World Sailing: Wahlbetrug? Interessenkonflikte? Der Präsident wehrt sich gegen Anfeindungen

„Wir sollten uns Sorgen machen“

Das neue Jahr setzt sich für den dänischen Präsidenten des Weltseglerverbandes so ungemütlich fort, wie das alte geendet hat. Er muss sich gegen Gerüchte und Vorwürfe wehren.

Die Olympiaklassen-Entscheidung für 2024 zugunsten einer Offshore-Mixed-Klasse hat für viel Unverständnis unter den interessierten Seglern gesorgt. Unabhängig von der Für-und-Wider-Diskussion zum Ausschluss des Finn Dinghys wächst die Kritik am Ablauf der Entscheidungsfindung. Und der World-Sailing-Präsident Kim Andersen muss jede Menge Prügel einstecken.

Kim Andersen.
World Sailing Präsident Kim Andersen. © Laura Carrau / World Sailing

Naturgemäß wird der schärfste Gegenwind von der Finn-Dinghy-Klasse entfacht. Aber auch einige internationale Segelmedien wittern einen Skandal.

Der jüngste Vorstoß kommt nun vom Spanier Gerardo Seeliger (71), Ehrenpräsident der Finn-Dinghy-Klasse. Er fasst die Situation aus seiner Sicht in einem offenen Brief an Andersen zusammen.

Er habe selber am Christmas Race in Palamos teilgenommen, viel mit anderen Seglern, Trainern und Teammanagern gesprochen und komme zu einem sehr klaren Bild: „Kim, wir sollten uns Sorgen machen!“

Denn viele seiner Gesprächspartner würden den aktuellen Gerüchten glauben, die während und nach dem World Sailing-Meeting in Sarasota entstanden sind. „Es sind mächtige, schädliche Gerüchte. Und sie geraten außer Kontrolle“, schreibt Seeliger.

Demnach gehe es um…

  • zweifelhafte persönliche und kommerzielle Interessen im Zusammenhang mit dem Prozess zur Wahl des Kielbootes und dem Ausschluss der Dinghy-Klasse.
  •  
  • verdächtige Abstimmungsprozesse und -ergebnisse. Bei einigen Medien falle das Wort „betrügerisch“. Das elektronische Wahlsystem wird in Frage gestellt nachdem die Stimmen einiger Delegierter offenbar anders gezählt wurden als von ihnen beabsichtigt.
  • die Übernahme von Kosten von Länder-Vertretern für die Teilnahme an der Hauptversammlung in Sarasota und der Abstimmung.
  • die Nutzung eines ereignispsychologischen Dienstes (PSAV), um die Stimme von Ländervertretern zu beeinflussen, die in der Vergangenheit gegen das Offshore-Kielboot waren.
  • eine offenbar geheime Vereinbarung mit einer Werft und die Kenntnis von einem 150.000 Euro hohen Promotionsbudget für die Kielbootveranstaltung einer beteiligten Partei.
  • die verspätete Eingabe des Vorstand-Vorschlags, bei dem den Delegierten nicht das vollständige objektive Bild der Themen vermittelt werden konnte. Es habe keine Zeit für eine tiefer greifende Diskussion gegeben.
  • den fragwürdigen Zeitplan beim Ansetzen der Sitzungen, einschließlich einer großen Anzahl von Telefonkonferenzen, die vom Präsidenten vorangetrieben wurden und die das World Sailing Council von der ordentlichen Debatte ausschlossen.
  • die vermeintlich dringende Entscheidungsfindung ohne ersichtlichen Druck des Internationalen Olympischen Komitees (IOC)

„Das ist die Zusammenfassung dessen, was ich gehört und gelesen habe“, schreibt Seeliger. Es gebe einen ernsthaften Mangel an Transparenz. Es wachse die Sorge, dass der  Abstimmungskonflikt im Council und die Last-Minute-Entscheidung im Zusammenhang mit dem Kielboot nicht transparent sind und sie ihren Ruf beeinträchtigen.

„Du hast dir diesen Ruf durch jahrelanges ehrliches Segeln, Zuhören, geradliniges Reden und umsichtige Führung erworben. Ich kenne dich seit über 20 Jahren sehr gut. Seite an Seite haben wir komplexe Themen bei der ISAF  gelöst und stets für Fairness, Transparenz und das Wohl des Segelsports gearbeitet. Du hast eine beachtliche Erfolgsbilanz, auf die du stolz sein kannst. Sie wurde belohnt mit der Präsidentschaft…

…Kim, lass dich nicht von persönlichen, monetären und kommerziellen Interessen anderer beeinflussen. Bitte denke an den eigenen Ruf, die Glaubwürdigkeit, das Vertrauen der Segler die Integrität des Segelns, die Glaubwürdigkeit von World Sailing.“

Wenn sich der schädliche Konflikt innerhalb von World Sailing ausbreite, und er wahrscheinlich bereits die IOC-Mitglieder erreicht hat, werde er sich auf Andersens persönliche Zukunft und die von World Sailings Status innerhalb des IOC auswirken.

Der einzige Zweck dieses Briefes sei es, auf die Größe der Probleme aufmerksam zu machen und alle zu motivieren, konstruktiv und intern im Rahmen von WS die richtige Wahl für 2024 zu erreichen.

Der adressierte World Sailing Präsident Kim Andersen antwortet prompt auf die Anschuldigungen.

„Wenn du sagst, wir sollten uns Sorgen machen, – kann ich sagen, dass ich mir Sorgen um die Gerüchte mache. Aber Gerardo, das sind nur Gerüchte! Anstatt auf Gerüchte zu verweisen, solltest du Gerüchte nicht weitergeben, ohne eine gewisse Sicherheit zu haben, ob es sich um Gerüchte handelt oder nicht.

Wie von dir erwähnt, werden diese Gerüchte auf der ganzen Welt und in den Medien ohne jegliche Objektivität oder Beweise verbreitet. Aber die Medienwelt scheint sich heutzutage so darzustellen, dass etwas immer mehr zur Wahrheit wird, je mehr man darüber schreibt.

Bitte überprüfe daher die Gerüchte, bevor du sie weitergibst. Ich kann deutlich sagen, dass es sich um bösartige Gerüchte handelt, die in der Segelgemeinde verbreitet werden, aber man muss sie an der Quelle stoppen.“

Seiner Meinung nach seien Unterstützer bestimmter Klassen für die Falschmeldungen verantwortlich. Er selber habe transparent über die Vorgänge berichtet.

Tatsächlich hatte Andersen in einem Statement vor den Feiertagen versucht, der Kritik den Wind aus den Segeln zu nehmen. Dabei erklärte er:

„Auf der World Sailing Annual Conference hat das World Sailing Board eine späte Einreichung bezüglich des gemischten One-Person Dinghy Events  gemacht. Der Grund für die verspätete Einreichung der Submission 037-18 (Offshore-Kielboot) sei die vermehrt geäußerte Besorgnis zahlreicher Delegierten bezüglich des mixed One-Person Dinghy Events gewesen. Sie glaubten, dass dieses Format nicht funktionieren würde. Es habe sich auch kein Komitee auf eine Lösung einigen können, mögliche Ausrüstung oder ein Format für das mixed Ein-Personen-Dinghy-Event zu benennen.

Zum Vorwurf des Wahlbetrugs, der durch ein fehlerhaftes technisches System zustandegekommen sein soll, sagte Andersen:

„World Sailing ist stolz darauf, eine transparente Organisation zu sein, weshalb wir alle Vorwürfe zu Wahlbetrug oder Interessenkonflikten sehr ernst nehmen. Als Einzelpersonen öffentlich Behauptungen über fehlerhafte Wahlsysteme aufstellten und der Vorstand beschuldigt wurde, widmeten wir dieser Anschuldigung die volle Aufmerksamkeit und leitete eine Untersuchung ein.“

Ein technischen Bericht des Lieferanten des Abstimmungssystems sei in Auftrag gegeben worden. Dazu habe der Vorsitzende des Prüfungsausschusses eine detaillierte Analyse der in den Sitzungen abgegebenen Stimmen geliefert. Und eine unabhängige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft habe die Ergebnisse einer Untersuchung geliefert. „Sie alle haben keine Fehler festgestellt.“

Damit ist die Angelegenheit für Andersen erledigt. Von nun an werde er viel Zeit und Mühe aufwenden müssen, um an dem zu arbeiten, was auf den vergangenen Hauptversammlungen beschlossen wurde. „Gerüchte können keine Priorität haben.“

Seinem Kritiker Seeliger macht er abschließend noch einmal deutlich: „Ich bin nicht von persönlichen, monetären und kommerziellen Interessen anderer beeinflusst. Ich arbeite in meiner Position bei World Sailing auf freiwilliger Basis und meine Werte sind immer noch intakt.“

Es bleibe die Erkenntnis, dass das Spiel mit Gerüchten und Spam-Nachrichten von einigen Menschen in diesem Sport gerne gespielt werde, auch wenn es um eine deutliche Mehrheit gehe, die nach einem klaren Prozess entstanden ist. „Das ist ein Grund zur Sorge!“

„Lieber Gerardo, wenn du etwas hörst und liest, überprüfe bitte die Quelle und gib das Gerücht im Zweifelsfall nicht weiter, zum Wohle des Sports!“

 

 

 

Eine Antwort zu „World Sailing: Wahlbetrug? Interessenkonflikte? Der Präsident wehrt sich gegen Anfeindungen“

  1. Ich glaube, dass man sich leider darauf vorbereiten muss, dass Segeln nicht mehr sehr lange olympisch sein wird.

    Ich halte Konstanz bei den olympischen Klassen für das Wichtigste um Kosten einzusapren. Dabei ist es doch egal, ob ein Finn Dinghy evtl. nicht mehr das modernste Schiff auf dem Markt ist, es war aber stets eine der am härtesten umkämpften Klassen.

    Auf der anderen Seite muss man doch den Sportlern und auch den jungen Einsteigern eine Möglichkeit geben sich langfristig auf eine olympische Karriere vorzubereiten.

    Vermutlich sind die immer stärkeren Wechsel der Bootsklassen ein Versuch das Olympische Kommittee zu überzeugen, wie wichtige segeln ist.

    Ich denke, das man in wirklichkeit aufpassen muss, dass unsere Disziplin überhaupt noch vertreten sein darf. Die (unverständliche) Entscheidung, Segeln als Paralympische Disziplin zu entfernen, zeigt ja welches Standing der Sport allgemein bei den Olympischen Spielen hat.

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