Diskussion: Wer den Weg vor die Jury sucht, ist böse – Lieber ein Bier statt Verhandlung

„Du willst doch nicht wirklich protestieren…“

SR-Leser Sören Sörensen wendet sich mit einer Anfrage an die Redaktion. „Es geht um die Frage, ob derjenige, der der einen Protest einreicht, entweder negativ uncool oder positiv korrekt ist“.

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15 Antworten zu „Diskussion: Wer den Weg vor die Jury sucht, ist böse – Lieber ein Bier statt Verhandlung“

  1. One-Ton-Atze

    sagt:

    Ich finde das RVK sehr stark Recht damit hat, das Segeln eigentlich ein Gentlemansport ist. Abgesehen von dem Protestthema bin ich der Meinung, dass es auf der Regattabahn zu laut vorgeht. Manche Leute meinen, sie müssten die über die ISAF-Regeln hinweg ihr Wegerecht durch lautes Brüllen und Schreien erlangen.
    Gegen solch unseemännisches Verhalten sollte man auch protestieren können.
    Grade so Boote wie die One4All müssten dann kringeln bis der Arzt kommt.
    Natürlich kann man auch mal lauter werden und sein Wegerecht ankündigen, aber dass alle Proleten auf der Kante schreien verfehlt dann doch seinen Zweck und ist kein Seemännisches verhalten. (Besonders weil die meisten die Regeln + Anhänge nichtmal kennen).
    Gerade beim Fleetrace sollte man sich mit aggressivem Angriffsverhalten zurückhalten. Der sportliche Ehrgeiz kommt bei vielen dann doch zu stark durch. Alle die meinen man fährt bessere Starts (hier wird besonders laut geschrien) durch Aggressivität sollten sich mal nen Farr40 Start angucken. Da wird keiner ausfallend.

  2. RVK

    sagt:

    Ich habe in Deutschland (vor allem im allernördlichsten Ostseefjord) die Erfahrung gemacht, dass zwar von den Teilnehmern gerne protestiert wurde, allerdings die Verhandlungsfreude seitens der Jury deutlich geringer war. Die Mehrzahl der Proteste wurde stets aufgrund von Formfehlern abgelehnt. Ich bin mir nicht sicher, ob das der Sache dient. In Kiel habe ich auch oft genug erlebt, dass bei eingereichten Protesten gegen andere Boote (teils wg. unerlaubtem Queren von Bahnen bei Kieler Woche, Ignorieren von Verkehrstrennungsgebieten oder Innenpositionen bei Tonnen) die Gegenseite stets mit einem Gegenprotest drohte. Dabei wurde dann entweder sehr aggressiv auf dem Wasser reagiert und versucht einen Gegenprotest zu erzwingen. Oder aber es wurde im Hafen das Boot auf Vermessungsfehler untersucht um die protestierende Partei zum Rückzug des eigenen Protests zu zwingen. Ich persönlich finde, dass Segeln ein Gentlemansport sein sollte. Da gehört es dazu, dass man sich auch an die Regeln hält. Wenn es zu einem Verstoss kommt – was ja auch passieren kann – dann muss es selbstverständlich sein, dass man sich entlastet. Wenn eine Partei diesen Verstoss nicht anerkennt – wegen einer anderen Auslegung oder bewusst – dann muss die Jury das klären. Ich kümmere mich aber auch recht wenig um die Meinung anderer und kann damit leben, schief angeschaut zu werden, wenn ich protestiere… In der Türkei wird übrigens das Protestaufkommen noch krasser reguliert. Die protestierende Partei muss bei Protestabgabe 200 Lira (ca. 60 Euro) zahlen. Wenn der Protest gewonnen wird, gibt es den Deposit zurück. Wenn der Protest nicht erfolgreich verläuft, ist auch gleich noch das Geld für den Trosttrunk weg. Aus meiner Beobachtung fördert das aber mehr ein Rüpelverhalten auf der Bahn. Hier wird auch auf hohem Niveau in IRC I gerne mal beim Start voll draufgehalten oder mit dem Bug an der Startlinie beim luvwärtigen Schiff angeklopft, um auf das Wegerecht hinzuweisen…

  3. Andreas

    sagt:

    @Kluchschieter:
    @Allgemeinheit

    bitte vergesst das Ammenmärchen, dass aus versicherungstechnischen Gründen ein Protest eingereicht werden muss. Das ist Blödsinn. Die Versicherungen entscheiden nach Aussage beider Parteien und das ist ohne Probleme an Land auf dem Papier festzuhalten. Ein Protest macht nur dann Sinn, wenn die Schuldfrage strittig ist und somit die Jury eine Entscheidung diesbezüglich fällt. (an welche sich die Versicherung im übrigen auch nicht zwingend halten muss, denn diese entscheiden eher nach KVR und Rechtsprechung).

    Also bitte keine Proteste wenn eine Ersatzstrafe angenommen wurde und sich beide einig sind den Fall über die Versicherung abwickeln zu lassen. Das führt zu unnötigen DSQ´s und ist z.B. bei einer Offshore Regatta mega ärgerlich, wenn nach 5 Tagen segeln alles für die Katz war.

    Wenn der Verursacher, wie so oft, nicht bereit ist eine Strafe anzunehmen oder es zu einem großen Schaden gekommen ist (Aufgabe des Rennens notwendig) sehe ich das mit dem Protest natürlich genauso. Wahrscheinlich finden sich auch noch weitere Gründe, aber bitte nicht aus versicherungstechnischen Gründen……danke

    1. Genau das ist mir beim 2013er Pronichet Select ( 300sm solo) in der Bretagne passiert – etwas heftige Berührung auf der Startkreuz (da hatte ich noch kein Fenster drin) und danach gekringelt. Die Französin hat aber trotzdem (wegen der Versicherung) protestiert mit der Folge, dass ich ein DSQ bekommen habe – macht nicht wirklich viel, da ich nach guter erster Hälft zwischendurch mal wegen üblen Seegangs einige Problemchen hatte aber … ist natürlich trotzdem ärgerlich …

  4. Firstler

    sagt:

    Manchmal hilft es aber auch, die Protestflagge erstmal zu setzen, wenn der Regelverletzer nicht kringelt, um seinen Aufforderungen zum Kringeln etwas Nachdruck zu verleihen. Die Protestflagge kann man ja vor dem Ziel/Bahnmarke wieder einholen.

  5. Ruben

    sagt:

    Arbitration, hier in England recht geläufig ist sicherlich für „Dorfregatten“ eine gute Lösung weil es darum geht die Regelkentniss zu verbessern. Wer sich über schlechte Regelkentniss in seinem Club ärgert könnte vielleicht einen Regelabend organisieren, meist sind die guten Schiedsrichten gegen Unkosten und ein paar Bier bereit zu so einen Abend, und die wirken Wunder.

    Aber bei einer Ranglistenregatta ist es finde ich einfach: Entweder es ist ein Konkurent der mir in der Wertung gefährlich werden könnte oder nicht. Falls ja: „Protest“ „B“ Zeugen aufschreiben und gucken ob er Kringelt wie Vorgeschrieben, falls nein, vergessen und weg kommen, denn dann bin ich sowieso zu weit hinten im Feld und muss hier weg wenn das kein Streicher werden soll.

    Gerade bei Team / Matchraces und bei großen Regatten ist der Protest und die Regelfalle fair, aber Baum an der 3 fieren um Kontakt zu machen oder ausweichen faken wenn die Jury guckt ist unfair und würde ich nie machen, aber habe es schon erlebt. Da hilft nur an Land darauf ansprechen oder am nächsten Start ärgern wenn mans kann. Und mit der Jury kann man auch reden aber ich habe noch nie erlebt das eine Jury die keine Ahnung und auf so unfaire Tricks reinfällt hat auf so was gut reagiert.

  6. Pete

    sagt:

    Was mich am meisten nervt ist, daß Regelbrecher oft mit einem ‚ach ist doch nicht so wichtig, ist doch eine kleine Regatta‘ als Argument kommen, dabei ist es doch umgekehrt, gerade weil es ‚um nichts‘ geht, sollte man doch kein Problem haben eine Ersatzstrafe anzunehmen.
    Wenn man bei kleinen Regatten schon nicht fair segelt, wie ist es erst wenn es um ‚was geht?
    Das Problem mit der Schiedsgericht Erreichbarkeit und Qualität bei kleinen Regatten hilft aber sicher nicht dabei mehr Leute zum protestieren zu bringen.

    Ich bin schon eine Weile keine Wochenend Regatten in Deutschland mehr gesegelt, wird Arbitration oft angeboten? Die ist ja erfunden worden um das Zeit Argument aus der Überlegung herauszunehmen: ein Schiedsrichter, keine Zeugen, 10 Minuten und nur eine % Strafe, klappt in einigen Ländern ziemlich gut.

    1. Benedikt Rübenkopf

      sagt:

      Ich habe bisher nur einmal erlebt, dass Arbitration angeboten wurde – bei der IDJüM Opti in Glücksburg. Dabei ist dies ein Konzept, das sich auch gut auf kleine Regatten anwenden ließe.
      Ich erkläre mir das mit dem Nicht-Kringeln so: Es gibt eine Berührung, ein Regelunkundiger meint, im Recht zu sein, sagt »Protest« und »Kringel!«. Die andere Person meint, nicht kringeln zu müssen, weil sie sich selbst im Recht sieht – nicht, weil sie die Regelverletzung einsieht. Die erstere Person ist frustriert, dass jemand, der nach ihrer Sicht eine Regel verletzt hat, keine Strafe ausführt. So denkt sie sich, dass sie beim nächsten Mal auch nicht kringeln wird, wenn sie eine Regel verletzt hat.

  7. Lars Hückstädt

    sagt:

    Ich habe eigentlich in der letzten Saison in der H-Jolle beobachtet, dass das Segeln viel fairer geworden ist. Es haben eigentlich alle, die eine Regelverletzung begangen haben sofort gekringelt.
    Das ist mir in der letzten Saison positiv aufgefallen.

    Auf der anderen Seite hat man bei Protestsituationen im Verhandlungsraum teilweise sehr intressante Begegnungen mit dem Schiedsgericht – Durch unser Match Race habe ich evtl. eine sehr sichere Regelkentniss, trotzdem ist es manchmal traurig, was man vom Schiedsgericht so hört – vor allem von der älteren Generation –

    Wenn man z.B. hört, dass der sichere Abstand ( Wiggle – Test ) bei teureren Booten größer sein muss, als bei günstigeren ( ? ) , dass die Regel 16.1 vor dem Start ja garnicht gilt und man sich als Segler teilweise vorm Committee wie auf der Schulbank vorkommt, dann wunder ich mich schon sehr.

    In meiner Schulzeit in England habe ich im Scarborough Yacht Club, für den wir z.T. immernoch starten, einen recht intressanten Ansatz für Proteste gelernt:

    Der protestierende und sein Gegner mussten je 5,- Pound bezahlen, der Protest wurde mit einer vernünftigen Jury verhandelt und die beiden Parteien mussten das Geld dann gemeinsam an der Bar ausgeben ( Protestgewinner läd den verlierer ein) und es wurde darauf geachtet, dass man dieses Bier auch gemeinsam trinkt… Ich möchte nicht anregen, dass man solche Situationen bei DM, EM,WM oder Ranglisten nutzt, für Clubregatten aber eine gute Lösung. Davon abgesehen ist es für Regattasegler auch wichtig, zu wissen, wie man eine Protestverhandlung führt.
    – Das Argument, dass man ja damit den Protest an Finanzielle mittel bindet, zählt nicht, da wohl jeder Segler 5 , – € auf Tasche hat….

    1. Anton

      sagt:

      Große Teile des Kommentars sind sehr einleuchtend.
      Es ist mir aber wichtig zu sagen, dass es auch einige wenige Segelbegeisterte gibt, die nicht aus wohlhabenden Segelfamilen stammen. Diese Segler haben vielleicht nicht immer noch einen Schein übrig, aber gerade diesen sollte man das Segeln doch ermöglichen. In unserer Zeit ist es wünschenswert, dass die Möglichkeit zum Segeln nicht durch Finanzen, sondern durch Segelbegeisterung bedingt wird.
      Ansonsten tragen wir als Segler dazu bei, dass Nichtsegler unsere Leidenschaft als Reichensport abstempeln – und das kann sich die Seglergemeinschaft weder leisten, noch sollte solch eine Außenwirkung das Ziel sein.

  8. Kluchschieter

    sagt:

    Puh, ganz schwierige Frage weil von Situation zu Situation anders zu bewerten.

    – was für eine Regattaveranstaltung (DMs, EMs, WMs lasse ich mal aus, da ist wohl klar glaube ich)? TraWo/KiWo/WaWo Niveau oder ist’s die Absegelregatta um das Sherryfass des heimischen Clubs?
    – Wer ist der Protestgegner?
    – Warum sollte ich protestieren, also augrund welchen Vorfalls.

    – Wenn mir einer ins Schiff fährt werde ich protestieren, da das unter Umständen versicherungstechnische Relevanz hat.
    – Wenn die rote Laterne meiner Startgruppe eine Tonne falschrum genommen hat während er eh weit hinter mir liegt, dann ists mir herzlich egal.

  9. Felix

    sagt:

    Bei einer Regatta muss man sich durchsetzten nicht nur als Segler sonder auch als Person. ( Ohne zu schreien)

    Wenn man nicht protestiert, haben die Andern keinen Respekt vor Dir und machen was sie wollen. Wenn man protestiert, soll man den Protest auch gewinnen, sonst hat man noch weniger Respekt.

    Zum Richtigen Vergehen protestieren , dass einem klar in Nachteil bringt, das erzeugt Respekt.
    Protestieren des protestierens wegen, wegen einer Kleinigkeit, die keinen klaren Nachteil schafft, ist nervig und unnötig. An der nächsten Kreuz kann man das zurückbezahlt bekommen. Nicht das ich nachtragend bin.

    1. Sven 14Footer

      sagt:

      Ich stimme Felix bei:
      Wenn es mir einen deutlichen Nachteil oder dem Gegner einen deutlichen Vorteil verschafft hat, fordere ich sehr deutlich und wiederholend die Ersatzstrafe ein. Bis zum Protest musste ich bisher noch nicht gehen. Die Einsicht für eine Ersatzstrafe war meist vorher da.
      Berührungen an der Tonne mit mehr als 3 Schiffen ist vielen Bootsklassen häufig zu beobachten. Klar wurden damit Regeln verletzt, ein Protest der das DSQ für mehrere Schiffe nach sich ziehen würde angemessen ist, wenn die Reihenfolge der Schiffe nach der Tonne „korrekt“ ist bezweifle ich.
      Allerdings stimme ich dem Schreiber zu, dass sich die Moral zur Einhaltung von Regeln / Annehmen einer Ersatzstrafe negativ verändert hat.

  10. Friedrich

    sagt:

    Ja, freiwillig kringeln sieht man eigentlich nur, wenn der Regelverstoß am Start oder sonst direkt unter den Augen der Jury stattfand. Protestieren ist in der Tat mühsam und für alle Beteiligten zeitraubend. Der Regelverletzer ist der, der diesen Hazzle vermeiden kann. Ab und zu muss man auch bei „normalen“ Regatten, also nicht nur dem DM, WM etc., als Opfer von Protestsituationen sich mal als Spaßbremse zeigen, damit die „Mutigen“ merken, dass sie das nicht mit einem machen können. Wenn mir beim Start von hinten jemand in die Karre fährt, soll er kringeln oder man muss eben durch dieses mühselige Protestverfahren.

    1. Anton

      sagt:

      Um mal einen anderen Ansatz ins Spiel zu bringen:
      Jeder Regattasegler sollte bei sich selbst anfangen und sich fragen, was das ganze Regattasegeln überhaupt soll, wenn man die Regeln nicht akzeptiert.
      Klar kann es sein, dass man sich mal verschätzt und etwas zu knapp mit Steuerbordbug vor jemand anderem passiert. Wenn dieser Gegner einen dann durchwinkt oder nur zaghaft „Ey“ ruft, ist es im Eifer des Gefechts wohl nachvollziehbar, nicht zu kringeln. Wenn der Gegner aber protestiert, oder man sich des Regelverstoßes eindeutig bewusst ist, sollte man sich entlasten. Ansosnten ist es natürlich wichtig, vorausschauend zu segeln und klare Situationen zu schaffen. So weiß man, ob der Gegner einen sowieso aus taktischen Gründen durchlässt, oder kann ansonsten ja immer noch unterwenden.

      Aber gerade in leistungsmäßig dicht besetzten Feldern und auf Meisterschaften, gibt es natürlich genug Segler, die aus Ehrgeiz schon am Start immer alles riskieren. Wer da offensichtlich keinen Wert drauf legt, sich freizuhalten, bzw. sich durch ständiges Wriggen und Anpumpen unfaire Vorteile verschafft.
      Gegen derartig auftretende Gegner ist ein Protest auf jeden Fall berechtigt, wenn einem selber dadurch Nachteile entstehen. Aber bei wiederholtem Auftreten der beschriebenen Situationen kann der Protest auch zu einer berechtigten und notwendigen Maßnahme werden, das Regelwerk auf dem Wasser geltend zu machen. Wenn Protestieren prinzipiell belächelt wird, und jeder zu werke gehen kann, wie er will, ist Segeln kein Gentleman-Sport mehr.