Mitsegel-Reportage bei der Extreme 40 Series in Kiel

An Bord bei Loick Peyron

Von Carsten Kemmling

SR an der Front. Fünfter Mann bei Loick Peyron mit windschnittigem Helm © Paul Wyeth/OC Events

Loick Peyron sitzt etwas verloren am Heck seines Katamarans. Die Beine eng zusammen gepresst, die linke Hand zwischen die Schenkel geschoben, Zeigefinger und Daumen der Rechten führen den Pinnenausleger. Er versucht ein Gefühl für den Extreme 40 Kat zu entwickeln. Nicht einfach bei schwachem Wind in Kiel.

Der 50-Jährige Franzose, einer der ganz Großen in unserem Sport, lässt im Vorstart die Informationen seiner britischen Crew auf sich einprasseln. Über Winddreher, Startszenarien, Trimm und die Strategie an der Luvtonne. Auch der Trainer auf dem mit dem Gummiboot hat Tipps im Gepäck, als er heran rauscht. Nach der Luvtonne sofort halsen! Peyron zeigt kaum eine Reaktion. Ungewiss, ob er den Schlussfolgerungen der Kollegen zustimmt.

Er lächelt mir zu. Wir kennen uns unter anderem von zahlreichen Interviews in Valencia, als Peyron den Alinghi Kat beim America´s Cup steuerte. Aber es gibt keine Zeit für Small Talk mit dem fünften Mann, dem Zuschauer, der auf jedem der neun Boote mitgeführt werden muss. Ich solle mich Steuerbord am vorderen Beam festhalten und nicht bewegen sagt Bugmann David Carr, ein Bulle von Mann.

On Board Perspektive vom Peyron Kat auf das Omani-Schwesterschiff © Paul Wyeth/OC Events

Ich komme mir etwas lächerlich vor. Trotz des warmen Wetters dick eingepackt in das Ölzeug des Veranstalters, dazu Schwimmweste und einen stromlinienförmigen Helm.  Es besteht Helmpflicht für den Gast, nachdem sich einer den Kopf am Baum angeschlagen hat.

Dabei bewegt sich der Kat schwerfällig über die Kieler Innenförde. Auch die 40 Fuß Renn-Kats benötigen Wind, um zu beschleunigen. Und das Kurven fahren ist eine Qual. Aber es wird an Bord nicht gemosert, nicht mit dem Schicksal gehadert, es soll ein Rennen gewonnen werden. Und die Punkte bei Flautenrennen sind genauso wertig wie bei anderen Bedingungen.

Peyron nähert sich der Startlinie. Es gibt keinen formulierten Plan. Der Mann sucht sich offenbar intuitiv seinen Platz. Noch eine Minute. Keine gute Position in der Mitte. Die Kats liegen ohne Fahrt wie angewurzelt nebeneinander. Der Franzose will hier weg. Er dreht aus der Phalanx heraus, halst auf Steuerbord und plant offenbar einen Start am Schiff.

„Groupama“ kommt mit Wegerecht von rechts. Noch 30 Sekunden. Peyron muss abfallen und macht einen Extremschlenker nach Luv, der mich fast aus dem Boot kippen lässt. Ich kralle mich am Trampolin fest. Diese Plattformen bewegen sich ja doch.

Nur selten hoben die Kats gestern ein Bein. Peyron schaffte es dennoch einige Male © Paul Wyeth/OC Events

Es wird knapp mit der Anliegegelinie. Geknüppelte Höhe saugt mehr Speed aus dem Kat als bei einem Mono. Start. Die Ankerleine des Startschiffes kommt drohend näher. Noch ein Schlenker nach Luv. Wir stehen im Vergleich zum Feld. In Luv schickt sich Tino Mittelmeier mit dem Wirsol Cat an drüber zu rauschen.

Aber dann segeln wir frei in Lee mit Wind von Backbord. Peyron packt seinen Turbo aus. Der Grund für die Beschleunigung ist nicht genau zu erkennen aber wir nehmen Wirsol in kürzester Zeit zwei Bootslängen ab.  Vielleicht, weil ich meinen peinlichen Stromlinien-Helm genau in Fahrtrichtung halte.

Dennoch sollten wir nach meinem Regelverständnis vom Luvboot geblockt sein. Eine Wende ist nicht möglich. Sie wäre schwerlich abgeschlossen bevor wir Mittelmeier im Weg liegen. Und die Anliegelinie zur Luvtonne ist schon fast erreicht.

Der Franzose schiebt die Pinne trotzdem weg. Er tänzelt mit kleinen Hüpfschritten auf die neue Luvseite, übernimmt dort den Ausleger vom zweiten Ruder und steht quer vor dem heranrauschenden deutschen Boot. Mittelmeier weicht aus, schreit, protestiert aber die Schiedsrichter zeigen die grüne Flagge.

Na ja. Äußerst grenzwertig. Peyron kann offenbar auf seinen Star-Bonus vertrauen. Und das nutzt er aus. Als drittes Boot runden wir die Luvtonne, halsen sofort, wie der Trainer empfahl, verlieren zwei Boote, halsen noch einmal, rollen dabei jeweils den Gennaker halb ein, quetschen uns durch das Leetor, hängen noch einen up-and-down dran und nach 15 bis 20 Minuten ist alles vorbei.

Der fünfte Platz wird ohne große Emotionen hingenommen. Er ist eigentlich zu schlecht für den Anspruch des Oman-Sponsors, der neben Peryrons „Masirah“ auch „The Wave“ mit dem britischen Steuermann Paul Campbell James unterhält. Aber Lamentieren nichts. Die möglichen Ursachen werden kurz besprochen, dann geht es weiter und der fünfte Mann muss von Bord.

Ein kurzer Händedruck, „Thanks for sailing with us“, das Gummiboot mit dem nächsten Gast steht bereit und ich werde zum zweiten Oman Kat gebracht. Aber das ist eine andere Geschichte.

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Video-Zusammenfassung vom ersten Tag in Kiel mit Jojo Polgar im Interview:

Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

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