The Ocean Race im Sturm: 11th Hour ist den 50 Knoten schneller entkommen als Malizia

"Es ist beängstigend"

“Hier draußen ist es verrückt”, schreibt 11th Hour Onboard-Reporter Amory Ross vom bockenden Boot. “Unsere Ankunft im Golfstrom wurde leider mit 35 Knoten begrüßt. Das ist eine miserable Kombination, die uns und das Boot im Handumdrehen an die rote Linie brachte.

11th Hour Onboard Reporter Amory Ross. © Amory Ross / 11th Hour Racing / The Ocean Race

Es steht außer Frage, dass diese Bedingungen das Boot kaputt machen. Hinzu kommt, dass sie umso schlimmer werden, je länger man verweilt. Wir stehen also unter dem Druck, diesem Tief, das sich noch verstärken wird, zu entkommen.

Und der einzige Weg, ihm auszuweichen, ist, kopfüber in einen sich verstärkenden konfusen Seegang zu segeln, der typisch für den nordöstlich fließenden Golfstrom ist. Wir rasen mit 26 Knoten direkt auf brechende Wellen zu. Nie ist man wachsamer als in Zeiten wie diesen. Es ist heftig im Sitzen, heftig im Stehen, heftig auf den Knien!

Um ehrlich zu sein, ist es im Moment ein bisschen beängstigend. Unter drei Reffs und J3 können wir nur noch wenig tun, um die Kraft zu verringern. Wir müssen abwarten.

Noch sechs Stunden, bis die Front südlich an uns vorbeizieht, und wir haben den Buckel überwunden. Als Nächstes sind Biotherm und Guyot environnment – Team Europe an der Reihe. Denen wird es wahrscheinlich noch schlechter gehen als uns. Wir drücken die Daumen, dass alle mit den Bedingungen zurechtkommen und das 800 Meilen entfernte Newport heil und gesund erreichen. Diese Etappe hat sich das Schlimmste für den Schluss aufgehoben! ”

Auch Malizia hatte sich schon per Video auf die schweren Stunden vorbereitet. Onboard-Reporter Antoine Auriol nimmt das “Slamming”, die schweren Schläge des Bootes, mit Humor, auch wenn Navigator Nicolas Lunven offenbar wenig damit anfangen kann. Aber Rosalin Kuiper berichtet, dass die Schläge ihre Koje zerstört haben und sie nun mit Auriol tauscht:

Angesicht der brutalen Bedingungen rücken die sportlichen Ambitionen eher in den Hintergrund. Aber im Rennen um den Etappen-Heimsieg hat sich 11th Hour im Sturm einen großen Vorteil erarbeitet. Der Vorsprung von 34 Meilen ist für Malizia im Normalfall an einem Tag schwer aufzuholen.

Möglicherweise ist Charlie Enright näher an die rote Linie gegangen als die Malizia Crew. Für sie geht es auch um deutlich mehr. Das Ocean Race ist ihr Höhepunkt. Dafür wurde das Team zusammengestellt und das Boot gebaut. Während die Gegner ihre IMOCA für die Vendée Globe zusammenhalten müssen, hat Enright auf diesem Gebiet keine Ambitionen.

Malizias Rückstand ist nach dem Sturm auf 34 Meilen angewachsen.

Wenn er nicht jetzt seine Karten ausspielt, dann nie. Ein Sieg im Heimathafen würde das bisher mühsam durch das Rennen gekommene Team in der Gesamtwertung auf Platz zwei an Malizia vorbeischieben nur einen Punkt hinter Holcim-PRB. Die Aufmerksamkeit in der Heimat wäre gewiss.

Malizia dagegen hätte viel zu verlieren. Boris Herrmann dürfte in dieser Nacht Nägel kauend an Land gesessen und mehrfach auf Holz geklopft haben. Ein Schaden im Sturm könnte seine VG-Kampagne zurückwerfen. Und ein zweiter Platz auf dieser Etappe lässt weiterhin alle Siegchancen offen. Ein Vollgas-Modus im Sturm würde wenig Sinn machen. Auch so mag der Meilenverlust im Sturm zu erklären sein.

Allerdings könnten sich es auch bei dieser Etappe noch Optionen zum Überholen auftun. Vor Newport scheint es sehr flau werden zu können. Wer weiß, was bei diesem verrückten Abschnitt noch alles möglich ist.

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Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

4 Kommentare zu „The Ocean Race im Sturm: 11th Hour ist den 50 Knoten schneller entkommen als Malizia“

  1. avatar eku sagt:

    Um das abzugleichen ist folgende Adresse ganz hilfreich

    https://exocet.cloud/grafana/d/bsbc_6NHy/malizia-route-du-rhum-dashboard?orgId=15&from=now-6h&to=now

    Dort werden die aktuellen Daten vom Bordrechner der Malizia veröffentlicht
    Schlussfolgerungen ziehe ein jeder selbst

    Grüße eku

  2. avatar Sven 14Footer sagt:

    Vielleicht ein länger dauernder Segelwechsel oder wieder eines dieser flauen Windlöcher.
    Sie sind jetzt wieder auf 20 Knoten.

  3. avatar Matse sagt:

    Hallo, weiß jemand warum Malizia plötzlich soviel Fahrt verliert?
    sind deutlich langsamer geworden.

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