Volvo Ocean Race: Brunel macht den Sack zu – Die Gesamtwertung ist wieder völlig offen

"Die Lücke ist geschlossen"

Bouwe Bekking hat das Comeback in der Gesamtwertung tatsächlich geschafft. Nach dem Etappensieg in Cardiff kann er mit Brunel das Volvo Ocean Race wieder gewinnen. Dabei war er schon wieder auf der Verlierer-Straße.

Was für ein Déjà-vu. Noch 16 Meilen bis zum Ziel. Brunel hat AkzoNobel im Windschatten und kann den ganz großen Wurf landen. Dieses blaue Boot muss achteraus bleiben. Es ist in der Endabrechnung ein Unterschied von drei Zählern bei der doppelt gewerteten Atlantik-Etappe: 15 oder 12 Punkte, zweiter Etappen-Sieg oder Niederlage, Chance auf den Gesamtsieg oder nur noch drei Punkte Vorsprung vor AkzoNobel beim Kampf auf das Podium.

© Jesus Renedo/Volvo Ocean Race

Sieger in der Nacht. Brunel ist ein echter Bigpoint gelungen. © Jesus Renedo/Volvo Ocean Race

Die gefährlichste Phase schien schon vorbei als beide Yachten im Gegenstrom unter der walisischen Küste achteraus trieben. Bekking kam schneller wieder in Fahrt als der niederländische Skipper-Kollege Tienpont und hatte einen Vorsprung von 1,5 Meilen.

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Den Etappensieg verpasst, aber ein Rekord für die Ewigkeit gesetzt. © Jesus Renedo/Volvo Ocean Race

Aber nun schiebt sich AkzoNobel in der Dunkelheit wieder heran. Und um Mitternacht passiert für Brunel das Unfassbare. Der permanente Duell-Gegner auf dieser neunten Etappe, der schon niedergekämpft schien, schiebt sich vorbei. Das ganze Drama von Newport, als Brunel noch auf den letzten Metern von Mapfre überholt wurde, wiederholt sich.

Immun gegen Leistunsgkiller-Gedanken

In solchen Momenten zerbrechen Teams. Völlig übermüdet in absoluter Flaute gibt es nicht genug zu tun, um die negativen Gedanken zu stoppen. Aber es segelt eben jemand mit, der erwiesenermaßen immun ist gegen solche Leistunsgkiller-Überlegungen: Peter Burling, Olympia- und America’s Cup Sieger. Und auch der der Australier Kyle Langford, der als Oracle Wing Trimmer das legendäre Comeback in San Francisco schaffte und damit zu den absoluten Comeback-Königen gehört, könnte für solche Situationen kaum besser gewappnet sein.

© Jesus Renedo/Volvo Ocean Race

ein kritischer Moment unter der Küste von Wales: Brunel (gelb) und AkzoNobel treiben im Gegenstrom zurück…

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…Aber AkzoNobel schiebt sich wieder an das gelbe Boot heran und liegt schließlich sogar 0,1 Meilen voraus…

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…Brunel wendet noch einmal aus der Kontrolle des Gegners unter Land, wird nicht von Akzo gedeckt und schafft das finale Überholmanöver.

Vielleicht ist es dieser Spirit, der das Brunel-Team in der Nacht nicht die Nerven verlieren lässt. Mit einem Schlag unter Land holt es sich die Führung zurück und macht bei dieser Etappe den Sack zu. Der Vorsprung beträgt schließlich nur vier Minuten, aber er ist drei Punkte wert, die Bouwe Bekking in die nicht mehr für möglich gehaltene Position bringen, dieses Volvo Ocean Race bei seiner achten Teilnahme zum ersten Mal gewinnen zu können.

Der 54-jährige Holländer schien schon als tragische Figur dieser Regatta unterzugehen, nachdem sich sein spät zusammengestelltes Team auf den ersten Etappen als nicht konkurrenzfähig erwiesen hatte. Davon zeugt die Serie von 6/4/4/5/6 im sieben-Boote-Feld. Es gab schon Gerüchte, dass Peter Burling genervt von Bord gehen könnte. Nur die Schäden der Konkurrenz und deren taktischen Fehler hielten dem alten Salzbuckel zumindest rechnerisch im Rennen. Und nun hat er nach dem überragenden Zwischenpurt von 1/2/1 plötzlich wieder die Chance, ganz vorne zu landen.

Dongfeng ist der eigentliche Gewinner

Dabei ist Dongfeng der eigentliche Gewinner dieser Etappe. Charles Caudrelier und sein Team haben dieses vernichtende Finish in Newport stark verkraftet, mit ihrem frühen Split eine Entscheidung provoziert und dadurch eine Konstellation geschaffen, die dem Top-Favoriten Mapfre zum Verhängnis geworden ist.

Dongfeng ergreift mutig am ersten Tag die Initiative und halst aus einer klaren Führungsposition im Golfstrom nach Norden…

…Dadurch gerät Mapfre in Zugzwang, halst später mit und kann den Rückstand nicht mehr aufholen. Zumal sich später die Süd-Option als gewinnbringend herausstellt.

Mapfre ist spät auf die Nord-Route eingeschwenkt – zu spät. So war Dongfeng nicht mehr einzuholen und auch nicht die Süd-Gruppe, die den besseren Wind erwischte. Mapfre lag plötzlich 100 Meilen zurück und hoffte noch auf eine Kopie des Newport Finish. Die Wetter-Konstellation schien gleich: Nebel, Flaute und Gegenströmung. Aber solche Wunder wiederholen sich nicht, und das ist auch gut so für diesen Sport.

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Dongfeng in der Flaute und dennoch ein Sieger. © Jeremie Lecaudey/Volvo Ocean Race

So hat Dongfeng vor den letzten beiden einfach zählenden Etappen erneut die Tabellenführung übernommen ohne einen einzigen Abschnitt gewonnen zu haben. In der Endabrechnung wird Caudrelier noch einen Bonus-Punkt zugesprochen bekommen, weil er ziemlich sicher die schnellste Gesamtzeit um den Globus erreichen wird. Sollte es aber zum Punktgleichstand kommen hat Mapfre die besseren Karten wegen der Spitzenposition in der Inport-Wertung.

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Dongfeng Navigator Pascal Bidegorry sorgte mit seinem Split zu Beginn für große Spannung. Der Plan ist aufgegangen. © Jeremie Lecaudey/Volvo Ocean Race

Brunel lauert mit drei Punkten Rückstand. Bekking und Co haben aber erstmals den Triumph in eigener Hand. Bei zwei weiteren Siegen verbundenen mit den beiden Bonus-Punkten müssten sie nicht mehr auf die Konstellation der Konkurrenz achten. Bouwe Bekking, der Mann der Stunde, gibt sich kämpferisch: “Es war unser Ziel, die beiden roten Boote zu schlagen. Nun haben wir die Lücke zu ihnen geschlossen und der Gesamtsieg bleibt unser Hauptziel!”

Der aktuelle Gesamtstand:

Die Punktetabelle vor den letzten beiden Etappen. TunrTheTide wird noch einen Punkt auf Scallywag gutmachen.

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Dongfeng hofft in der Flaute auf die Revanche für Newport. © Jeremie Lecaudey/Volvo Ocean Race

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49erFX Olympiasiegerin Martine Grael im Interview auf AkzoNobel. © Jesus Renedo/Volvo Ocean Race

Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

1 Kommentare zu „Volvo Ocean Race: Brunel macht den Sack zu – Die Gesamtwertung ist wieder völlig offen“

  1. Christoph sagt:

    Sehr gut geschrieben, sehr spannend.

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