Golden Globe Race: Nur noch 15 Seemeilen Abstand – schnappt sich Slats van den Heede?

Wie wird der Sieger heißen?

Neu errechnete ETA ist der 1.Februar. Kampf der Retro-Giganten: Der Eine will auf den Azoren-Wirbel aufspringen, der Andere pumpt Salzwasser und taucht mit Haien.

Das ist und bleibt spannend: Beim Golden Globe Race deutet alles auf ein Finish im besten Match-Race-Stil hin. 

Man muss sich das mal überlegen – da starteten am 1. Juli letzten Jahres 17 „Wilde“ (darunter eine Frau als jüngste Teilnehmerin) in Les Sables d’Olonnes/Frankreich zu einer Einhand-Nonstop-Weltumseglung, um das 50-jährige Jubiläum des original Golden Globe Race zu feiern. Gesegelt wird auf Booten, deren Riss nicht jünger als aus den Achtziger-Jahren sein darf und in Sachen Navigation soll bitteschön ebenfalls der guten alten Zeit gehuldigt werden. Denn damals hatten sie auch nur Sextanten und Karten. 

Ausgedünnte Flotte

200 Tage später sind noch fünf Boote im Rennen. Havarien, Mastbrüche, Durchkenterungen, Einsamkeitsattacken, Krankheit, eine schwere Rückenverletzung und Erschöpfung haben das Feld in bester Golden Globe Weise dezimiert (vor 50 Jahren kam sogar nur ein Segler ins Ziel – Robin Knox-Johnston). 

Golden Globe Race
Wird Jean Luc van den Heedes Rustler 36 durchhalten? © PPL/GGR

Und dennoch bleibt das Rennen spannend. Weil ausgerechnet der älteste, aber auch erfahrenste Teilnehmer des Rennens, der sechsfache französische Einhand-Weltumsegler Jean Luc van den Heede VDH (Weltrekordhalter Einhand-Nonstop-Weltumseglung GEGEN die vorherrschenden Strömungen und Windrichtungen) das Feld erwartungsgemäß ab dem Kap der Guten Hoffnung anführte. Und seinen Vorsprung auf den zweitplatzierten Niederländer Mark Slats auf teils über 2.000 Seemeilen ausbaute. Auf diesen Mark Slats wiederum hätte kaum jemand vor dem Rennen gewettet, weil er sich bis dato seine Wassersport-Lorbeeren beim Trans-Atlantik-Rudern verdient hatte. 

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Oder überholt Mark Slats ? © PPL/GGR

Wie berichtet, erlitt das (modifizierte) Rigg auf VDHs Boot nach einer Kenterung im Southern Ocean schweren Schaden, den der Franzose jedoch auf Hoher See notdürftig reparieren konnte. Doch eben nur notdürftig – ständig schwebt nun wie ein Damokles-Schwert ein schadhaftes Rigg über dem Haupt „des Meisters“. Entsprechend muss van den Heede bei stärkeren Winden viel früher als sein Konkurrent „auf die Bremse“ treten, die Segelfläche reduzieren, Druck aus dem Rigg nehmen. 

Nun könnte man meinen, das macht bei Booten, die im Schnitt zwischen vier und sechs Knoten schnell (oder langsam) sind, nicht viel aus. 

Tracker-Karte mit Wind-Angaben. Deutlich zu erkennen, dass van den Heede scharf an der Kante zur Leichtwindzone unterwegs ist © GGR

Doch Mark Slats schaffte es bis heute, rein rechnerisch sage und schreibe bis auf 15 Seemeilen an van den Heede heran zu kommen. Rechnerisch, denn beide liegen relativ weit auseinander (siehe Tracker-Karte): Slats segelt westlich der Kapverden, van den Heede hält nordwestlich von Slats auf die Azoren zu. 

Nur noch 15 Seemeilen Abstand

Strategisch hat derzeit van den Heede die besseren Karten. Nachdem er während der letzten Wochen mehrfach in üblen Flautenlöchern seine Nervenstärke strapazierte, nachdem er eine 18-Stunden Zeitstrafe wegen unerlaubter Kommunikation mit seiner Frau „abgesessen“ hat, verlässt er sich nun auf einen meteorologischen Klassiker. VDH will sich in den Wirbel eines über den Azoren drehenden Hochs „einreihen“. Das dreht sich im Uhrzeigersinn, so dass VDH auf seiner Matmut in den nächsten Tagen schöne Reach-Kurse fahren darf. Und das auch noch auf Backbord-Bug, seiner „starken Seite“, weil der Riggschaden auf der Steuerbordseite weniger eklatant ist als backbord. Und dennoch könnte „der Meister“ noch in eine Falle tappen: Da er ja keinen Zugriff auf Satelliten-gestützte Wetterinfo hat, könnte er zu früh in Richtung Azoren abbiegen und sich so in die Schwachwindzone des Hochs manövrieren. 

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Die Boote haben Enormes geleistet © GGR/PPL

Slats hat dagegen derzeit zwar kräftigere Winde – die ebenfalls von dem Azoren-Hoch produziert werden – segelt aber relativ hoch am Wind. Er ist so zwar noch 1,3 Knoten schneller als VDH unterwegs, was sich aber schnell ändern könnte. Wenn VDH dann „endlich die Kurve kriegt“. 

Überhaupt hat auch Slats mit einigen Problemen zu kämpfen. Die liegen hauptsächlich „unter dem Boot“: Nachdem er vor ein paar Tagen in einer Flaute heldenhaft im Beisein eines 3,5 Meter langen, allzu neugierigen Hais den gesamten Rumpf tauchend von einer ziemlich dicken Schicht Muschel-Bewuchs und Algenschleim befreit hatte, musste er nun feststellen, dass schon wieder eine auffällige Muschelschicht seine Fahrt verringert. Doch Flautentage zum Rumpfkratzen sind für ihn erstmal nicht in Sicht. 

Pumpen gegen den Durst

Außerdem kämpft Slats mit einem weitaus bedrohlicheren Problem: Er hat kein Trinkwasser mehr. Die erwarteten stärkeren Regenfälle in Äquatornähe waren ausgeblieben oder nicht ergiebig genug, so dass sich Slats nun mit Notfallmaßnahmen versorgen muss. Er pumpt stundenlang an einem Entsalzungsgerät (eine Stunde voller Einsatz, mit beiden Händen, für 750 ml weitgehend salzfreies Trinkwasser). Was für den Hochleistungs-Ruderer im Prinzip kein Problem sein dürfte, „aber macht das mal auf der Zielgeraden, nachdem ihr zuvor die Welt fast vollständig umsegelt habt!“ (O-Ton Slats in einer seiner letzten Nachrichten). 

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VDHs „Matmut“ mit modifiziertem Rigg © PPL/GGR

Es kommt also auf die kommenden Tage an. Wird es van den Heede nochmals schaffen, den Vorsprung auf Slats auszubauen? Wird sein Rigg halten? Oder schafft es sein niederländischer Konkurrent in den stärkeren Windzonen selbst am Wind aufzuholen? Wählt Slats die Option, östlich der Azoren Richtung Europa zu kreuzen? 

Es lohnt sich also weiterhin, dem Tracker täglich einen Besuch abzustatten. Errechnete Ankunftszeit des Siegers ist der 1. Februar. Nur: Wie wird der Sieger heißen? 

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