Bouwe Bekking hat das Comeback in der Gesamtwertung tatsächlich geschafft. Nach dem Etappensieg in Cardiff kann er mit Brunel das Volvo Ocean Race wieder gewinnen. Dabei war er schon wieder auf der Verlierer-Straße.
Was für ein Déjà-vu. Noch 16 Meilen bis zum Ziel. Brunel hat AkzoNobel im Windschatten und kann den ganz großen Wurf landen. Dieses blaue Boot muss achteraus bleiben. Es ist in der Endabrechnung ein Unterschied von drei Zählern bei der doppelt gewerteten Atlantik-Etappe: 15 oder 12 Punkte, zweiter Etappen-Sieg oder Niederlage, Chance auf den Gesamtsieg oder nur noch drei Punkte Vorsprung vor AkzoNobel beim Kampf auf das Podium.
Die gefährlichste Phase schien schon vorbei als beide Yachten im Gegenstrom unter der walisischen Küste achteraus trieben. Bekking kam schneller wieder in Fahrt als der niederländische Skipper-Kollege Tienpont und hatte einen Vorsprung von 1,5 Meilen.
Aber nun schiebt sich AkzoNobel in der Dunkelheit wieder heran. Und um Mitternacht passiert für Brunel das Unfassbare. Der permanente Duell-Gegner auf dieser neunten Etappe, der schon niedergekämpft schien, schiebt sich vorbei. Das ganze Drama von Newport, als Brunel noch auf den letzten Metern von Mapfre überholt wurde, wiederholt sich.
Immun gegen Leistunsgkiller-Gedanken
In solchen Momenten zerbrechen Teams. Völlig übermüdet in absoluter Flaute gibt es nicht genug zu tun, um die negativen Gedanken zu stoppen. Aber es segelt eben jemand mit, der erwiesenermaßen immun ist gegen solche Leistunsgkiller-Überlegungen: Peter Burling, Olympia- und America’s Cup Sieger. Und auch der der Australier Kyle Langford, der als Oracle Wing Trimmer das legendäre Comeback in San Francisco schaffte und damit zu den absoluten Comeback-Königen gehört, könnte für solche Situationen kaum besser gewappnet sein.
Vielleicht ist es dieser Spirit, der das Brunel-Team in der Nacht nicht die Nerven verlieren lässt. Mit einem Schlag unter Land holt es sich die Führung zurück und macht bei dieser Etappe den Sack zu. Der Vorsprung beträgt schließlich nur vier Minuten, aber er ist drei Punkte wert, die Bouwe Bekking in die nicht mehr für möglich gehaltene Position bringen, dieses Volvo Ocean Race bei seiner achten Teilnahme zum ersten Mal gewinnen zu können.
Der 54-jährige Holländer schien schon als tragische Figur dieser Regatta unterzugehen, nachdem sich sein spät zusammengestelltes Team auf den ersten Etappen als nicht konkurrenzfähig erwiesen hatte. Davon zeugt die Serie von 6/4/4/5/6 im sieben-Boote-Feld. Es gab schon Gerüchte, dass Peter Burling genervt von Bord gehen könnte. Nur die Schäden der Konkurrenz und deren taktischen Fehler hielten dem alten Salzbuckel zumindest rechnerisch im Rennen. Und nun hat er nach dem überragenden Zwischenpurt von 1/2/1 plötzlich wieder die Chance, ganz vorne zu landen.
Dongfeng ist der eigentliche Gewinner
Dabei ist Dongfeng der eigentliche Gewinner dieser Etappe. Charles Caudrelier und sein Team haben dieses vernichtende Finish in Newport stark verkraftet, mit ihrem frühen Split eine Entscheidung provoziert und dadurch eine Konstellation geschaffen, die dem Top-Favoriten Mapfre zum Verhängnis geworden ist.
Mapfre ist spät auf die Nord-Route eingeschwenkt – zu spät. So war Dongfeng nicht mehr einzuholen und auch nicht die Süd-Gruppe, die den besseren Wind erwischte. Mapfre lag plötzlich 100 Meilen zurück und hoffte noch auf eine Kopie des Newport Finish. Die Wetter-Konstellation schien gleich: Nebel, Flaute und Gegenströmung. Aber solche Wunder wiederholen sich nicht, und das ist auch gut so für diesen Sport.
So hat Dongfeng vor den letzten beiden einfach zählenden Etappen erneut die Tabellenführung übernommen ohne einen einzigen Abschnitt gewonnen zu haben. In der Endabrechnung wird Caudrelier noch einen Bonus-Punkt zugesprochen bekommen, weil er ziemlich sicher die schnellste Gesamtzeit um den Globus erreichen wird. Sollte es aber zum Punktgleichstand kommen hat Mapfre die besseren Karten wegen der Spitzenposition in der Inport-Wertung.
Brunel lauert mit drei Punkten Rückstand. Bekking und Co haben aber erstmals den Triumph in eigener Hand. Bei zwei weiteren Siegen verbundenen mit den beiden Bonus-Punkten müssten sie nicht mehr auf die Konstellation der Konkurrenz achten. Bouwe Bekking, der Mann der Stunde, gibt sich kämpferisch: „Es war unser Ziel, die beiden roten Boote zu schlagen. Nun haben wir die Lücke zu ihnen geschlossen und der Gesamtsieg bleibt unser Hauptziel!“
Der aktuelle Gesamtstand:
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