Superyacht: Schwimmende 60 Meter Residenz von Perini Navi

Meereselefant

[media id=679 width=640 height=390] Ein 60 Meter Kasko wird in der türkischen Niederlassung der Superyachtwerft Perini Navi aus der Halle gerollt. Sind solche Monster noch Segelyachten?

60 Meter Perini Navi Slup

Der Vergleich zwischen normal großen Booten im Hintergrund des
Hafens von Viareggio mit dem Kasko zeigt die Dimensionen der 60 m
Slup. Die Strickleiter ist noch dran. © Perini Navi

Das Video vom „Roll out“ des 60 m Kasko in der türkischen Yildiz Werft wäre kaum bemerkenswert, würde Perini Navi nicht jahraus, jahrein und ziemlich unbeeindruckt vom ziemlich variablen Wasserstand des Wirtschaftslebens solche Meereselefanten auf der asiatischen Seite des Bosporus einwassern. Nun heißt es: anschäkeln und Gang rein.

Das Gespann dieselt durch das östliche Mittelmeer zur Straße von Messina und dann durch das thyrrenische Meer den Stiefel entlang zur toskanischen Yachtbaumetropole Viareggio. Dort wird seit den 80er Jahren ein Rohbau nach dem anderen gespachtelt, geschliffen, lackiert und zu Motorseglern der Marke Perini Navi veredelt. Die Strickleiter bleibt bei der Abfahrt in Istanbul gleich außenbords hängen. So kommt die Überführungscrew unterwegs leichter an Bord, um zu gucken, wie viel Wasser in der Bilge schwappt.

Wenn Pötte wie die 88 m lange „Maltese Falcon“ zu groß für Viareggio sind, bauen die Türken das Boot gleich ganz fertig. Die Hafeneinfahrt von Viareggio ist mit etwa fünf Metern flach, der Hafen voll und dann muss der Rohbau auch noch in das hintere Becken des Darsena Italia.

Rendering der 60 m Perini Navi

Rendering der 60 m Slup unter Segeln. Mit dem vollautomatischen
Segelmanagement hat Perini Navi einige Erfahrung.
© Perini Navi

Baunummer 2218 ist die 54ste Perini Navi und das zweite Exemplar des neuen 60 m Modells. Der Ron Holland Entwurf wird als Slup oder Ketsch angeboten. Neuerdings werden die Rümpfe aus Aluminium statt Stahl geschweißt. So soll die neue 60 m Serie etwa so schwer sein, wie die früheren 52 m Schiffe.

Die Zeiten, zu denen man in Viareggio erst nach dem Einwassern probehalber wusste, wo den Meereselefanten der Wasserpass auf den Bauch zu  malen ist, sind vorbei. Geschichte sind auch die klobigen und schweren Traveller zum Schoten des Fisherman Stagsegels am Top des Besanmastes.

Sind das noch Segelboote?

Es gibt Segler, die vehement abstreiten, dass es sich bei diesen schwimmenden Residenzen um Segelboote handelt. Ich hatte mal das Vergnügen dieser Frage nachzugehen und auf der Flybridge eines solchen Schlittens die Knöpfe zu drücken.

Schwimmenden Residenz Perini Navi

So wird das Schiff 2014 als Slup getakelt aussehen. Die silbern lackierten Aufbauten mit der dunklen Panorama Verglasung des Deckshauses kaschieren die wuchtigen Proportionen der schwimmenden Residenz
© Perini Navi

Der Aufenthalt ein paar Meter über dem ligurischen Meer erinnerte ein wenig an Butterschiff fahren. Aber es macht Spaß, die vielen Joysticks an einem Steuerstand zu bedienen, der einem Mischpult ähnelt. Die Handhabung erinnert allerdings eher an das Dirigieren einer Modelleisenbahn.

Vielleicht muss man siebzig Jahre alt sein und Berlusconi, Murdoch oder Perkins heißen, um sich für so einen Schlitten zu begeistern –  und ihn auch bezahlen zu können. Interessant ist der Blick in diese spezielle Nische des Yachtsbaues aber schon. Mit dunkel lackierten Rümpfen und hellen Aufbauten gelingt es der Werft, die wuchtigen Proportionen zu kaschieren.

Als Freund des Ankerns könnte ich mir gut vorstellen, auf so einer Luxusdatsche ein paar Tage in einer schönen Bucht im sonnigen Süden zu verbringen. Dank vieler Tonnen Diesel und Frischwasservorräte kann man lange fort bleiben.

Erfolg mit dicken Pötten

Der Erfolg des toskanischen Maschinenbauers Fabio Perini gibt ihm recht. Im Unterschied zu dem einen oder anderen Landsmann verdient der clevere Fabrikant mit dem Bootsbau Geld. Perini baut für Eigner, die das Segelboot nicht neu erfinden wollen, sondern ein Jahr nach Besichtigung des Rohbaues die Joysticks für einen Frühjahrstörn durch das toskanische Archipel bedienen möchten.

„Importance and size are brothers“, bemerkte Harold „Mike“ Vanderbilt einmal, einer der größten Müßiggänger unter der Sonne. Vanderbilt vertrieb sich die Zeit mit bridgen und der erfolgreichen Verteidigung des America’s Cup. Er verstand etwas von der menschlichen – und männlichen Psyche.

Das Schiff Perini Navi Baunummer 2218

Kielschwert Slup aus Aluminium, Entwurf Ron Holland, Länge 60 m, Wasserlinie voll beladen 50,40 m, Breite 11,40 m, Tiefgang variabel 4,30 bis 12,30 m, Rumpfgeschwindigkeit 15,5 kn, Verdrängung voll beladen 570 t, 47.500 l Sprit, Frischwasser 12.000 l, 35 Millionen Euro segelfertig zuzüglich MwSt.

Die Werft Perini Navi

Perini Navi begann 1983 zunächst als Ingenieurbüro zur Entwicklung von selbststauenden und fehlbedienungssicheren Motorwinschen. Die Entwicklung eines befriedigend funktionierenden Prototypen dauerte ein Jahr und wurde 1984 auf Perinis eigener 40 m Ketsch „Felicita“ eingebaut. Dieser Dick Carter Entwurf war zuvor bei der Ortona Navi Werft an der italienischen Adriaküste zwischen Ancona und Bari entstanden.

Es wurde zunächst noch mit Drahtschoten experimentiert, die bei erster Gelegenheit durch weniger gefährliche Hightech Ware ersetzt wurden. Bis heute setzt Perini auf große Fertigungstiefe (eigene Motorwinschen, Masten, Rollanlagen, Sensoren nebst Software zur Überwachung) und die aufwändige Automatisierung des Segelmanagements.

Neuerdings arbeitet die Werft auch mit externen Konstrukteuren wie Ron Holland oder Philippe Briand und lieferte neulich für das italienische Vertriebsbüro Nauta das erste Kompositboot. Perini Navi hat einen Marktanteil von 50 Prozent bei großen Segelyachten der 45 m Plus Kategorie. Derzeit beschäftigt sich die Werft mit fünf Booten von 38 bis 70 m Länge. Die 60 m Slup soll 2014 aufgetakelt werden.

Erdmann Braschos

Sein Spezialgebiet umfasst Mega-Yachten, Klassiker, Daysailor und Schärenkreuzer. Mehr über Erdmann findest Du hier.

2 Kommentare zu „Superyacht: Schwimmende 60 Meter Residenz von Perini Navi“

  1. Ich denke mal, dass eine doppelte Wellenanlage zeigt, woher der Dieselwind weht: ‚Sieht nach Segler aus, wird aber wie ein Mobo gefahren‘. Sprich: Bei 2-3 bft wird mal ein Segel ausgerollt, ansonsten brummt der Brocken unter Maschine(n) vor sich hin.
    Und Eleganz zeigt zwar der Rumpf, aber diese Motoryacht-Aufbauten gehen mal gar nicht, egal ob silber lackiert oder sonstwas. Segelyacht? Nun ja, mit Abstrichen.

  2. matjaz sagt:

    Sind solche Monster noch Segelyachten?
    Ja sicher, denn sonst könnte ich diesen Artikel nicht hier auf SR lesen! Danke.

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