Braschosblog: Andrin Steiner und sein ultraleichter Baukran-Baum für 14500 Euro

Leicht ist schwer

Leicht ist schwer. Der Mastenbauer Andy Steiner in seiner Werkstatt am Bodensee mit dem 5,20 m langen und 8,5 Kilo leichten Großbaum. © Steiner Design GmbH

Lässig und stolz hält der gebürtige Schweizer, Mastbauarbeitsnomade und seit einer Weile am Bodensee tätige Peter „Andy“ Andrin Steiner“ ein 5,20 Meter langes Faserverbundbauteil unter dem Arm. Normalerweise werden so lange Großbäume von zwei Leuten getragen. Unbedingt, wenn es sich um handelsübliche Aluprofile aus dem Regal der Serienproduzenten mit Endbeschlägen und Rollenkästen aus quasi steinzeitlichem Aluminiumguß handelt. Dann wiegt so ein Trumm 35 bis 40 Kilo.

Ein Karbonbaum in heute üblicher Bauweise für ein Schiff wie die gerade in Hamburg entstehende „Bondi 36“ ist mit 14,5 kg weniger als halb so schwer. „Das ist schon besser, muss aber nicht sein“, meint Steiner. „Wenn man genau weiß, wo sich noch etwas weglassen lässt, wiegt der komplett mit Beschlägen aber nur ganze 8,5 Kilo.“ Mit den schrägen Streben sieht er dann allerdings aus wie der Ausleger eines Baukrans.

„Karbon Fasern statt Alu erleichtern die Arbeit, da man die Wandstärke viel genauer definieren kann. Abhängig von der Faser ist eine Lage Karbon zwischen 0,15 und 0,45 mm stark. Bei Aluminium darf eine Blechdicke von zwei Millimetern nicht unterschritten werden. Das Verlegen von Fasern ist viel einfacher. Der Konstrukteur muss bloß die Lastrichtung genau kennen“ berichtet der 60-jährige Mastbau-Experte.

Prototyp für Reichel/Pugh Maxi

„Die ersten Karbon Bäume, die ich 1995/96 für Pierre Fehlmann’s  ‚Grand Mistral’ Flotte, die acht Farr 82 Fuß Maxis, baute, hatten noch diamantförmige Querschnitte. Die waren bei den Whitbread Maxis in Aluminium gut. Erst für den Reichel/Pugh Maxi „Idea“ wurde von mir 2001 ein heute klassischer, tiefer Baum, entwickelt.“

Dessen Seitenansicht war in etwa rechteckig und mit der längeren Seite ans Maximum gebaut. Damals waren fünf Prozent des E-Maßes erlaubt. Also war der zehn Meter lange Baum 50 Zentimeter hoch und mit 13 Zentimetern gerade breit genug, um die Rollenkästen und andere Einbauten im Profil unterzubringen.

Dieses rechteckige Baumprofil wurde zum Prototyp für den aktuellen 8,5 kg Baum. Heute, gut ein Jahrzehnt später, ist er nach einigen Großbaum-Laminationsplänen und besseren Möglichkeiten in der Faserverbundtechnologie weiter. Man muss bloß genau wissen, wo das Material hingehört und wo mit den Ausschnitten Luft bleiben kann.

Der Steiner-Großbaum Version 2012

Bei diesem Baum wurde der bewährte Laminatplan an allen hoch belasteten Stellen, vorn am Lümmelbeschlag, Niederholer, an den Reffpositionen und hinten bei der Großschot beibehalten. Um nicht zu viele Risiken einzugehen, entstand das Laminat der Seiten aus relativ dicken Wandstärken. Um die Baumober- mit der Unterkante zu verbinden, wurde der Baum in bestimmten Abschnitten mit unidirektionalen Fasern und Hochtemperatur-Schaum in +/- 45 Grad gebaut.

Ein Baum ist am höchsten belastet wenn das Schiff bei starkem Wind auf raumem Kurs segelt, also in etwa 90 Grad wahrem Wind, 65 Grad scheinbarem Wind. Dann entsteht der größte Zug durch den Baumniederholer. Die Baumoberkante ist großem Druck und die Unterkante reichlich Zug ausgesetzt.

Erdmann Braschos

Sein Spezialgebiet umfasst Mega-Yachten, Klassiker, Daysailor und Schärenkreuzer. Mehr über Erdmann findest Du hier.

2 Kommentare zu „Braschosblog: Andrin Steiner und sein ultraleichter Baukran-Baum für 14500 Euro“

  1. Erdmann sagt:

    Alles schon mal dagewesen, klar. Bäume mit rechteckigem Profil, die an den Flanken ausgefräst und des Windwiderstands halber mit Folie beklebt wurden, gab es auch schon in Alu.

    Ich habe Steiner gestern nochmal gefragt: Der Kick bei seiner Entwicklung ist die kraftschlüssige Verbindung der seitlichen Streben mit den Baumober- und -unterseiten. Leider verrät er nicht, wie er die Karbonstreifen so untergebracht hat, dass die ultraleichte Konstruktion hält. Zur Erinnerung: bei enem unidirektionalen Gelege verlaufen die Fasern gerade, nicht in den wünschenswerten Radien, sodass die „Knoten“ nicht einfach wie bei einer geschweißten Metallkonstruktion in mehrere Richtungen beansprucht werden können.

    „So was zu ohne AC Budget zu entwickeln ist viel schwieriger als in einem gut gepolsterten Syndikat mit Forschungs- oder Basteletat zu arbeiten. Ich hatte für die Entwicklung kein Geld, habe aber lange nachgedacht“ erklärt Steiner auf Nachfrage.

    SR-Fan, das finde ich neben der Tatsache, daß der Baum nicht in einer angelsächsischen, italienischen oder französischen Epoxidharz-Hexenküche ausgedacht wurde, sondern am Bodensee, bemerkenswert. Endlich mal was neues, was an den Ideenreichtum des Speedwave-Gründers von Rudi Magg anknüpft.

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