Abenteuer Rheinwoche Teil III

Rheinsegeln: Eigentlich haben sich alle lieb...

Teil I Teil II

Etappenstopp in Köln Porz. Das Fahrgastschiff "Eureka" liegt bereit. Auf ihm wird geschlafen, gesessen, gegessen und getratscht © C. Kemmling

Das Kreuzen geht an die Substanz. Unzählige Wenden. Auf den 120 Kilometer in fünf Etappen steigt nur einmal für fünf Minuten ein buntes Tuch aus dem Sack in den Mast. Ansonsten immer hart am Wind. Wolfgang an der Großschot macht dicke Backen. Groß auf, wenn eine Böe ins Rigg hackt. Groß wieder dicht, wenn der Druck nachlässt. Sonst kippt die Kiste nach Luv. Und die Crew auf der Kante bekommt nasse Füße. Das will ja niemand. Barbara kurbelt sich bei den Manövern im Minutentakt die Seele aus dem Leib, Clemens hilft, wenn es zu hart wird und Christoph reißt die Schot dicht. Alle wissen nach drei Tagen, was sie getan haben.

Knapp eineinhalb Stunden dauert für uns der erste Lauf, die erste Etappe. Der längste Abschnitt liegt bei knapp drei Stunden. Im Hafen Mondorf liegt schon das Fahrgastschiff „Eureka“ bereit. Ein 56 Meter langer „Holländer“ auf dem bis zu 600 Passagiere Platz nehmen. Es ist das Basisschiff der Rheinwoche. Auf dem Oberdeck ist ein Matratzenlager für bis zu 100 Segler eingerichtet. Es wird überwiegend von der Jugend genutzt. Unten wird gegessen. Bei welcher Regatta gibt es das schon? Ein ordentliches Mittagessen zwischen zwei Läufen.

Wir müssen uns zwar immer etwas gedulden, weil unser Racer der Flotte voraus fährt und wir vor der „Eureka“ auf der Matte stehen, sobald sie die Leinen festgemacht hat. Aber das ist gerade noch auszuhalten. So können wir uns in aller Ruhe über die Getränkepreise mokieren, die mit 2,50 Euro für eine Mini-Cola doch sehr „holländisch“ sind, wie einige Mitsegler beteuern. Komisch, als ich noch im Revier lebte – lang ist es her – sind wir immer zum Sprit bunkern ins günstige Holland gefahren. Es scheint sich einiges geändert zu haben. Viele Segler sind offenbar gar nicht gut auf die Preispolitik der Nachbarn zu sprechen. Dabei ist doch eigentlich nur wichtig, dass die Freunde des flachen Landes bei der Fußball WM hinter unserer Löw-Truppe liegen.

Beim zweiten Start ecken wir wieder an. Eine Tempest erwartet ein Ausweichmanöver. Sie steuert mit Vorfahrt auf uns zu. Ich lege mich ins Schiff, um unter dem Baum durchsehen zu können und peile und peile…passt! Die Tempest sollte klar hinter uns durchfahren. Dort sieht man das offenbar etwas anders. Der Steuermann wirft das Schiff in einem vermeintlichen Notmanöver herum, und echauffiert sich hörbar. „Protest“ heißt es. Entweder möchte da jemand den vermeintlich arroganten Jongert-Typen eine Lehre erteilen. Oder der Mann hatte tatsächlich Angst um sein Boot. Offensichtlich gibt es zu dem Vorfall zwei Meinungen. Die Wahrheit könnte nur der Videobeweis ans Licht bringen.

"True Love" mitten im Gewimmel. Die holländische Sailhorse macht gerade fest. © C. Kemmling

Wie auch immer. Im Kölner Zielhafen kommt der Tempest-Segler an Bord. Sagt, es sei so schönes Wetter und Bayern München spiele das Champions-League Finale, da wolle man doch nicht die Zeit im Protestraum verbringen. Er wäre auch mit einem Bier zufrieden. Hmm, ein erzwungenes Bier ist natürlich in gewisser Weise ein Schuldeingeständnis. Aber es zeigt auch den Spirit dieser Veranstaltung. Eigentlich haben wir uns doch alle lieb unter Seglern. Auf dem Wasser ist man sich manchmal böse. Aber das liegt an diesen verdammten Segelbooten. Die machen einen irgendwie aggressiv. Wenn man seinen Fuß wieder auf trockenen Boden setzt, ist jede Menge innerer Ballast abgeworfen. Die wohlige Ausgeglichenheit kehrt zurück. Sie steckt eigentlich irgendwo in jedem Segler. Bestimmt!

Dagegen geht dem Gastanker-Kapitän die Entspannung irgendwie ab. Er hat sein Schiff geparkt, und wir segeln nahe seiner zur schwarz aufragenden Bordwand. Hektisch rudert er oben mit den Armen und schreit: „Das ist hier ein Gefahrentransport der Klasse drei“. Na und? Explodiert er, wenn wir an seiner Bordwand kratzen? Sollte man die Luft in seinem Umfeld nicht einatmen? Was will uns der Mann sagen? Hätte er sich eben nicht in die Außenkurve des Rheins gelegt. Die Strömung schiebt hier stärker. Jeder Meter zählt. Das muss er doch wissen. Es geht schließlich ums „Blaue Band“.

Auch der Rumäne, der sich mit seiner Schute permanent hupend seinen Weg durch das Feld bahnt, hat möglicherweise Angst um sein Schiff. Unser Rumänisch ist eher schlecht, aber wir meinen an der Tonlage seiner Kommunikation zu erkennen, dass er uns nicht anfeuert für den weiteren Verlauf des Wettkampfes. Natürlich könnte die Scheibenwischer-Geste mit der rechten Hand auch die Art sein, wie sich Rumänen dafür bedanken, dass sie in der EU sein dürfen. Vermutlich tun wir dem Mann also Unrecht. Was sollte ihn auch unser Abstand zu seinem Boot kümmern? Er dürfte es kaum merken, wenn wir von seiner Schute übergemangelt und im Schraubenwasser kleingehäckselt werden.

Seit unglaublichen 88 Jahren funktioniert dieses freundliche Nebeneinander schon zwischen Seglern und Schuten-Piloten bei der Rheinwoche. Und das sollte sich auch nach dieser Rheinwoche nicht ändern. Für die Crew der „True Love“ war es ein Erlebnis, der 120-Boote-Flotte voraus zu fahren. Insgesamt waren wir 20 Minuten schneller als das zweitschnellste Schiff der Rheinwoche. Das ist nun eigentlich nicht so bemerkenswert mit der schnellsten Yardstickzahl von 94. Deshalb liegt das Augenmerk auf der Yardstickwertung in unserer Gruppe. Die Plätze 2,1,1,6,5 reichen für den Sieg. In der Gesamtwertung des „Blassblauen Bandes“ für die beste berechnete Gesamt Yardstick-Zeit aller 120 Boote sind wir als 13. allerdings chancenlos gegen Zugvögel, H-Boote, Sharks und Ynglings.

Ergebnis YS < = 110
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Carsten Kemmling

1 Kommentare zu „Abenteuer Rheinwoche Teil III“

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