TP52 WM: Harm Müller-Spreer siegt mit „Platoon“ – Analyse des entscheidenden Rennens

Dramatisches Finale

Harm Müller-Spreer hat mit „Platoon“ die TP52 Weltmeisterschaft mit einer internationalen Crew gewonnen. Das letzte Rennen verlief dramatisch. Die besten Taktiker der Welt zeigten ihr Können.

Terry Hutchinson ist der Ärger anzusehen. Da hat er seinen alten Widersacher John Kostecki bestens im Griff, streift ihn in der „Todeszone“ über dem Startschiff ab, kommt beim Schuss selber bestens in Fahrt, und alles läuft nach Plan. Aber dann, Mitte der Kreuz kommt dieses Panzerschiff aus Deutschland irgendwo aus dem Nirgendwo und zwingt ihn zur Wende.

Hutchinson (47) führt als Taktiker das Kommando auf der „Quantum“. Der Amerikaner will unbedingt diesen WM-Titel und die Vormacht-Stellung in der TP52-Klasse behaupten. Dafür hat er ungewöhnliche Maßnahmen ergriffen. Während auf den übrigen Yachten (außer bei „Provezza“) die Eigner steuern, ist der „Quantum“-Eigner Doug DeVos nur selten dabei.

Kalt erwischt

Bora Gulari wurde als Ersatz-Steuermann benannt. Der Mann ist immerhin einer der besten Melges24-Lenker der Welt, Moth-Weltmeister und Nacra17 Olympionike und sollte eigentlich in der Lage sein, gegen die weitaus weniger dekorierten Owner-Driver zu bestehen. Aber für den Anspruch von Hutchinson reicht es nicht. Er übernimmt bei den Starts selber das Steuer und übergibt erst später an Gulari.

TP52 SuperSeries

Harm Müller Spreer an der Pinne mit John Kostecki immer in der Nähe. © SuperSeries/Martinez Studio

Kein Wunder, dass Harm Müller Spreer beim letzten Vorstart der WM, kalt erwischt wird. Im Duell hat er keine Chance. Aber Match-Race-Spezialist Hutchinson, der als Taktiker viele Jahre lang für die Erfolge beim Team New Zealand verantwortlich war, macht den Sack nicht zu. Will er den Trainingspartner nicht zu sehr verärgern?

Er lässt Platoon vom Haken, glaubt vielleicht, den Hamburger Gegner ausreichend gepiesackt zu haben, wendet zur Mitte der Linie und kümmert sich um sein eigenes Start-Timing. Schließlich muss „Quantum“  zwei Punkte aufholen, um den Titel zu verteidigen. Außerdem wird die Gesamtpunktzahl in die Saisonserie aufgenommen.

Perfekter Plan

Eigentlich gelingt der Plan perfekt. Das US-Boot ist pünktlich an der Linie und „Platoon“ versackt als vorletztes Boot vier Längen achteraus in den Abwinden. Es bleibt ihr nur die Wende nach rechts.

Später heißt es aus dem Platoon-Lager, genau das sei der Plan gewesen. Und da neben Harm Müller Spreer kein Geringerer als John Kostecki (52) steht, mag man solche Geschichten auch glauben. Tatsächlich ist eigentlich der Supergau vorprogrammiert, als  „Sorcha“ direkt vor den Bug wendet. Aber das britische Boot liegt nicht ohne Grund abgeschlagen am Ende der Tabelle. Es ist zu langsam, um die Regatta-Führenden ernsthaft auszubremsen und lässt ihnen Luft zum Atmen.

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Die drei Medaillengewinner Quantum, Platoon und Azzurra. © SuperSeries/Martinez Studio

Dann der Rechtsdreher. Um solche Momente ranken sich Legenden. Konnte man ihn vorausberechnen? Hat Kostecki ihn tatsächlich kommen sehen? Wollte er wirklich mit aller Gewalt nach Rechts? Kann dieser Mann den Wind drehen?

Bitterster Moment

Dem Amerikaner, der als einziger Mensch den America’s Cup (2x mit BMW Oracle), Volvo Ocean Race (Illbruck) und eine Olympiamedaille (Soling Silber, 1988) gewonnen hat, könnte man das zutrauen. Er erlebte zwar 2013 einen der bittersten Momente seiner Karriere, als er während der America’s Cup-Rennserie bei Oracle  gegen Ben Ainslie ausgetauscht wurde und für viele als Sündenbock einer Negativ-Serie galt. Aber längst hat er seine alte Klasse wieder zeigen können. 2016 wurde er zum Beispiel in der Taktiker-Rolle Weltmeister in der J/70 und Melges 20 (mit Michael Illbruck).

In dieser dritten TP52-Saison hat er das Amt von Markus Wieser übernommen, dann noch seinen alten Illbruck-Kumpel Dirk de Ridder nach dessen America’s Cup-Vergehen reaktiviert, und nach technischen Verbesserungen am Vrolijk-Design sowie gewinnbringenden Trainings mit dem Quantum-Team ein siegfähiges Projekt beisammen.

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Bei Quantum übernimmt Taktiker Terry Hutchinson für die Starts das Steuer. © SuperSeries/Martinez Studio

Müller-Spreer gehört als langjähriger Drachensegler sicher zu den erfahrensten Owner-Drivern der Flotte, und so lässt es sich eben manchmal auch aus aussichtslosen Situationen zurück ins Spiel kommen.

Entscheidender Fehler

Hutchinson dürfte seinen Augen nicht getraut haben, als er den martialisch gebrandeten Rumpf auf sich zu schäumen sieht. Vielleicht macht er deshalb den entscheidenden Fehler? Die Leewende ist zu weit vom deutschen Boot entfernt. Er kann keinen Druck aufbauen, nicht den aerodynamischen-Effekt der Sicheren Leestellung nutzen. Stattdessen wendet noch die britische „Alegre“ in Lee und stellt ihrerseits ein Hindernis dar.

„Quantum“ sitzt in der Falle. Und Kostecki nutzt das genüsslich aus. Normalerweise würde sich „Quantum“ durch eine Wende aus dem Windschatten von „Alegre“ befreien. Aber „Platoon“ blockiert diesen Weg. Kostecki drückt seinen Gegner immer tiefer in die Abgase von „Alegre“. Ihr passt es gut, könnte sie es doch auch noch auf das Podium schaffen, wenn es den Amerikanern richtig schlecht ergeht.

Schließlich gelingt „Platoon“ noch der perfekte Absprung nach rechts. Sie rundet die erste Tonne auf Rang drei, „Quantum“ ist siebter. Die Entscheidung ist gefallen.

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Gewusel auf Platoon bei der Leetonnenrundung. © SuperSeries/Martinez Studio

Kein Wunder, dass sich Hutchinson ärgert. „Da haben wir uns so angestrengt und bekommen genau diese Chance, die wir hatten, und dann können wir sie nicht nutzen. Es wird noch etwas dauern, bis ich das verarbeitet habe.“

„Erfolg verdient“

Aber er lobt auch den Gegner und Partner: „Platoon hat einen anderen Gang gefunden und es ist großartig, das zu sehen.  Harm hat viel Arbeit in sein Projekt gesteckt und viele Ressourcen. Wenn wir schon nicht gewinnen können dann bin ich froh, dass er es ist. Er verdient diesen Erfolg.“

Der Hamburger, der mit Michael Müller auf dem Vorschiff, immerhin noch einen Deutschen an seiner Seite hat, betont dann auch, dass für ihn ein Traum wahr geworden ist. „Es ist ein unglaubliches Ergebnis. Wir haben sehr beständig und konservativ gesegelt. Außerdem haben wir ein schnelles Boot .“

„Platoon“ hat jetzt nach drei Rennserien zur Halbzeit auch die Führung in der Gesamtwertung übernommen.

Eigner bezahlen ihre Show

Die TP52-Serie hat mit der WM und der qualitativ hochwertigen Präsentation gezeigt, dass sie weiterhin den Anspruch verfolgt, die wichtigste Monohull-Regatta der Welt zu sein. Aber nach wie vor ist der Stellenwert schwer einzuschätzen, da meist die Eigner selber und eben nicht die besten Segler der Welt an den Pinnen stehen.

Anders geht es kaum noch im Profi-Segelsport. Mehr als sieben Jahre ist es her, dass sich beim Audi MedCup die America’s Cup Teams in der TP52-Klasse maßen. Aber Audi schloss das Kapitel, der Cup ging seinen neuen Weg auf zwei fliegenden Rümpfen, und seitdem spielen die besten Segler ihre Musik auf dieser Bühne.

Die SuperSeries wird von den Eignern selbst finanziert. Das funktioniert, so lange die ihren Spaß haben und selber den Weg auf dem Boot vorgeben dürfen. Für die Elite der „Steuerberater“ wie Hutchinson und Kostecki sind das hochdotierte Jobs. Und die alte Garde des America’s Cup-Veteranen hat ein gutes Auskommen. Aber der Wert der Serie ist im Reigen der großen Regatten schwer einzuordnen.

Dennoch ist es eine starke Leistung, dass sich ein deutscher Eigner traut, bei diesem Spiel auf höchster Ebene dabei zu sein. Nun erntet er die Früchte für viele Jahre Anstrengungen.

Übertragung des Finalrennens ab. Quantum im Match-Modus ab 2:01:03

Die Rennen im Virtual Eye

Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

1 Kommentare zu „TP52 WM: Harm Müller-Spreer siegt mit „Platoon“ – Analyse des entscheidenden Rennens“

  1. Harrie Jasses sagt:

    Schöne Analyse, dann darf es gerne auch mal einen Tag länger dauern ; )

    Mehr davon!!

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