SR-Interview: BVWW für neue Regeln zur Sportboot-Entsorgung – Hilft Registrierungspflicht?

„Entsorgung schon im Kaufvertrag regeln“

Was tun mit Schrottbooten? Karsten Stahlhut, Geschäftsführer des Bundesverbands Wassersportwirtschaft, wünscht sich eine Kennzeichnungspflicht für Sportboote und eine geregelte Entsorgung

Dieser Jollenkreuzer blockiert wenigstens keinen Liegeplatz © Jan Maas

Herr Stahlhut, vernachlässigte Sportboote kennen wahrscheinlich alle im Wassersport. Haben Sie einen Überblick, wie viele ungenutzte Sportboote es in Deutschland ungefähr gibt?

Karsten Stahlhut: Das wäre schön. Aber da fängt das Problem schon an. Denn dadurch, dass es keine Bootsregistrierung gibt, wissen wir auch nicht, wie viele ungenutzte Boote es tatsächlich gibt. Wir gehen davon aus, dass jedes Jahr etwa 3000 Boote entsorgt werden müssten, die ihr Lebenszeitende erreicht haben und für die es keine Nutzer mehr gibt. Das ist aber nur eine Annahme, die wir nicht bestätigen können.

Wenn ein Auto am Straßenrand vergammelt, ist leicht zu ermitteln, wem es gehört. Würde eine Registrierungspflicht für Sportboote helfen?

Karsten Stahlhut: Ja, eine Registrierungspflicht wäre hilfreich, weil man dann genau zuordnen könnte, wer der Eigentümer eines Bootes ist. Man könnte ihn anschreiben, gegebenenfalls auch verwarnen. Im Moment wissen wir gar nicht, ob die Eigentümer noch leben. Wir gehen davon aus, dass das oftmals nicht der Fall ist und dass die Nachfahren vielleicht gar nicht wissen, dass ihr Vater oder Großvater in irgendeiner Scheune noch ein Boot stehen hat.

Entsorgung fremden Eigentums

Was ist, wenn bekannt ist, wem das Boot gehört, der Eigner aber nicht in der Lage ist, es zu entsorgen. Was für Möglichkeiten hätte man als Verein oder Marinabetreiber?

Karsten Stahlhut: Die Möglichkeiten sind sehr eingeschränkt. Sie können nicht einfach ein Boot entsorgen, dass seit zwei Jahren nicht mehr bewegt worden ist. Erstens würden die Kosten bei Ihnen hängenbleiben. Zweitens können Sie nicht fremdes Eigentum entsorgen. Von daher sind Ihnen da die Hände gebunden. Sie können nur den Besitzer auffordern, sein Boot selbst zu entsorgen oder zu verkaufen.

Vernachlässigte Fahrräder im öffentlichen Raum werden nach einer Aufforderung und einer Frist vom Ordnungsamt entsorgt. Warum geht man bei Sportbooten nicht so vor?

Karsten Stahlhut: Wenn der Staat als Ordnungsbehörde im öffentlichen Raum eingreift, liegt die Sache anders. Aber als Betreiber eines Hafens oder einer Steganlage können Sie nicht das Eigentum von fremden Menschen entsorgen. Wenn das so wäre, würde es diese Probleme gar nicht geben. Egal, mit wem man spricht, man findet in jeder Marina mindestens zwei oder drei Boote, die das genau betrifft.

BVWW-Geschäftsführer Karsten Stahlhut auf einem Überführungstörn © BVWW

Der Löwenanteil der Sportboote wird aus Duroplasten gebaut. Sprich: Abgesehen von Einzelteilen ist der eigentliche Bootsrumpf sehr oft nicht recyclingfähig. Für wie zukunftsfähig halten Sie diese Bauweise, wenn Sie auf die Bilanz von fünf Jahrzehnten GFK-Bootsbau zurückblicken?

Karsten Stahlhut: Unsere Vision ist, dass wir in Deutschland möglichst zeitnah ein System erreichen, wo Käufer und Verkäufer schon innerhalb des Kaufvertrages beschließen, dass das Boot zum Ende seiner Lebenszeit entsorgt wird. In Frankreich wird das genauso geregelt. Da wird schon beim Kauf eines neuen Bootes ein Betrag aus der Kaufsumme genommen und für die spätere Entsorgung des Bootes zurückgestellt. Dafür gibt es ein relativ dichtes Netz an Entsorgungsstationen, wo das Ganze fachmännisch durchgeführt wird.

Und wie stehen die Chancen, dass das in Deutschland so kommt?

Karsten Stahlhut: Ganz gut. GFK-Boote sind, was das Material angeht, sehr eng verwandt mit Windkraftanlagen. Da werden wir in Zukunft das gleiche Problem haben. Über kurz oder lang wird ein viel höherer Anteil an GFK und anderen Verbundstoffen entsorgt werden müssen. Da wird sich industriell eine ganze Menge entwickeln müssen.

Windkraft und Photovoltaik werden vom neuen Bundeswirtschaftsminister gerade sehr aktiv gefördert, daher wird er sich auch Lösungen überlegen müssen, wie mit den nötigen Komponenten am Ende ihrer Lebenszeit umzugehen ist. Deswegen wirken wir darauf hin, dass man diese Chance nutzt, sodass wir in der Zukunft davon profitieren können, dass es professionelle Organisationen und Unternehmen gibt, die sich um die Entsorgung kümmern. Ich hoffe, dass wir das innerhalb der nächsten ein bis zwei Legislaturperioden hinkommen.

Erweiterte Herstellerhaftung in Frankreich

Sie haben Frankreich als Beispiel genannt. Dort gilt die erweiterte Herstellerverantwortung für Boote bereits. Man bezahlt noch den Transport zur Entsorgungsstation und ist das Boot los. Warum ist das in Deutschland noch nicht so?

Karsten Stahlhut: In der Vergangenheit war es so, dass man sich seitens der Verbraucher und der Verbände gegen eine verbindliche Bootsregistrierung gesträubt hat. Man wollte sich in die Freiheit auf dem Wasser nicht so gerne reinreden lassen. Im Binnenbereich haben wir aber ohnehin schon eine Registrierungspflicht. Ab einer gewissen Größe ist da eigentlich alles registriert. Nur im Seebereich nicht. Unser Ziel ist, dass wir das endlich zusammenführen. Ich habe das Gefühl, dass da bei den Kollegen der anderen Verbände ein Umdenken stattfindet.

Ein anderer Hemmschuh in der Vergangenheit war die Sorge, dass ein Boot, wenn es verpflichtend registriert werden müsste, auch für den Finanzminister steuerlich interessant werden könnte. Jetzt weiß niemand, wer alles ein Boot in der Garage stehen hat. In Zukunft wäre das bekannt und demzufolge könnte man natürlich eine Steuer erheben für Verbrennungsmotoren ab einer gewissen Größe. Aber wir sind uns in den Verbänden mittlerweile einig, dass das kein Grund sein darf, eine Registrierung abzulehnen. Außerdem könnte man auch darauf hinwirken, dass eine etwaige Steuer für den Erhalt der Wasserstraßen aufgewendet wird.

Das Ziel der erweiterten Herstellerverantwortung zielt auf eine weitgehende Kreislaufwirtschaft. Was für Schritte wären jetzt nötig, um im Sportbootbereich möglichst schnell zu einer umfassenden Kreislaufwirtschaft zu kommen?

Karsten Stahlhut: Das ist ein rein politischer Prozess, weil das eine Gesetzgebung bzw. eine Verordnung ist. Aber wir können da jetzt einen Impuls setzen gegenüber der neuen Bundesregierung. Das Thema gehen wir auf verschiedenen Ebenen an, nicht nur im Bundesverkehrsministerium, sondern auch im Wirtschaftsministerium und im Umweltministerium.

Der Prozess muss durch alle politischen Ebenen durch. Daher benötigen wir viel Unterstützung aus allen Fraktionen, um das Thema zu einem Abschluss zu bringen. Aber ich glaube, dass die Zeit dafür reif ist. Wenn man sich die politische Gemengelage anschaut, stellt man fest, dass die Stimmung doch deutlich grüner geworden ist in den letzten Monaten. Von daher bin ich frohen Mutes, dass es uns gelingen wird, so eine Verordnung auf die Beine zu stellen, wenngleich sie mit einen gewissen Aufwand verbunden ist.

Mit fachkundiger Beratung lässt sich durch ein Refit die Lebenszeit vieler Boote verlängern © BVWW

Eine Alternative zur Kreislaufwirtschaft wären Boote, die möglichst lange halten und am Ende ihres Lebens keine Belastung für die Umwelt darstellen. Das könnte zum Beispiel für Boote aus Holz oder anderen Naturprodukten zutreffen. Was kann man tun, um diese Alternativen zu fördern?

Karsten Stahlhut: Die Hersteller denken in der Regel aus Kundensicht. Und die Kunden möchten ein gutes Produkt, aber nach Möglichkeit zu einem guten Preis. Ich glaube, dass GFK vom Preis-Leistungs-Verhältnis her ein gutes Material ist, wenngleich es auch ökologisch nicht so gut ist wie etwa Holz. Wobei Holz ein knapper Wertstoff ist. Es eignen sich nicht alle Hölzer. In der Vergangenheit wurden oft Tropenhölzer eingesetzt, die gar nicht mehr verbaut werden dürfen. Man muss die Optionen schon sehr genau prüfen. Stahl und Aluminium sind recycelbar, aber nicht für jeden Einsatz geeignet.

Ich glaube, es wird weiterhin eine gewisse Vielfalt geben, aber es wird am Ende der Lebenszeit eine fachgerechte Möglichkeit zur Entsorgung oder zum Recycling geben müssen. Die beste Variante ist ohnehin ein Refit. In vielen Fällen wären Boote mit wenig bis mittlerem Aufwand wieder so gut herzustellen, dass sie durchaus noch 20 Jahre länger auf den Seen unterwegs sein könnten.

Was können Sportschiffer tun, um Bestrebungen in Richtung Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft zu unterstützen?

Karsten Stahlhut: Gut pflegen, lange benutzen, Refit, aber auch rechtzeitig eine Entscheidung treffen. Bei vielen ist Wassersport eine sehr emotionale Geschichte. Ich kann mir vorstellen, dass es Menschen schwerfällt, sich von einem liebgewonnenen, über Jahrzehnte ausgeübten Hobby zu trennen. Wenn ich mit Marinabetreibern spreche, höre ich oft, dass 30 bis 40 Prozent der Stammlieger nur noch kommen, um am Wasser zu sitzen. Wenn diejenigen, die ihr Boot wirklich nicht mehr nutzen, sich rechtzeitig entscheiden würden, es zu verkaufen, dann würden viele Boote im Lebenszyklus bleiben und nicht so schnell rausfallen.

Nebenbei würde das noch ein anderes Problem lösen, denn wir haben in Deutschland mittlerweile fast flächendeckend sowohl an den Küsten als auch im Binnenland zu wenige Liegeplätze. Wenn wir davon ausgehen, dass jedes Jahr 3000 Boote entsorgt werden müssten, weil sie das Lebenszeitende erreicht haben, hätten wir auch jedes Jahr 3000 Liegeplätze, die frei werden könnten. Neue Infrastruktur kommt nur sehr selten dazu.

Sportboote möglichst lange nutzen

Mit welchen Kosten müsste ein Bootseigner ungefähr rechnen, wenn er sein Boot aktuell verschrotten lassen möchte? 

Karsten Stahlhut: Dafür gibt es noch keine allgemeingültigen Richtwerte, nur einzelne Erfahrungen. Für ein Sportboot von 6 Metern können zwischen 3000 und 5000 Euro fällig sein. Je nach Größe und Komplexität kann das bis zu 8000 oder 10000 Euro hochgehen. Das variiert sehr stark, weil es noch keine große Dichte an Firmen gibt, die das anbieten. In Deutschland sind mir nur zwei oder drei bekannt.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Stahlhut.

Das Interview führte Jan Maas.

Karsten Stahlhut ist Geschäftsführer des Bundesverbands Wassersportwirtschaft (BVWW). Der studierte Betriebswirt und begeisterte Wassersportler übernahm den Posten 2020 von Jürgen Tracht.

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