Vom Langfahrt-Traum zur „Blauwasser-Allergie“

“Das Ende kam radikal und plötzlich…”

Von Michael Köhler

Michael Köhler in der Biskaya. Nach zwanzig Jahren beginnt er plötzlich das Segeln zu hassen © M. Köhler

Blauwasser Törn Geschichten handeln normalerweise von schönen oder außergewöhnlichen Reisen. So eine hätte ich auch gerne geschrieben. Aber ich habe letztes Jahr im Herbst recht überraschend den Segelsport aufgegeben. Auf dem Weg zur Atlantiküberquerung. Das Ende kam so radikal und plötzlich, dass ich die letzten Meilen, von Vilamoura nach Portimao ins Winterlager, nicht einmal mehr an Bord unseres eigenen Schiffes sein wollte!

Was war passiert? Mit der Segelei angefangen habe ich 1986. Mit dem A-Schein, wie wahrscheinlich die meisten von uns. Der Segel-Virus saß fest. Es kam 1987 der BR-Schein, dann jahrelanges Chartern in der Ägäis, mit den zugehörigen Nasenstübern von Poseidon. Segeln lernen durch segeln.

Chartern in der Karibik, IJsselmeer, Nordsee… ein kleines eigenes Schiffchen am Binnensee. Und immer im Hinterkopf der Plan: Ein eigenes, hochseetüchtiges Segelschiff, etwa 12m, Stahl oder Alu, und dann los. Langsam, ohne Stress die schönen Gegenden dieser Welt ersegeln.

2007 haben wir es gefunden. Eine Feltz Skorpion 2, 12m lang, Stahl mit Deckssalon. Sie lag in Heiligenhafen und war das schönste Schiff im Hafen. Vom ersten Eigner sehr sauber und professionell ausgebaut. Allerdings eher für Tagestouren auf der Ostsee und nicht für Blauwasser-Cruising; also fehlte so einiges.

Überführung im ‘Sommer’ 2007 von Heiligenhafen durch die Dänische Südsee, den Limfjord (eigentlich war rund Skagen geplant, aber das Wetter hatte was anderes vor), Helgoland, Norderney, wo wir gerade noch vor dem Gewitter reingewischt sind und dann eine Woche wegen Schlechtwetter festsaßen. Nach Lauwersoog, dann die Staande Mast Route nach Lemmer zum Ijsselmeer.

Das Traumschiff. Eine Feltz Skorpion aus Stahl © M. Köhler

Dabei schrumpfte die Crew wegen der ständigen Wetter-Pausen von anfänglich vier langsam aber sicher auf eins (mir selbst). So konnte ich die Freuden der Ein-Mann-Schleusen- und Hafenmanöver voll auskosten.

In Kampen musste der Mast runter, im strömenden Regen, wegen der geplanten Flussfahrt. Da war Birgitta wieder mit dabei. über die Gelderse Ijssel, Waal, Maas bis ins Winterlager Wessem, NL, an der Maas, ca. 50km von unserem Domizil entfernt. So konnten wir bis Frühjahr 2008 die meisten Punkte des Projekts ‘Umbau eines Daysailers zum Blauwasser-Cruiser’ durchziehen.

Schiffstaufe im Sommer 2008 (sie heisst jetzt „SiriLuca“, das kann man sich mit etwas Phantasie als ‘Licht des Sirius’ vorstellen), dann üben, üben, üben. Zu zweit (naja, ab und zu hatten wir auch mal Freunde mit) kreuz und quer in Zeeland und auf der Nordsee rumsegeln, Schiff so richtig kennenlernen, alles mal ausprobieren.

Frühjahr 2009 Anmeldung zur ARC, Job kündigen, Haus verkaufen und Möbel-Container nach USA (wo wir jetzt wohnen) auf den Weg schicken. Wir wollen auf eigenem Kiel umziehen!

Ab Juni wohnen wir auf dem Schiff, das noch im Winterlager bei der Delta-Werft in Colijnsplaat steht. Es gibt noch viel zu tun auf der Werft, aber am 19.07.2009 schwimmt „SiriLuca „wieder. Und auch auf der Wasserlinie. Alles dicht, Motor läuft, Batterie lädt, bloß das Klo ist kaputt… Man kann nicht alles haben!

Noch ein paar Probeschläge auf der Oosterschelde, dann passt das Wetter und am Samstag, 25.07. 2009 heisst es Leinen los zur Grossen Fahrt! Durch die Roompot-Schleuse direkt raus auf die Nordsee trau ich mich noch nicht, also erstmal ganz langsam binnen nach Vlissingen.

Von dort am nächsten Morgen früh raus, um uns mit der Tide nach Oostende saugen zu lassen. Dort haben wir eine Verabredung mit einem Kompass-Kompensierer; eine mittlerweile vom Aussterben bedrohte Rasse in den Zeiten des GPS. Aber das kann ja mal ausfallen, und dann will ich wissen, dass der Kompass nicht (mehr) nach dem Mond zeigt.

Unserer ging nämlich bis zu 20 Grad daneben – da hilft die beste Deviationstabelle nix. Oostende ist sehr, sehr belgisch, aber der Kompensierer ist Profi und an der Waterfront gibt’s leckere Seeschnecken.

Am 28.07. geht’s weiter nach Dunkerque und am Freitag, 31.07. überqueren wir den Kanal und sind im United Kingdom, in Dover. Dort muss man sich wegen dem vielen Verkehr vorher über Funk anmelden. Steht alles in Reed’s Nautical Almanac, ohne den hier eigentlich gar nichts geht!

Das mit dem Anmelden geht sehr professionell ab und die Jungs sind nett. Am nächsten Tag wollten wir weiter, aber die Seewasserpumpe ist undicht – wie im letzten Herbst auch. Aber da hatte ich sie doch den Leuten von der Werft zur Reparatur gegeben…

Die Jungs hier haben vor Montag keine Zeit. Aber unser Nachbar ist nett und kennt sich mit Seewasserpumpen aus. Ersatzteile hab ich mit und gemeinsam basteln wir den halben Tag. Da haben die von der Werft doch glatt ‘vergessen’ neue Simmeringe einzubauen und einfach dick Fett reingechmiert. Das hält ‘ne Weile; ungefähr so lange, bis der Kunde zu weit weg ist um sich zu beschweren… Schade, dabei hatte ich die Delta-Werft eigentlich in guter Erinnerung.

Weiter geht es im zweiten Teil

Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

2 Kommentare zu „Vom Langfahrt-Traum zur „Blauwasser-Allergie““

  1. Klaus Winter sagt:

    Erinnert an selbst erlebtes. Ist ehrliche dargestellt. Ich wünsche mir die Fortsetzung zu sehen.

  2. ursula beiwa sagt:

    Ja, liest sich spannend und bis jetzt ja auch nicht ungewöhnlihc … wo findet man denn den zweiten Teil? Hoffentlich kommt er noch!

    Vielen Dank im voraus für den Erfahrungsbericht

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