andere Schwerter, oder auch nur eine andere Schwertposition kompensieren.

Amwind wird sich nicht viel ändern, da der begrenzende Faktor hier das aufrichtende Moment ist, welches über die maximale Breite unserer Boote limitiert ist.

Macht das Segeln mit Flügel eigentlich mehr Spaß?

Ich sehe da bis jetzt keinen wesentlichen Unterschied. Wie gesagt, das Rigg reagiert noch viel direkter, das ist sicher Geschmackssache. Bei geringen Windgeschwindigkeiten, wo man mit hohen Anstellwinkeln maximalen Druck erzeugen möchte, reißt einen schon mal über die gesamte Höhe die Strömung ab, das macht dann begrenzt Spaß. Aber das dürfte sich ändern, wenn man dank des Flügels Regatten gewinnt.

Was ist noch zu tun, bis wir Dich mit Flügel im Rennen sehen können?

Wir möchten in den nächsten zwei Monaten noch einige Baustellen abarbeiten und planen zur Warnemünder-Woche (Anmerkung: 13. bis 17. Juli) oder kurz danach einen ersten Regattaeinsatz.

Projekt Präsentation

Weitere A-Cat Infos

7 Kommentare zu „A-Cat Flügel aus Berlin: Thilo Keller über den sportlichen Mehrwert seiner Kat-Konstruktion“

  1. jorgo sagt:

    Hut ab, Thilo (und Team natürlich)! Egal wie sich die Sache weiter entwickeln wird ist es schon sehr beeindruckend wie Du Dich für Deine Ideen einsetzt. Ich wünsche Dir weiterhin viel Erfolg!

    In unserem Sport kann sich ja jeder nach Belieben zuordnen … von LowTech bis MegaHighTech.
    Schön finde ich, dass es auch im Bereich der kleinen Katamarane diese Bandbreite gibt.
    Siehe Patin a vela (der Kat ohne Ruderanlage) vs. A-Cat mit Flügel.

  2. Flyer2 sagt:

    Könnte mir vorstellen, daß sich der Flügel durchsetzt, wenn er unter € 10.000 realisierbar ist – sportlicher Erfolg natürlich vorausgesetzt. Das ist viel Holz, aber ein Mast plus diverse Segel ist ähnlich kostspielig. Der finaziell nicht ganz so gut bestückte A-Cat-Segler hat sich ja schon länger mit jungem gebrauchten Material abgefunden/abfinden müssen. Mehr Speed durch den Flügel wird es sicher geben, denn nicht umsonst wird dort wo Geld keine Rolle spielt auf diese Technik gesetzt.

    Bedenken habe ich eher, daß man mit so einem Teil der unübertroffenen Unabhängigkeit und Spontanität mit seinem A beraubt wird.

  3. A-Cat-Addicted sagt:

    Wow, was man als Student auf die Beine stellen kann… zum Glück habe ich das hinter mir, sonst hätte ich jetzt auch noch ein schlechtes Gewissen 🙂
    Wenn der Flügel etwas bringt, wird er sich mE recht schnell in der Weltspitze durchsetzen (vielleicht fünf bis zehn in den Top 20), und das wäre ja für den Start genau richtig… dann werden sich einige Fragen von selbst entscheiden. Wir Anderen warten wohl zuerst mal recht interessiert ab, was da so passiert…

  4. schärenkreuzer sagt:

    Toller Artikel! Sieht superg*** aus der Flügel, superspannende Technologie,
    aber leider für normale, selbst regattaverliebte Kat-Segler wahrscheinlich preislich und logistisch nicht machbar, oder? Die Dinger sehen ausserdem SEHR empfindlich aus… Hält so ein Flügel eine Kenterung aus, oder darf man dann Balsa-Alu-Puzzle spielen… 😉

  5. Uwe sagt:

    Der Flügel bringt eine exorbiotante Steigerung der Kosten und gravierende Nachteile beim Aufriggen und Transport.
    Ob der minimale Geschwindigkeitszuwachs dies aufwiegt, ist mehr als zweifelhaft.

  6. dreas sagt:

    toller beitrag! die technischen hintergundinfos der letzten zeit sind grosse klasse!

    zum thema, die abrupten strömungsabrisse sind sicherlich gerade an tonnen ein grosses problem.
    dem kann man natürlich vorbeugen, trotzdem bleibt es mangels twist ein kritikpunkt, welcher bei kleinen kats im regattagedränge nicht zu unterschätzen ist.

    die technische entwicklung geht weiter und es ist gut, dass gerade bei uns in deutschland in diesem segment pionierarbeit geleistet wird. die trimmprobleme wird man immer besser meistern und sonstige anfangsschwierigkeiten in den griff bekommen.

    wichtig ist den flügel möglichst schnell und in der breite bei allen möglichen klassen einzusetzen um berührungsängste und vorbehalte abzubauen.

    vg
    dreas

  7. Christian sagt:

    interessantes Interview zu einem spannenden Projekt!

    Aber ob sich der Flügel je durchsetzen wird, ist mehr als zweifelhaft. Dem durchschnittlichen A-Cat-Segler fehlt es sowohl am Ingenieurswissen als vor allem auch am finanziellen/ logistischen Hintergrund, um einen Flügel je leistungssteigernd betreiben zu können… aber wir werden sehen.

    Bei den Foiler-Motten, deren Wing wesentlich kleiner wäre, konzentriert man sich derzeit schon wieder auf die Optimierung anderer Dinge (Foils, Gewichtsreduzierung etc.).

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert