Inflation, Stellenabbau, Krisen, Fachkräftemangel, Überalterung, Unsicherheit – die Schlagworte im Bezug auf Wirtschaftsmeldungen bieten oft keinen Grund zur Freude. Aber wie geht’s eigentlich der Bootsbranche? Wie sind die Aussichten für nächstes Jahr? Im Rahmen einer Pressetour hat die boot Düsseldorf und der Dachverband VMWD Zahlen, Daten und Fakten vorgestellt.

Portorož in Slowenien am vergangenen Freitag. Die Sonne lacht, Segler bereiten ihre Boote auf die Barcolana vor, eine deutsche Gruppe macht ihre SKS-Prüfung. Ein betriebsamer, belebter Tag in der Marina an der Adriaküste. Noch betriebsamer geht es im angrenzenden Gebäude der Marina zu. Zahlreiche Journalisten steigen aus einem Bus, der die Teilnehmer einer von der boot Düsseldorf organisierten Pressetour zur Präsentation bringt. Petros Michalidakis, Direktor der weltweit größten Bootsmesse und Karsten Stahlhut, Geschäftsführer Verband Maritime Wirtschaft Deutschland (VMWD), gaben in einer Pressekonferenz Ein- und Ausblicke.
„Kein Nachfrageproblem, sondern ein Strukturproblem“
Karsten Stahlhut beschrieb die Lage als „durchwachsen, aber stabil“. Zwar habe die Pandemie dem Markt einen kräftigen Schub gegeben, doch inzwischen habe sich das Wachstum deutlich abgeschwächt. Eine Studie zeigt jedoch, dass sich die Branche als resilient zeigt.

„Wir haben kein Nachfrageproblem, sondern ein Strukturproblem“, sagte Stahlhut. „Das Interesse am Wassersport bleibt hoch, aber die jungen Generationen wollen eher nutzen als besitzen.“ Tatsächlich zeigt die Statistik, dass die Zahl der Bootsführerscheine seit 2021 um mehr als 20 Prozent gesunken ist (100.000 in 2021, 78.000 in 2024). Gleichzeitig steigt das Durchschnittsalter der Bootseigner von 60 auf 62 Jahre – ein Zeichen für den wachsenden Generationswechsel und eine Überalterung im Markt.
Hinzu kommen konjunkturelle Belastungen: stabile, aber spürbare Inflation und hohe Zinsen zwischen 5,5 und 7 Prozent. „Das bremst Investitionen – bei Verbrauchern wie bei Betrieben“, so Stahlhut. Trotzdem bleibt der Gebrauchtmarkt lebendig, Refit- und Wartungsbetriebe sind ausgebucht, und Charterfirmen melden stabile Buchungen.
„Die Branche zeigt wieder Flagge“
Trotz aller Unsicherheiten sendet die boot Düsseldorf 2026 deutliche Aufbruchssignale. „Nach einer marktbedingten Flaute in den vergangenen zwei Jahren kehren viele internationale Hersteller zurück“, sagte Petros Michelidakis, Director der Messe. „Die Branche zeigt wieder Flagge – und das in Düsseldorf, der Nummer eins der Wassersportmessen.“

„Über 1.000 Boote und Yachten werden vom 17. bis 25. Januar in 16 Hallen präsentiert. Neben großen Serienwerften und Katamaran-Herstellern setzen viele Aussteller auf Innovation und Nachhaltigkeit: effiziente Elektromotoren, alternative Materialien und neue Rumpfkonstruktionen sollen den Kurs Richtung Zukunft markieren“ so Michalidakis.
Zudem betont er die zentrale Rolle der Messe: „Wer im Markt sichtbar bleiben will, kommt an der boot nicht vorbei. Hier treffen sich Profis, Händler und Endkunden – und hier wird die Saison vorbereitet.“
Generationenwechsel und neue Zugänge zum Wassersport
Während Stahlhut vor allem die Alterung der Kundschaft als Risiko sieht, setzt Michelidakis auf gezielte Nachwuchsförderung. In Halle 15 werden 2026 Regattasport, Segelverbände und Jugendinitiativen gemeinsam auftreten. „Wir wollen das Segeln stärker im sportlichen Angebot für Kinder und Jugendliche verankern“, sagt Michelidakis. Ein großer Dinghy-Hersteller konnte erstmals gewonnen werden – und mit interaktiven Stationen zum E-Sailing sollen auch digitale Zielgruppen angesprochen werden.
Stolz ist Michalidakis auf die Entwicklung bei den Klassenvereinigungen, die „in großer Zahl“ zurückkehren. War die Beteiligung vor allem im vergangenen Jahr sehr mau, sind für 2026 bereits jetzt 21 Vereinigungen gemeldet, es können auch noch mehr werden. Michalidakis freut sich sichtlich über diese Entwicklung: „Auch nach unserem Gespräch im Segelreporter-Podcast haben wir uns verstärkt darum bemüht und freuen uns auf eine lebhafte Segel-Community auf der boot 2026″. Kritik, solange sie konstruktiv ist, kann also gute Früchte tragen.

Stahlhut begrüßt die vielfältigen Ansätze: „Wir müssen neue Formen des Einstiegs schaffen – ob über Charter, Clubmodelle oder digitale Angebote. Wichtig ist, dass der Zugang leicht bleibt.“ Der Verband beobachte zudem, dass mehr Liegeplätze frei werden, weil ältere Eigner ihre Boote abgeben. „Das eröffnet Chancen für eine neue Generation – wenn wir sie dafür gewinnen.“
Auf Kurs Richtung 2026
Auch wirtschaftlich will die Branche an Fahrt aufnehmen. Michelidakis verweist auf eine deutlich bessere Buchungslage: „Unsere Hallen sind gut gefüllt, viele Marken kehren zurück.“ Ab dem 26. Oktober können Besucher die neue Ausstellerdatenbank durchstöbern – mit über 1.500 Anbietern aus 68 Ländern.
Für Stahlhut bleibt entscheidend, dass die Branche den Spagat schafft: zwischen Tradition und Wandel. „Wir haben eine stabile Basis, aber wir müssen uns anpassen – strukturell, technologisch und kommunikativ.“
Michelidakis sieht das ähnlich: „Die boot 2026 wird zeigen, dass die Branche nicht stagniert, sondern sich neu erfindet.“
Und so steht der deutsche Wassersport Ende 2025 zwischen zwei Kursmarken: 1. der Realität eines alternden Marktes und 2. der Hoffnung auf einen neuen Auftrieb. Wir würden gern 2. nehmen.
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