Das Stickl Sportcamp am Gardasee bietet ab der Saison 2015 Schnupperkurse auf einer Flügel-Motte an. In der Vorsaison ist das eigene Team dran, ihren „Flugschein zu bestehen“. Erfahrungen des ersten Tages.
Tim ist 34 Jahre alt, Segel-und Catlehrer im Stickl Sportcamp seit fast 10 Jahren und segelt überwiegend auf Booten wie Seascape 18 oder im Catkurs auf Hobie 16 und auch mal Hobie Tiger. Tim segelt von Kindesbeinen an und war auch als aktiver Regattasegler im 470 unterwegs. Sein erklärtes Ziel ist es gleich am ersten Tag zu foilen.
Sein Selbstvertrauen war also nicht ganz unberechtigt, doch was bisher an Infos im Sportcamp angekommen war, dämpfte eher die Erwartungen. Erst mal viel Schwimmen, dann an sich verzweifeln und nach langem Kampf endlich dann das ersehnte Gefühl geräuschlos mit 15-20 Knoten über das Wasser zu fliegen.
Wir waren alle sehr gespannt. Wir, das waren noch 3 Teilnehmer am ersten Kurs des Jahres. Auch erfahrene junge Jollensegler und ein Mitvierziger, der es wissen wollte.
Als der Trainer an Land zunächst die Technik erklärte, wurde allen klar, dass es sehr sehr viel Gefühl brauchen würde, um dieses 35 kg Carbon ins Fliegen zu bringen. Irgendwie entstand der Eindruck, dass gute Surfkenntnisse und Gleichgewichtsgefühl mindestens so wertvoll sein würden, wie Erfahrung mit der Jollentechnik auf einer kippeligen Gleitjolle.
Nach einem Panino mit Cappu und einer kurzen Pause wurde es dann ernst. Wie trage ich dieses Segelgerät materialschonend an den Strand und über die Slipanlage ins Wasser?!
Tim ist der erste der Vierergruppe, der mit einem Funkhelm ausgerüstet ins Abenteuer starten darf. Mit der gekenterten Motte vom Strand wegschwimmen bei 10 Grad Wassertemperatur steckt Tim locker weg. Der Adrenalinspiegel macht’s möglich! Er bekommt etwas Unterstützung vom Trainerboot, das ihn einige Meter in den Sideshore-Wind schleppt.
Dann geht’s los! Am Schwert packen, aufrichten und am Luvwing zunächst in Position halten. Das Gleichgewicht ist noch sehr labil, weil kein Wind gegen den auf dem Bauch ins Boot kletternden Tim wirkt. Die Schot muss schnell gegriffen werden, aber das Ruder spielt kaum eine Rolle. Ein Gummistropp hält es mittig. Tim packt die Schot und baut Druck auf, um sich dann vorsichtig in die Mitte des kaum 30 cm breiten Rumpfes zu ziehen. Jetzt ist alles eine Frage des Gleichgewichts, das nur durch gefühlvolles Arbeiten mit der Schot erreicht werden kann. Tim packt das sofort und die superleichte Motte segelt auf Halbwindkurs los. Tim erhöht langsam den Duck mit der Schot und vergisst nicht die Wort des Trainers- immer Luvkrängung, zieh das Segel über Dich wie ein Surfer.
Klappt doch! In wenigen Minuten ist Tim auch im Low-ride-Modus schon 500 m vom Ufer weg. Per Funk bekommt er die Anweisung einige Übungen zur Verbesserung des Gefühls für Segeldruck und Luvkrängung zu bekommen. „Immer wieder mal Druck raus und stoppen. Boot im Gleichgewicht halten, anfahren und dichter nehmen und das ganze mehrere Male,“ so der Trainer über Funk. Dabei werden zum ersten Mal die Schwierigkeiten sichtbar und auch der flinke Tim gerät in Nöte. Aber er kentert nicht und schon nach wenigen Minuten nimmt nicht nur die Ora zu, sondern auch die Risikobereitschaft des Seglers.
Nach einem kurzen Hinweis per Funk soll Tim jetzt versuchen, aus der bisherigen Verdrängerfahrt den Sprung zum Foilen zu schaffen. Etwas abfallen, Speed aufnehmen, Gewicht raus und Segel dichter nehmen. Druck und Balance! Das Segel kommt nach Luv über den Steuermann und erzeugt den nötigen Auftrieb, um die Motte wie von Geisterhand gehoben langsam aus dem Wasser zu heben. Tim schafft es, ohne Leekrängung zu bekommen, mit aktiver Arbeit an der Schot immer schneller zu segeln – nicht segeln, foilen! Er fliegt tatsächlich und alle anderen Kursteilnehmer im Trainerboot jubeln mit ihm. Der Finger geht hoch und Tim gibt uns sein Like! Die Ora hat nun ca. 10 Knoten erreicht und ab geht die Post. Mit ganz wenigen Wacklern und immer voll konzentriert macht Tim seine ersten 15 Minuten und ist selbst überrascht von diesem Erfolgserlebnis.
Dann wird gewechselt. Die jungen Wilden sind dran. Alle drei Kollegen in Tims Gruppe schaffen es zwar nicht in wenigen Minuten so loszulegen wie Tim, aber auch sie kommen kurzeitig auf das Foil und sind total euphorisch.
Dann ist zum Abschluss Tim noch einmal an der Reihe und soll die Motte wieder von Luv nach Lee zurücksegeln. Amwindkurs ist deutlich einfacher und so ist der Mothkurs mit 4 Seglern in seiner Unterrichtszeit einige Kilometer nach Luv gesegelt. Der Wind ist mittlerweil bei 12-14 Konten angelangt und Tim fliegt sturzfrei mit bis zu 18 Knoten den Downwindkurs runter.
Halsen, das soll er lieber mal lassen, kommt die Anweisung per Funk, denn bei einem Sturz mit 18 Knoten könnte schon mal was kaputt gehen. Stürzen muss wohl auch gelernt sein. Mit vorsichtigen klassischen Wenden kreuzt Tim dann vor dem Wind zurück. Cool! Da sind sich alle einig.
Eines hat dieser Schnuppertag aber sicher gezeigt: Es ist möglich am ersten Tag zu fliegen. Wer fit ist, Surferfahrung und Jollenkenntnisse auf gutem bis sehr gutem Niveau mitbringt, kann durch das richtige Training mit Anweisungen per Funk im entscheidenden Moment die 35 kg Carbon-Rakete zähmen und erlebt ein völlig neues Gefühl des Segelns!
Das neue Segeln ist Foilen!
Tim denkt schon darüber nach, den nächsten Schritt in seiner Trainer-Karriere anzugehen: den Moth-Flug-Trainer.
Infos zu den Mothkursen am Gardasee im Stickl Sportcamp
Stickl Sportcamp, Malcesine am Gardasee, Italien, Kontakt: Heinz Stickl
www.stickl.com
Schreibe einen Kommentar