Atlantik-Törn: Wie Boris Herrmann mit Greta Thunberg zum großen Schlag ausholt

„Die ersten Tage können ungemütlich werden“

Boris Herrmann und Greta Thunberg segeln ab heute zusammen über den Atlantik. Einer der besten deutschen Hochseesegler und die schwedische Klimaaktivistin. Was als gut getimter PR-Coup mit zwei spannenden Hauptdarstellern begann, ist zu einem medialen Großereignis geworden.

Als ich heute Morgen um acht Uhr die Mayflower Marina in Plymouth erreiche, sind die ersten Kamerateams bereits vor Ort, WELT TV hat seinen Posten direkt vor dem Büro des Hafenmeisters bezogen, an Bord der „Malizia“ ist die BBC dabei, ein Live-Interview mit Boris Herrmann vorzubereiten.

Boris Herrmann, Greta Thunberg

Boris und Greta an Bord. © Team Malizia

Rund 100 internationale Journalisten werden in der kleinen Marina erwartet. 
Es regnet ergiebig, dazu weht ein heftiger Westwind, der die Wellen über den Steg schwappen lässt, an dem die „Malizia“ liegt. Während Boris via Skype mit der Tagesschau spricht, räumen zwei Helfer des Teams das Cockpit auf und bereiten die Yacht endgültig für den Start zu dem besonderen Törn vor. Beide sind Freiwillige aus Plymouth, Segler, die von der Aktion so fasziniert sind, dass sie dem Team ihre Hilfe angeboten haben.

Auf dem Weg zum Wetterbriefing spricht der Skipper über die bevorstehende Überfahrt

Wie sieht die Wetterprognose für die kommenden Tage aus?


„Derzeit zieht eine Kaltfront durch, danach weht der Wind aus Nordwest mit 15 bis 20 Knoten. Wir werden für 24 bis 30 Stunden hoch am Wind segeln, dann wenden und in nordwestliche Richtung segeln. Dabei erwarten wir einen moderaten Wellengang von zwei Metern.“

Kann ungemütlich werden auf dem IMOCA. © Andreas Lindlahr Team Malizia

Das sind nicht gerade sanfte Bedingungen für den Start.

„Nein, aber Greta war in den letzten Tagen an Bord und weiß, was auf sie zukommt. Die ersten Tage könnten ungemütlich werden, hoffen wir, dass sie nicht seekrank wird. Und wenn doch, haben wir Medikamente dagegen an Bord.“

Wie sieht eure weitere Routenplanung aus?


„Auf unserem Weg liegen fünf Tiefdruckgebiete, wir werden versuchen eine südlichere Route zu fahren, um einigermaßen ruhig zu fahren. Vermutlich werden wir in einer Zickzacklinie über den Atlantik fahren, um immer wieder den Druck rauszunehmen.“

Malizia auf dem Sprung. © Andreas Lindlahr Team Malizia

Was werdet ihr während der Überfahrt machen?


„Pierre und ich werden das Boot segeln, zum Zeitvertreib mit der gesamten Crew haben wir Karten- und Würfelspiele dabei, außerdem werden wir lesen und uns hoffentlich gut unterhalten. Über den drohenden Klimawandel und das, was jeder Einzelne dagegen tun kann.“

Hast du dein eigenes Leben verändert, um aktiv deinen „Carbon Foodprint“ ein wenig zu verkleinern?


„Ich habe schon vor zehn Jahren gesagt, dass ich nicht zum Surfen nach Bali fliegen muss. Inzwischen überlegen wir uns privat sehr genau, wann wir ein Flugzeug nutzen oder ob es nicht ein alternatives Verkehrsmittel gibt, außerdem haben wir unseren Fleischkonsum eingeschränkt. Im Team „Malizia“ haben wir ausgerechnet, dass wir ihm Jahr 2018 eine CO2 Bilanz von über 40 Tonnen hatten. Um das zu reduzieren, halten wir unsere Teamkonferenzen nun öfter per Video ab.

Greta Thunberg bei der Pressekonferenz. © Sandra Valeska Bruhns

Zudem haben wir einen Sponsor gefunden, der den CO2 Ausstoß unserer Kampagne dieses Jahr und im kommenden Jahr, wenn ich bei der Vendée Globe starten werde, mit dem Anbau von Mangroven kompensieren wird.“

Kritiker argumentieren zu Recht, dass der Emissionsverbrauch der rund 100 Journalisten, die extra für den Start deines Törns mit Greta nach Plymouth gekommen sind, um ein Vielfaches höher ist, als wenn Greta selbst nach New York geflogen wäre. Wie geht ihr mit diesem Vorwurf um?

„Es geht darum, Aufmerksamkeit für ein Thema zu erzeugen, das uns alle angeht. Dass der Medienrummel hier im Hafen immens wird, hat uns das Team von Greta im Vorfeld prophezeit, die sind seit rund 10 Monaten dabei, das internationale Medieninteresse zu bewältigen.“

Greta im Bugkorb. Ob das auf der Überfahrt ihr Lieblingsplatz wird? © Team Malizia

Die Abfahrt von Boris Herrmann, Pierre Casiraghi, Greta Thunberg und ihrem Vater Svante sowie Dokumentarfilmer Nathan Grossman ist für heute, 16 Uhr deutscher Zeit geplant. Aufgrund der Tide wird das Schiff nicht direkt am Steg liegen, so dass die Crew mit einem kleinen Schlauchboot übersetzen muss.

Kurzfristig ist es den Organisatoren gelungen, ein Rib mit einem Torqeedo Blue Motor zu organisieren, so dass sogar dieser kleine Weg ohne Emissionsausstoß durch einen konventionellen Außenborder zurückgelegt werden kann.

Der Dieselmotor an Bord der „Malizia“ ist für die Dauer der Reise verplombt, die nötige Energie wird über extra vergrößerte Solarkollektoren und Hydrogeneratoren erzeugt. Christoph Ballin, CEO und Gründer von Torqeedo, der seinen Urlaub in Schottland kurz unterbrach, um beim Ablegen der „Malizia“ dabei zu sein, sagte: „Ich wünsche Boris viel Glück für die Reise. Diese Aktion zeigt doch, was alles an Emissionseinsparungen geht, wenn man es nur will.“

Auch, wenn  nicht jeder Gelegenheit hat, für einen Trip nach New York zwei Wochen einzuplanen. Thunberg ist zur Gallionsfigur einer Bewegung geworden, die es geschafft hat, dass überall über den Klimawandel diskutiert wird. In Kombination mit Segelprofi Boris Herrmann profitieren beide Seiten: Sie bekommt eine einmalige Reise auf einer Hochseerennyacht über den Atlantik, er hat es geschafft, dass jeder weiß, wer der deutsche Vendée-Globe-Aspirant Boris Herrmann ist.

50 Kommentare zu „Atlantik-Törn: Wie Boris Herrmann mit Greta Thunberg zum großen Schlag ausholt“

  1. avatar Marlisa sagt:

    Jeder glaubt, zu seh´n mit Klarheit
    in allem, was er sieht, die Wahrheit.
    Wahr ist, dass jede-r etwas sieht,
    und das doch meist mit Unterschied.
    Der Wahrheit selbst ist das egal,
    die ändert sich von Fall zu Fall.
    Und die Moral von der Geschicht:
    Lebt friedlich, g´sund und knuddelich.
    (von mir, 16.8.2019)

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