Einjährige Entwicklungszeit
Die Kielfinne entstand aus mehreren Segmenten miteinander verschweißten Duplex-Stahlplatten. Hierbei handelt es sich um eine besonders feste, außerdem seewasserbeständige Nirolegierung mit einem Chromgehalt von 22 bis 25 Prozent und einer sogenannt austenitisch-ferritischen Struktur. Da Duplex 2205 nicht in der gefragten Wandstärke erhältlich war, mussten die Kielbauer in ihrer Produktion südlich von Treviso zehn Monate auf die Sonderanfertigung der Platten warten.
Der Bestellung war eine einjährige Entwicklung des Kiels vorangegangen. Die teilweise hohle Kielfinne ist eine komplexe, aus mehreren Kammern bestehende Struktur, die ab halber Höhe drei 4 ½ Meter lange Hydraulikzylinder zum Anheben oder Absenken des Kiels enthält und achtern eine zweiteilige insgesamt 3,80 m hohe und drei Quadratmeter große Trimmklappe.
Zum Verschweißen der Kielkomponenten kam eine eigens modifizierte Unterpulver Schweißanlage zum Einsatz, die das zuvor eingekerbte Metall bei vorteilhaften Bedingungen miteinander verband. Ein rechnergesteuerter Schweißkopf arbeitete sich weitgehend automatisch die vielen Nähte entlang. Dabei wurden die tonnenschweren Niroplatten in den Klemmbacken einer Art überdimensionierter Drehbank gehalten. Die Arbeitsposition sollte einwandfreie, dauerhaft haltbare Schweißnähte gewährleisten.
Im nächsten Schritt verwandelte eine bis zu 0,01 Millimeter genaue Fünfachsfräse den Rohling in das vorgegebene NACA Profil. Auch der Blei-Torpedo erhielt, nach Vorgaben des kalifornischen Konstruktionsbüro Reichel-Pugh in Zusammenarbeit mit dem Holländischen Spirit of Tradition und Tall Ship Spezialisten Dykstra & Partners in der Fräse seine ideale Form.
Bleibombe mit Knautschzone
Bei einer Grundberührung würde die unnachgiebige Niroklinge den Rumpf aus ultraleichten Faserverbundwerkstoffen aufschlitzen wie ein Dosenöffner. Die erheblichen Kräfte auf die Kielwurzel, in diesem Fall die hintere Bordwanddurchführung der Finne, lassen sich nur teilweise mit entsprechenden Materialzugaben auffangen. Deshalb erhielt „Hetairos“ eine Bleibombe mit vorn eingebauter Knautschzone.
Die 18 t Nase besteht aus reinem Blei, das sich eher verformt als das im Yachtbau üblicherweise verwendete Blei mit dreiprozentigem Antimonanteil. Daraus entstanden die hinteren 42 t der Ballastbombe.
Außerdem erhielt die „Knautschzone“ seitlich angeordnete Rippen, die beim Aufprall eine Verformung begünstigen. Während einer Finite-Elemente-Analyse wurde der Entwurf im Rechner als frei fliegendes Modell mit verschiedenen Geschwindigkeiten gegen ein Hindernis gejagt und die Kollision hinsichtlich Deformation des Materials und Schlagdämpfung untersucht. Matteo Caglieris von APM geht von einer um 40 Prozent besseren Absorption gegenüber üblichen Kieltorpedos aus.
Es krachte bei der St. Barths Bucket Regatta
Der Aufwand hat sich gelohnt. Denn während der St Barths Bucket Regatta nahm „Hetairos“ die Insel Petit Groupers etwas eng, sodass es acht Monate seit dem Einwassern bereits krachte. Die Grundberührung bei etwa acht Knoten soll glimpflich abgegangen sein. Nun muss bloß eine neue Knautschzone her.
Da sich die Kielnase vorne nicht mal eben wie beim Wechsel der Opferanoden bei normalgroßen Booten mit einem Schraubenschlüssel und Taucherbrille ambulant im Hafen anbringen läßt, muss „Hetairos“ aus dem Wasser genommen werden.
Dieses Beispiel seewasserbeständigen Sondermaschinenbaues mag extrem aufwändig erscheinen. Aber zum Vergleich: die seit 2004 im Chartereinsatz segelnde 75 Meter Slup „Mirabella V“, sie heißt seit ihrem Verkauf „M5“, ist mit einem mehr als doppelt so schweren, 150 Tonnen Hubkiel unterwegs.
Kiel im Wert einer 60 Fuß Swan
Das Anheben des Ballasts aus über zehn Metern Segelstellung auf vier Meter Badebucht- oder Hafentiefgang dauert sieben Minuten. Auch hier ragt die Kielfinne oben aus dem Schiff, in diesem Fall den Flybridge-artigen Aufbau.
Da stört die Finne beim Abendessen an Deck nicht so sehr. Aber dieser Nachteil muß bei „Hetairos“ in Kauf genommen werden. Zum Glück ist das Finish des elektropolierten Kiels durchaus ansehnlich.
Und was kostet der Spaß? Genaue Zahlen gibt es, werden aber nicht bekannt gegeben. Insider murmeln, dass man für diese Sonderausführung seewasserbeständigen Kielmaschinenbaues eine ansehnliche Immobilie in ausgezeichneter Großstadtlage bekommt, oder eine werftneue 60 Fuß Swan. Segelfertig, einschließlich Mehrwertsteuer.
Technische Daten der “Hetairos”:
LOA: 66.9 m
LWL: 49.8 m
Breite: 10.5 m
Tiefgang: 9.5 m
Gewicht: 220 t
Am-Wind Segelfläche: 2.620 qm
Immer wieder gut der Braschos
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Das ist wirklich “inside” – und macht SegelReporters Nachsatz wirklich alle Ehre. Danke für die tolle Story!
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Ich bin beeindruckt! Sehr gut und professionell recherchiert und so einfach zu lesen.
Einfach Klasse! Danke!
P.K.
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interresanter artikel und gewaltige Dimensionen.
Danke!
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Danke für die Info zur der Kielkonstruktion und den Vorkehrung, welche von Designer, Werft und Spezialisten entworfen, geplant und gebaut worden sind. Schön, dass sich der investierte Gehirnschmalz bei der Vorbereitungen auf das Kiel vs. Rock Szenario mehr als gelohnt hat.
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Interessant ist, daß bei den aus dem Hirnschmalz und Computeren entstandenen theoretischen Zeichnungen immer 6 Kerben vorgesehen waren, aber bei der Ausführung nur 4 verbaut wurden. Am Geld hat es sicher nicht gelegen…
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Schließe mich an, die Verpflichtung Braschos’ ist ein echter Gewinn für SR.
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