Und wieder ein Rekord, der die segelverrückten Franzosen völlig aus dem Häuschen geraten lässt. Nach der Weltumseglung folgt für Gabart der Medien-Marathon.
Ausnahmsweise, wirklich nur ausnahmsweise kann der Wert von Francois Gabarts Weltrekord auch daran gemessen werden, dass er in einem deutschen Medium Erwähnung findet: Am Sonntag, als letzte Meldung in der Tagesschau, zur Prime-Time kurz vor dem „Tatort“, wird doch tatsächlich in einem 15-Sekunden-Filmbeitrag die triumphale Rückkehr des Hochseehelden gezeigt. War das eine Art deutscher Ritterschlag für den Hochseesegelsport?
In Frankreich dagegen „business as usual“: In nahezu allen TV-Sendern und Radiostationen wird der charismatische Hochseeheld bei seiner triumphalen Rückkehr mit minutenlangen Beiträgen gezeigt, werden Interviews aufgezeichnet und lange Rückblenden auf seine Rekordfahrt ausgestrahlt. In vielen Tageszeitungen erscheint Gabarts Rekord heute auf der Titelseite, bei nahezu allen sind er und sein Trimaran „Macif“ zumindest der Aufmacher im „Sport“. Und die offizielle „Weltrekord-Website“ mitsamt entsprechendem Facebook-Anhängsel des Hauptsponsors „Macif“ vermelden rekordverdächtige Zugriffswerte.
Aus den Reihen der Macif-PR-Agentur ist zu vernehmen, dass Gabart in den nächsten Tagen bereits für fünf Talkshows gebucht wurde und allein bei den großen öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten zehn Reportagen über Gabarts großes Abenteuer „Einhand-Nonstop-Weltumseglung“ gelistet sind.
Balsam für die Segelnation
Es ist – mal wieder, muss man schreiben – ganz so, als hätten es sich die französischen Medien in einer Gemeinschaftsaktion vorgenommen, dass auch wirklich alle, die der französischen Sprache mächtig sind, von Francois Gabart und seinem Weltrekord erfahren.
Ganz egal, ob die Adressaten nun segel-affin sind oder sich einfach „nur“ von sportpatriotisch anmutenden Botschaften begeistern lassen, soll die Botschaft allerorten ankommen: Frankreich ist und bleibt DIE Segelnation auf der Welt. Vergesst Olympia und America’s Cup, auf den Sieben Meeren unseres Planeten sind die wahren Helden einer Nation unterwegs.
Dabei „überschlagen“ sich manche Berichterstatter sinnbildlich vor Begeisterung. So ist zu lesen, dass Gabarts Rekord gar nicht „hoch genug“ gelobt werden kann, weshalb man ihm und seinem Trimaran sogar das selbst in Frankreich nur sehr selten genutzte Adjektiv„stratosphärisch“ zuschreibt. Und, nein, Gabart hat den Rekord von Coville nicht etwa pulverisiert, sondern mit sechs Tagen Vorsprung schlicht „atomisiert“!
„Meisterhaft“
Thomas Coville, der bisherige Rekordhalter, der nach mehreren gescheiterten Anläufen vor einem Jahr ähnlich gefeiert wurde, brachte Gabarts Leistung bei einer Live-Schaltung im Ski-Ort La Plagne als guter Verlierer mit dem einzig richtigen Wort auf den Punkt: „meisterhaft“!
Der 34-jährige Gabart nimmt den ganzen Zirkus, wie nicht anders zu erwarten war, eher gelassen. Nachdem er sich – ganz Kind einer Online-Generation – beim Überqueren der Ziellinie (mit einem Speed von 35 Knoten!) zwischen Cap Lizard und der Insel Ouessant vor dem Bildschirm seines Plotters selbst filmte und live über Twitter in die Welt verschickte, zeigte er eher verhaltene Freude, verdrückte jedoch ein paar Trän’chen der Emotion.
Als er schließlich ein paar Stunden später in Brest einfuhr und dort von Tausenden frenetisch gefeiert wurde, gab es dann doch den einen oder anderen ziemlich ausgelassenen Hüpftanz auf dem Trampolin seines getreuen 100-Fuß-Trimaran-Monsters.
Und dennoch, in der anschließenden Pressekonferenzen und bei ersten Einzel-Interviews mit den großen Medien, war er schon wieder ganz „der Coole“: Ruhig, entspannt, vielleicht ein ganz klein wenig „durch den Wind“, aber betont lässig und beherrscht.
Nur wenig „geflogen“
Der Mann, der allein für den Segeltrimm während seiner „Tour du Monde“ mehr als 100.000 Mal den Grinder mit Armeskraft kurbeln musste, gibt sich angesichts seiner Leistung bescheiden und blickt jetzt erstmal in die Zukunft: „Träume? Natürlich habe ich noch Träume! Ich will auf so einem Ultim-Trimaran auf Foils um die Welt ‚fliegen‘. Mit Macif bin ich nur für Momente auf den Foils „geflogen“, keineswegs die ganze Zeit. Aber genau davon träume ich: Auf solchen Maschinen rund um die Welt zu foilen. Wir sind davon gar nicht so weit entfernt. Deshalb wird mein jetziger Rekord nicht lange halten. Schon sehr bald wird er eingestellt werden, und zwar mit einem ähnlichen eklatanten Vorsprung wie ich das jetzt mit Covilles Rekord gemacht habe. Natürlich braucht man dazu auch wieder Wetterglück, wie bei mir, und ein hervorragendes Team an Land. Und der nächste, der sich an diesen Rekord wagen wird, dürfte ähnlich darunter leiden und gleichzeitig daran wachsen, wie Thomas Coville und ich es getan haben,“ schreibt Gabart auf seiner Facebook Seite.
Dass es tatsächlich ein anderer sein könnte, als er selbst, der diesen Rekord brechen wird, liegt für Gabart „auf der Hand“: Seine großen Konkurrenten beim kommenden Ultim-rund-um die-Welt“-Rennen, das 2019 in Brest startet, werden alle mit „fliegenden“ Neukonstruktionen unterwegs sein (Armel le Cleac’h auf „Banque Populaire“, Sebastien Josse auf „Baron de Rothschild“ und Thomas Coville auf „Sodebo“, die noch im Bau ist). Für Gabarts „Macif“ sind höchstens Umbauten vorgesehen. „Aber manchmal ist man mit einem bewährten Boot, auf dem man schon so viele Stunden so erfolgreich gesegelt ist, eben doch schneller am Ziel, als auf Booten mit neuerer, jedoch noch nicht vollständig erprobter Technik,“ sagt Gabart schmunzelnd.
Gabart-Zitate im Ziel:
Echt, ich habe jetzt schon richtig viel gewonnen. Vendée Globe, 24-Stunden Weltrekorde, schnellste Einhand-Weltumseglung… mal sehen, was die Zukunft noch so alles für mich bereit hält.
Ein echtes Highlight? Zwei Stunden Schlaf bei 38 Knoten Geschwindigkeit!
Ich hab’ mit allem gerechnet, bloß nicht, dass ich es mit dem ersten Anlauf schaffen werde!
Das Überqueren der Ziellinie war völlig irreal. Und zudem waren um mich herum Dutzende Fischer auf ihren Booten. Was die wohl gedacht haben?
Ich war die ganze Zeit voll am Limit
Da draußen auf den Ozeanen bist du niemals in Sicherheit. Niemals!
Du musst auf der Höhe sein, die ganze Zeit. Und zwar auf der Höhe Deines Bootes. Das war vielleicht die größte Herausforderung von allen.
Es gibt wenige richtig gute Momente im Leben. Gerade jetzt ist so einer… (kurz nach der Ziellinie)
Schreibe einen Kommentar