ORC-Worlds vor Kiel: Langstrecke bringt Vorentscheidung – „Outsider“ bricht Unterwant

Seglerischer Höhepunkt

Nach der Langstrecke und vor den abschließenden Wettfahrten der ORC-WM am Samstag können zwei von den 111 Teams bereits darüber nachdenken, den WM-Siegersekt zu kühlen. In der Klasse A ist die „Beau Geste“ von Karl Kwok (Hongkong) ebenso nur noch in der Theorie vom Titelgewinn abzuhalten wie die „Windwhisper 44“ von Marcin Sutkowski (Polen) in der Klasse B.

Ein dramatisches Finale wird es dagegen in der Klasse C geben. Die Top-Drei liegen eng beieinander – mit den Trumpfkarten im Blatt der „Matilda 4“ von Juss Ojala. Deutsche Medaillengewinne sind in der Klasse A sicher.

Perfekte Bedingungen vor schönster Kulisse bot der vierte Regattatag der ORC Worlds 2023 auf der Kieler Außenförde. © Sascha Klahn / ORC Worlds 2023

Sie haben es sich verdient! Lange haben Organisatoren und Segler auf diese Bedingungen hingefiebert, zum Start ins Langstrecken-Rennen der ORC Worlds 2023 waren die Wunschbedingungen da: Holsteiner Himmel mit viel Blau und einigen Wolken über der Kieler Förde, abendlicher Sonnenglanz auf den Segeln der Flotte vor Laboer Ehrenmal-Kulisse und zwei bis drei Beauforts. Der Donnerstagabend bot einen Traumstart in das Nacht-Rennen der Weltmeisterschaft der Seesegler vor Kiel. Im engen Start-Areal in der Strander Bucht lieferten die 111 Crews in den vier Startgruppen zudem ein Manöver-Spektakel an der ersten Bahnmarke, das zahlreiche Zuschauer in den Motorbooten, aber auch im Olympiahafen von Schilksee und an den Promenaden von Strande begeisterte. Ab Mitternacht schob sich eine schmale Mondsichel über den klaren Himmel, die leichte Brise in der dänischen Südsee stand bis zum Morgen durch.

Da der Wind im Laufe des Freitagvormittags allerdings einzubrechen drohte, nahm das Wettfahrtleiterteam um den Principal Race Officer Eckart Reinke die Yachten südwestlich von Langeland ins Ziel.

Nach der Langstrecke und vor den abschließenden Wettfahrten am Sonnabend können zwei Teams bereits darüber nachdenken, den WM-Siegersekt zu kühlen. In der Klasse A ist die „Beau Geste“ von Karl Kwok (Hongkong) ebenso nur noch in der Theorie vom Titelgewinn abzuhalten wie die „Windwhisper 44“ von Marcin Sutkowski (Polen) in der Klasse B.

Ein dramatisches Finale wird es dagegen in der Klasse C geben. Die Top-Drei liegen eng beieinander – mit den Trumpfkarten im Blatt der „Matilda 4“ von Juss Ojala. Deutsche Medaillengewinne sind in der Klasse A sicher.

Der Donnerstagabend war der seglerische Höhepunkt dieser Seesegel-WM vor Kiel. Nach den beiden Up-and-Down-Wettfahrten am Mittag wurden die Crews in den drei Wertungsklassen am Abend wieder aus dem Hafen geschickt. Die Pause schien allen Beteiligten frische Kraft gegeben zu haben, denn als um 19:05 Uhr die erste Startgruppe (Klasse A) auf die Bahn geschickt wurde, entbrannte sofort ein heißer Kampf um die Positionen, der auch in den folgenden Klassen B und C fortgesetzt wurde.

Die „Outsider“ lieferte ein starkes Rennen ab, hatte in der Nacht aber einen Riggschaden, den sie mit Bordmitteln reparierte. © Christian Beeck / ORC Worlds 2023

Die Crew der „Outsider“ von Tilmar Hansen (Kiel) zeigte, dass sie bereit war, alle Kräfte für den nächtlichen Showdown mit der „Beau Geste“ in der Klasse A zu mobilisieren. In Top-Position zog sie auf die erste Bahnmarke zu, fiel auf den raumen Kurs ab und legte mit einem schnellen Gennaker-Manöver schon mal die ersten Bootslängen zwischen sich und die Titelfavoritin aus Hongkong.

„Die ‚Beau Geste‘ ist das Maß der Dinge. Man sieht in jeder Phase, wie professionell die Crew aufgestellt ist und wie gut alles vorbereitet ist. Deshalb ist es großartig, wenn man die Chance hat, sich vor sie zu setzen“, berichtete Bo Teichmann von der „Outsider“. „Wir haben die Position lange gehalten und taktisch keine Fehler gemacht.“

Doch am nördlichsten Punkt des Kurses musste die „Outsider“ den Kampf um die gesegelte Top-Position abbrechen. „Auf Höhe von Spodsbjerg auf Langeland ist uns plötzlich die Steuerbord-Unterwant gebrochen. Wir mussten Tempo rausnehmen, um den Mast zu sichern. Wir konnten es zwar mit Bordmitteln fixieren, konnten danach aber nicht mehr ganz die Lasten fahren“, berichtete Teichmann.

Berechnet reichte es für die „Outsider“ aber, um zumindest einen Punktsieg gegen die „Beau Geste“ zu landen. Den Sieg nach berechneter Zeit sicherte sich nach einer Nacht auf See zwar mit nur 14 Sekunden die „Desna“ von Johannes Wackerhagen (Kiel), der nach zwei Ausfällen mit 3/2/1 zum Ende der Serie  zeigt, was möglich gewesen wäre. Aber dann folgte die „Outsider“. Platz vier für die „Beau Geste“ ändert indes nichts an der Überlegenheit der Yacht aus Übersee, die in den sieben Wettfahrten sechs Siege stehen hat, damit vor der „Outsider“ und der „Red Bandit“ von Carl-Peter Forster auf WM-Kurs liegt.

Einen Angriff auf die Podiumsplätze der Klasse B hatte sich auch die deutsche „Intermezzo“ von Jens Kuphal (Berlin) für die Langstrecke vorgenommen. Doch der Eigner und Steuermann kämpfte während des Rennens mit der Gesundheit, musste nach der Rückkehr in den Hafen mit kratzender Stimme zu Protokoll geben: „Ich habe mir eine Erkältung eingefangen, habe in der Nacht Fieber bekommen und bin völlig fertig. Trotzdem war es ein tolles Rennen. Wir haben lange in Führung gelegen und uns in der Spitze ein enges Match geliefert.“

Für Taktiker Robert Stanjek lag der Knackpunkt der Wettfahrt im Osten von Langeland: „Wir haben einen kleinen Schlag in Richtung Land gemacht, um der Gegenströmung auszuweichen. Das war ein teures Manöver. Leider war der Wind dort so viel schwächer, dass uns das rund zwei Meilen gekostet hat, damit sind die anderen vorbeigezogen. Der Abstand zu den Top-Drei ist jetzt zu groß, um noch wirklich in den Medaillenkampf eingreifen zu können.“

Perfekte Spinnaker-Bilder gab es nach dem Runden der ersten Bahnmarke vor Schilksee für die Fotografen, die sich auf die Langstrecke spezialisiert hatten. © Christian Beeck / ORC Worlds 2023

Nur fünf Punkte trennen die drei Medaillen-Anwärter in der Klasse C. Aktuell in einem estischen Sandwich liegt die „Team Pro4U“ von Patrik Forsgren. Die Schweden belegen Rang zwei hinter der „Matilda 4“ (Juss Ojala) und vor der „Sugar 3“ (Sandro Montefusco). „Es war zwar kalt in der Nacht, aber wir hatten Spaß. Die Entscheidung der Wettfahrtleitung, das Rennen bei Langeland abzukürzen, war richtig. Taktisch gab es allerdings wenig Optionen. Wir haben die ‚Sugar‘ durch die Nacht gejagt, hatten aber keine Chance mehr vorbeizukommen“, sagte Juss Ojala, der sich in dieser Wettfahrt zwar mit Platz zwei begnügen muss, aber weiterhin die Hand am Gold hat: „Wir wollen den Titel!“

Als beste deutsche Crew liegt die „Aquaplay“ von Max Habeck (Lesum) in der Klasse C auf Rang fünf. „Zur Langstrecke hatten wir endlich die Bedingungen, die wir uns für Kiel gewünscht haben. Am Sperrgebiet vor Kappeln haben wir einen ganz guten Move gemacht, leider sind aber auch die anderen Teams vor uns gut gesegelt, so dass wir nichts im Ranking gutmachen konnten“, berichtete Habeck.

Die Weltmeisterschaft wird mit den letzten Up-and-Down-Wettfahrten am Sonnabend entschieden. Geplant sind zwei weitere Rennen mit dem ersten Ankündigungssignal um 11 Uhr auf dem Stollergrund. Die feierliche Siegerehrung der ORC Worlds 2023 ist dann für 19 Uhr in der Sydbank Lounge im Olympiahafen von Schilksee terminiert.

Sonnenuntergang vor dem Spinnaker der schwedischen „Team Pro4U“, die in der Klasse C den Sieg auf der Langstrecke einfuhr und insgesamt auf Rang zwei liegt. © Sascha Klahn / ORC Worlds 2023

Quelle: ORC Worlds

Ergebnisse ORC WM Kiel 2023

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