Frachtsegler: 52m Grain de Sail II auf Jungfernfahrt nach New York – CO2-frei über den Atlantik

Leinen los für den Törn in die Zukunft

Der erste große Frachtsegler-Neubau dieses Jahrtausends hat zur Jungfernfahrt abgelegt: Die 52 m lange Grain de Sail II soll bei ca. zehn Fahrten über den Atlantik per Anno 1.500 Tonnen Kakaobohnen, Weine, Rum und mehr transportieren. Ohne CO₂-Emissionen, versteht sich. 

Vielleicht geht es Ihnen auch so: Wenn der Autor dieser Zeilen auf Reisen und in der Nähe eines Meeres oder Ozeans ist, dann zieht es ihn immer zunächst in die Hafenstädte – Ehrensache, als Segler! Und dort logischerweise in die Hafengebiete. Nein, ausnahmsweise mal nicht zu den Wassersport-Steganlagen, sondern bevorzugt an die Kais, wo die großen Pötte anlegen.

Wo Be- und Entlade-Aktivitäten, pardon: das Löschen der Ladung den Tagesrhythmus bestimmen, wo riesige Schiffe im Trockendock zur Reparatur dösen, wo die Möwen gegen den Lärm der Kräne und Stapler ankreischen und wo ein unverkennbarer Duft nach Diesel- und Schweröl-Emissionen, gammeligem Fisch mit einer Kopfnote aus Fernweh und Exotik vorherrscht.

Und weil die meisten großen Industrie- und Gewerbehäfen heutzutage auch etwas auf ihr Image geben, stößt man dort immer öfter auf kleine Museen oder Informationsbüros, wo etwas über die Geschichte der jeweiligen Häfen vermittelt wird.

Zurück in die gute, alte Zeit?

Wo häufig diese wunderbaren, alten Fotografien aus den vermeintlich guten, alten Zeiten hängen. In denen nicht hoffnungslos überdimensionierte Containerriesen als Zeugen der genormten Globalisierung das Hafenbild bestimmten. Sondern Segelschiffe, die mit ungleich weniger Fracht be- oder entladen wurden, dafür aber umso zahlreicher, teils sogar „im Päckchen“, an den Kais lagen. Was waren das doch für Zeiten, als statt öder, genormter Containerberge ein regelrechter Dschungel aus Masten, angeschlagenen Segeln, Wanten, Rahen und Krähennestern die Augen des Betrachters verwöhnten.

Die beiden Grain de Sail-Schiffe/Boote nebeneinander am Kai von St. Malo © grain de sail

Nun, im ganz kleinen Rahmen könnte dieses – zugegeben etwas idealisierte – Bild aus längst vergangenen Zeiten in den kommenden Jahren wieder aufleben. Zwar nur in wenigen Häfen und das auch nur, wenn der Zufall es will und gerade mehrere Segelschiffe zur gleichen Zeit am gleichen Ort ihre Ladung löschen oder bunkern. Aber träumen wird man ja wohl noch dürfen, oder?

Auf Jungfernfahrt

Man kann die obigen Zeilen auch in einer kurzen Information zusammenfassen: Die Grain de Sail II ist zu ihrer Jungfernfahrt nach New York losgesegelt.

Sie erinnern sich? Bei SR haben wir schon öfter über die bretonischen Patissiers-Zwillinge Olivier und Jacques Barreau geschrieben, die bereits vor mehr als einem Jahrzehnt begannen, ihre Kakaobohnen, Rum und Zucker aus der Karibik und aus Südamerika ausschließlich unter Segeln nach Frankreich transportieren zu lassen.

Nachdem die Gebrüder Barreau mit ihren Schokoladen, Pralinen, Torten und sonstigem, allerfeinstem Süßzeugs, deren Rohstoffe unter Segeln transportiert wurden, reichlich Erfolg hatten, gingen sie vor vier Jahren einen Schritt weiter. Sie gründeten ein Logistik- und Transportunternehmen, das ausschließlich Güter auf Segelschiffen transportieren soll, und legten die Grain de Sail I auf Kiel. 

52 m lang, über 300 Tonnen Zuladung, zwei Kräne © grain de sail

Dieser Frachtsegler mit den noch bescheidenen Ausmaßen eines IMOCA (60 Fuß) pendelt bereits im dritten Jahr über den Atlantik und transportiert Waren aller Art.
Und da sich immer mehr Unternehmen für diese im Prinzip nahezu emissionsfreie Transportmöglichkeit über den Atlantik interessieren und immer mehr Endkunden Wert auf Umweltverträglichkeit legen, kam relativ rasch genügend Geld zusammen, um die Grain de Sail II in Angriff zu nehmen. (SR berichtete).

1.500 qm Segelfläche am Wind

Womit die Ära der tatsächlich großen, neuen Frachtsegler dieses Jahrtausends unweigerlich begonnen hat: 52 m Länge über alles, 10,7 m Breite, 1.500 qm2 Segelfläche am Wind, Verdrängung 300 t sind die Eckdaten für dieses Schiff, das man nun getrost als solches bezeichnen darf.

Gebaut von der französischen Werftengruppe Piriou (Stammbüro in Concarneau/Bretagne, mit Werften in Rumänien und Vietnam), entstand der Rumpf der Grain de Sail II in Ho-Tchi-Minh-Stadt. Danach wurde das Schiff nach Concarneau sowie zum Innenausbau und zum Setzen der Masten (Lorima/Lorient – 48 und 42 m Länge)  in den Heimathafen St. Malo gebracht.

Mit der Grain de Sail II werden Frachtkapazitäten erreicht, die nach Aussagen der Gebrüder Barreau auch ökonomisch Sinn ergeben und das Schiff (Kostenpunkt: ca. 15 Millionen Euro) in relativ kurzer Zeit amortisieren werden.

Im Vergleich zur ersten Grain de Sail wird die Ladekapazität von 50 auf 350 t steigen. Außerdem sind höhere Etmale möglich (12-13 kn), was wiederum die Reisezeit von durchschnittlich 25 auf 16 Tage für eine Atlantiküberquerung reduzieren wird. Die jährliche Ladekapazität soll von 100 t auf bis zu 1.500 t steigen.

Bei ersten Testschlägen vor St. Malo © Grain de Sail

Nur sechs bis sieben Personen werden nötig sein, um das voll automatisierte Frachtsegelschiff „über den Teich“ zu bringen. Zwei Wachen zu je drei Personen plus einen Smutje sollen Schiff und 1.500 qm Segelfläche am Wind im Zaum halten. Dabei helfen zwei riesige hydraulische Harken-Winschen mit bis zu 9 t Arbeitslast und einem Kräfteverhältnis von 86:1.

Kakao, Wein, Rum …

Speziell für Winzer aus dem Burgund und den Bordeaux-Gebieten sind temperierte Fächer unter Deck vorgesehen, in denen Weinfässer und -flaschen in der Atlantikdünung auf dem Hin- und Rücktörn reifen sollen.

Die gesamte Elektrik bezieht Strom aus Solarpanels und Hydro-Energieanlagen.

Zum Trimm des Schiffes (vor allem wenn es nicht vollständig beladen ist) werden Wasserballast-Tanks eingesetzt. Spezielle Filteranlagen sorgen beim Reinigen bzw. Leeren und Füllen der Tanks dafür, dass artfremde Flora nicht invasiv die jeweiligen Häfen „verunreinigen“ oder befallen.

Mastsetzen in St. Malo © grain de sail

Die Barreau-Brüder geben sich optimistisch, was die Zukunft ihres Logistik-Unternehmens und der angeschlossenen Patisserie anbelangt. Die Liste mit Interessenten für den Transport ihrer Produkte unter Segeln sei lang, dieses Jahr seien allein ein Dutzend Fahrten von Ost nach West und zurück vorgesehen.

Und um den Bogen zum Beginn dieses Artikels zu schlagen: Schon 2026 wollen die Grain de Sail-Bosse alle zwei Wochen von Saint Malo in Richtung New York starten. Wozu wiederum drei weitere Schwesterschiffe nötig wären – eines soll Gerüchten zufolge schon finanziert sein, mit dem Bau wird in Kürze begonnen.

Doch das ist erst der Anfang!

Klar, selbst mit dem größten Optimismus ergeben vier Frachtsegler, die neben- oder hintereinander am Kai liegen, bisher nicht den oben erwähnten Masten-Dschungel.

Doch noch ist hierfür nicht das letzte Wort gesprochen. Denn die Reederei und Schiffsagentur TOWT hat zwei 81 (!) Meter lange Frachtsegler der Phenix-Klasse ebenfalls bei Piriou bauen lassen. Sie werden in Kürze die Segel setzen und die Atlantikrouten befahren. Auch bei TOWT redet man bereits von erhöhtem Bedarf und dem Bau weiterer Frachtsegler – SR wird euch auf dem Laufenden halten!

Masten-Wald hin oder her: Bei allen Frachtseglern kann davon ausgegangen werden, dass der CO2 Fußabdruck um über 90 Prozent im Vergleich zu Schiffen mit Verbrennermotoren reduziert wird.

Und lässt genau das nicht jedes Segler-Herz höher schlagen?

Michael Kunst

Näheres zu miku findest Du hier

7 Kommentare zu „Frachtsegler: 52m Grain de Sail II auf Jungfernfahrt nach New York – CO2-frei über den Atlantik“

  1. Lasse sagt:

    Auch wenn ich es generell gut finde den Transport umweltfreundlicher zu machen frage ich mich ob solche Projekte der richtige Weg sind. oder ob bei diese Projekte nciht vorallem dem greenwashing der Kunden dienen:
    Wine einfache rechnung:
    Für den transport von 1500 t fracht von Rio nach Hamburg fallen konvetionell ca. 100T CO2 äquivalent an (Quelle carboncare.org)

    Allein für die 300T Stahl dieses Frachtseglers sind mindestens ca. 500T CO2 äquivalent ausgestoßen worden.

    Selbst ohne laufenden Ausstoß durch Generatoren, die sicher auch konventionell an Board sind, Motoren bei Flaute,.. braucht der Segler also 5 jahre um mit Konvetionellem Seetransport gelichzuziehen.

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    • Thomas sagt:

      Nach der Logik dürfte man kein einziges Windrad bauen…

      • lasse sagt:

        Nein. Ein Windrad hat nachweislich über seine Laufzeit einen sehr positiven CO2 impact. Das ist vielfach mit verschiedenen Annahmen und berechnungen nachgewiesen.
        Mag sein, dass das für dieses Schiff auch so ist, es fehlt aber jegeliche valide Berechnung. Und „ohne CO2 ausstoß“ wie es im Artikel heißt wird eben nicht stimmen.
        Und da der Transport mit großen Container Schiffen bereits extrem effizient ist, finde ich es völlig validezu hinterfragen, ob hier wirklich CO2 eingespart wird.

        • alikatze sagt:

          Lasse, Deine Anmerkung ist absolut berechtigt und es ist richtig und gut, dass man diese Aspekte gelich mitdenkt. Allerdings ist auch das „Machen“ hier ein Aspektm, den ich nicht unterschätzen möchte. Erst in der Praxis wird sich zeigen, ob der Aufwand sich für die Umwelt loht und ob wir bereit sind, entsprechende Frachtraten zu zahlen.
          Containerriesen werden wir damit nicht ersetzen – alleine das Transportkonzept macht das schon schwer. Aber im Nahbereich, also entlang der Küste, auf die Inseln etc. können die kleineren Segler sicher ein paar LKW ersetzen.
          Ich finde es spannend und freue mich über jeden (erstmal in der Umsetzung) gelungenen Versuch, etwas zu unternehmen, was die Umwelt entlastet.

    • PL_mika.x sagt:

      Hallo
      verstehe den vergleich nicht. Das andere Frachtschiff wurde doch auch gebaut ? Wenn dann bitte das ganze mal auf 10 Jahre mit allen Emissionen rechnen.
      Auch zu bedenken ist Wasser aus der Bilge was leider immer noch selten richtig entsorgt wird. die Schäden durch eingeschleppte Arten in den Ballasttanks könnte man auch rechnen.
      Super ideen die bestimmt in die richtige Richtung zeigen, wir werden dadurch aber keine Containerriesen ersetzen.

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      • lasse sagt:

        In der CO2e rechnung von carboncare.org sind die Emissionen durch Bau/Betrieb/Entsorgung enthalten. Genauso wie Entladung/Beladung,…
        Und ja, vielleicht ist der Frachtsegler am ende noch etwas besser nach 10-15 Jahren betriebszeit. Den Beweis sind sie schuldig, denn offensichtlich ist es auf jedenfall nicht, wenn man sich die rohen Zahlen ansieht.

    • MichaEL sagt:

      Die Stahlproduktion wird sich verändern (müssen). Stichwort Direktreduktion.

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