Kieler Woche Sommermärchen

Olé, Olé Olé. SR ist Seebahn-Moister!

Deutscher Meister ORC II auf der Dehler 35 RS "Hochwürden": (oben) Phillipp, Carsten, Jan, Tammo, Matschi; (unten) Jörg, Felix, Frauke © C. Kemmling

Bluttropfen von Felix auf dem schönen, neuen Dehler Deck... © C. Kemmling

Der Weg zum Titel war eine blutige Angelegenheit. SR-Herausgeber und Boulevard-Spezialist Herbert Grabufke hätte seinen Spaß gehabt. Deshalb steht die Beschreibung des Bord-Unfalls vor dem sportlichen Geschehen. Grabufke hat unsere Sinne für die wirklich wichtigen Dinge im Journalismus geschärft. Es passiert also beim vorletzten Rennen der Deutschen Meisterschaft im Seesegeln. Im harten Einsatz für den Sieg rutscht Vorschiffsmann Felix Ismar bei einem Manöver mit einem Bein in das offene Vorluk.

Mitstreiter Jörg Friedlein, einer der besten deutschen Kielzugvogelsegler, ruft entsetzt: „Man sieht den Schienbeinknochen. Das muss genäht werden.“ Nun ja, das Malheur passiert mitten im Rennen. Und wir liegen gut platziert. Da will man nicht unbedingt mit Nadel und Faden agieren. Auch wenn es die tolle Geschichte von Einhandsegler Bertrand de Broc gibt, der sich auf hoher See vor dem Spiegel die Zunge wieder annähte. Wir sind hier zwar beim Seesegeln, aber so hart muss es dann doch nicht sein.

Die Frage geht an Felix. Aufhören? Der winkt ab. Halb so schlimm. Jörg klebt auf dem Vorwindkurs die Wunde mit Tape ab, sieht aber ernsthaft besorgt aus. Blut tropft auf das Deck. Gott sei Dank perlt es an den neuen 3DL North Plastik Segeln ab. Im weißen Dacron hätte es fiese Flecken gegeben. Felix beißt die Zähne aufeinander.

Genauso wie Jan Kudra, unser Vorschiffsmann. Der ist umgeknickt, hat einen dicken Knöchel und bedient seine Fallen-Klaviatur später nur noch aus dem Niedergang. So langsam scheint sich die Truppe aufzulösen. Das harte Segeln fordert seine Opfer. Und meine Hände sind auch schon ganz taub vom Traveller hoch und runter ziehen. Nur Phillipp Rotermund steht noch aufrecht mit Flip Flops am Lenker.

Was machen wir mit Felix? Ein Rennen noch und der Junge will versorgt werden. North-Mann Stefan Matschuk weiß Rat. Er kennt Hautarzt Harald Brüning, der seine Mumm 30 „Topas“ über den Parcours bewegt und immer seinen ärztlichen Besteckkasten mit sich führt. Wir hieven Felix über die Reling und Brüning näht auf dem wackelnden Boot kurzerhand die klaffenden Wundränder zusammen. „Vier Stiche“, sagt Felix und hätte lieber mit mehreren angegeben. Kurzzeitig sei ihm ziemlich schwummerig geworden. Aber er hält durch. Er will Mann des Tages werden. Und er schafft es.

Mit dem vierten Platz im vorletzten Rennen ist der Deutsche Meister-Titel nach sechs Rennen zwar schon sicher, aber wir wollen auch das Abschlussrennen noch würdig zu Ende bringen. Es gelingt mit einen zweiten Platz. Und so feiern wir nach der schönen Serie 1/2/1/1/1/(4)/2/ und acht Punkten den Meistertitel mit einem Vorsprung von 13 Punkten. Über den komischen zweiten Platz im zweiten Rennen soll an dieser Stelle nicht gemosert werden. Die Crew der „Chaos“ hatte aufgegeben, war durch das Ziel gedümpelt und als erster gewertet worden.

Es ist schon irre, mit so einer zusammengewürfelten Truppe einen nationalen Titel zu gewinnen. Nach FD und Match Race ist es mein fünfter und der wohl am wenigsten zu erwartende. Am Samstag Abend vor dem ersten Rennen am Montag war nicht klar, ob wir überhaupt an den Start gehen würden. Erst als klar war, dass das Niveau der Mannschaft auf dem Papier Konkurrenzfähigkeit ermöglicht, stellten wir die Lichter auf grün. Aber man konnte nicht davon ausgehen, dass die Crew so schnell zusammenwachsen würde.

Natürlich half ein schnelles Schiff, bei dem wir bis heute nicht genau wissen was das Kürzel RS hinter Dehler heißen soll. Jetzt sind wir sicher, dass es für „rasend schnell“. Es gibt allerdings auch Stimmen, die meinen, dass bei stärkerem Wind das Sommermärchen nicht stattgefunden hätte. Und das Gegenteil können wir nicht beweisen. Aber es steht auch fest, dass wir einige Dinge während der Regatta ziemlich richtig gemacht haben.

Wie schon zugegeben, war ich vor dem Seebahn-Abenteuer sehr skeptisch. Segeln nach Vergütung trifft nicht unbedingt meinen Geschmack. Wer sich sportlich messen will, sollte die gleichen Waffen wählen. Das ist nach wie vor meine Meinung. Aber wenn man die Handicap-Segelei als Krücke versteht, schon vorhandenes Cruiser-Racer-Material miteinander zu vergleichen, dann macht es durchaus Sinn.

Es gab engere Duelle auf der Up and Down Bahn als ich vorher gedacht hätte. Besonders die Matches mit den drei X 37 und der First 35 hatten es in sich. Insofern fühlt sich der Titelgewinn gut an. Der größte Dank gilt allerdings den verletzten Helden. Die Schmerzen und das Blut haben sich gelohnt.

Zum Thema:
Das Sommermärchen: Teil I Teil II

Ergebnisse (PDF)

Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

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