Die Entscheidung bei der letzten der vier Klassen, die bei der Transat Café L’Or in Zweier-Teams über den Atlantik gerast sind, fiel in einem erstaunlichen Herzschlag-Finale, das seltene Einblicke in das professionelle Hochseesegeln gewährt. Wie kam es zu den extrem unterschiedlichen strategischen Entscheidungen?

Kanaren oder Azoren? Das war die große Frage, die sich die Class40-Flotte bei der Transat Café L’Or stellen musste. Den weiten Bogen nach Süden in der Hoffnung auf die Passatwinde steuern oder den deutlich direkteren und kürzeren Weg über den Norden einschlagen? Die Routingprogramme waren sich offenbar nicht einig.
Zuerst spuckten die Computer deutlich einen bevorteilten Nordkurs aus. Die Ankunft in Martinique mit einem Vorsprung von 24 Stunden soll teilweise prognostiziert worden sein. Aber Xavier Macaire, Fünfter in der Imoca-Klasse mit Justine Mettraux, analysiert bei V&V, dass die Software generell nur für die ersten vier Tage sehr zuverlässig ist, für sechs bis sieben Tage mäßig und für zehn Tage wenig zuverlässig.

Deshalb kann man sich bei einer solchen Entscheidung nur sehr bedingt auf die Vorgabe verlassen. Im Fall dieser klassischen Transat-Route, die sehr oft bei Regatten gesegelt wird, gibt es jedoch aus der Vergangenheit einige Erfahrungswerte. So verschlechtert sich die Nordroute oft im Verlauf der Überfahrt. Der Wind weht dort weniger stark und regelmäßig als in den Vorhersagen. Im Süden dagegen sind die Passatwinde beständiger und oft etwas stärker als vorhergesagt. Diese Route ist allerdings 400 Meilen länger, und man muss etwa zehn Prozent schneller sein, damit sie funktioniert.

Corentin Douguet, der mit Axel Tréhin von Anfang an die Nordroute bevorzugte, erklärt: „Ehrlich gesagt sah die Südroute anfangs sehr schlecht aus.“ Er sei überrascht gewesen, dass so viele den „Südring“ genommen haben. „Vielleicht ging es um Entspannung … Urlaub … Sonnenschein – keine Ahnung. Vielleicht hatten sie Angst vor den Wellen.“
Tatsächlich hatte auch Susann Beucke deutlich gemacht, wie froh sie war, dass sich die Süd-Route plötzlich überhaupt als Option ergeben hatte. Sie genoss es, einigen langen Amwind-Tagen und mehreren Fronten ausweichen zu können und stattdessen die achterlichen Passatwinde zu nutzen. So werden viele Crews gedacht haben. Schließlich entschieden sich nur acht Boote für den Nordkurs, darunter auch Vendée-Globe-Legende Michel Desjoyeaux mit seinem Neubau „Trimcontrol“.

Lange Zeit hielt er sich mit Alexandre Le Gallais auf einem starken fünften Platz, verlor dann aber den Anschluss an die schnellsten Nord-Boote und schaffte nun auch nicht mehr die Top 20. Nur Douguet und Tréhin konnten ihre Nord-Strategie zum Erfolg bringen – und das war kein Wunder. Denn die beiden Franzosen hatten die erste Etappe gewonnen, die wegen eines außerplanmäßigen Sturm-Stopps in La Coruna geendet hatte – 21 Minuten vor Guillaume Pirouelle und Cédric Château.
Douguet und Tréhin zeigten mit ihrem neuen Lift V3 (Bj 2025, Lombard Design) insbesondere auf Amwind-Kursen Vorteile und bevorzugten auch deshalb die Nord-Option. Interessanterweise segelten beide Teams schon früh nach dem Start in Le Havre extrem auseinander:



Gegner Château sagt deutlich: „Die Süd-Route passte viel besser zu unserem Boot. Die guten Teams, die sich für den Norden entschieden, sind einfach stärker am Wind. Unser Boot dagegen ist deutlich schneller vor dem Wind.“ Sogestran – Seafrigo, eine Mach40.5 von Sam Manuard designt, lief schon 2023 vom Stapel.

Beim Hinterhersegeln auf der Nordroute hätten Pirouelle und Château im direkten Vergleich wohl den Kürzeren gezogen. Auch deshalb war für die beiden Segler aus der Normandie klar, dass sie es im Süden versuchen mussten. Dass sie schließlich dort 28 Minuten Vorsprung heraussegelten und nach der Addition der Zeit von der ersten Etappe in der Gesamtabrechnung 7 Minuten vorne lagen, war nicht vorhersehbar.
Aber Gegner Douguet will von Glück nichts wissen: „Wir haben sie die ganze Zeit bei Martinique vor uns gesehen, die Abstände wurden mal größer und dann wieder kleiner, und wir dachten: Vielleicht schaffen wir es doch noch. Aber so ist es nun einmal … erst wenn man die Ziellinie überquert, weiß man es … Wenn es bei einer so langen Transat auf so einen kleinen Abstand hinausläuft, heißt das einfach, dass wir nicht gut genug waren. Ganz schlicht … Unterm Strich: Uns haben sieben Minuten gefehlt. Das ist das Spiel, das ist der Sport. Sie waren besser als wir.“

Sieger Pirouelle (31) gehört zur jungen, modernen französischen Offshore-Generation. Er kann eine klassische Jollenausbildung auf höchstem Niveau vorweisen, war 2012 Jugend-Europameister im Match Race, zweimal Vize-Weltmeister im 420er und 2015 Junioren-Weltmeister im 470er vor Malte Winkel und Matti Cipra. Eine Olympia-Kampagne brachte ihn trotz einer Vize-EM 2017 nicht zum Erfolg. Er wandte sich dem Hochseesegeln zu, schloss ein Ingenieur-Studium ab und arbeitet inzwischen beim Ausrüster Karver. Bei seiner ersten Teilnahme (2022) beendete er die Solitaire du Figaro auf Platz 2, 2023 wurde er 15.
Crewkollege Cédric Château gehört mit seinen 48 Jahren schon einer anderen Generation an und gilt als Institution im französischen Segelsport. Er ist nicht nur ein erfahrener Offshore-Segler, sondern war auch einer der erfolgreichsten französischen Match-Racer. Seit vielen Jahren arbeitet er als professioneller Coach und ist Sportdirektor des „Normandy Elite Team“.
Auch für Susann Beucke hat sich der Schlag in den Süden ausgezahlt. Sie segelt mit Sasha Lanièce knapp 400 Meilen vor dem Ziel auf Rang 18 von ursprünglich 45 Startern und dürfte nach der unten beschriebenen Linksdrehung des Windes auf Platz 17 ins Ziel kommen. Ein gutes Resultat, das sie zum Beispiel vor Michel Desjoyeaux ankommen lässt. Dabei versuchen die beiden, das zweite von drei Frauenduos hinter sich zu halten, das 33 Meilen im Kielwasser segelt.
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Schreibe einen Kommentar