Jetzt beginnt wieder die Jahreszeit mit langen Leseabenden – an Bord oder daheim auf dem Sofa. Die Redaktion von SegelReporter.com hat etwas Lesestoff für euch zusammengetragen. Garantiert mit etwas Salzwasser zwischen den Seiten!
Das vergessene Abenteuer
Ulm im Jahr 1932. Der Hamburger Oskar Speck baut am Ufer der Donau ein Faltboot zusammen. Gebeutelt von der Weltwirtschaftskrise muss er sich umorientieren, Geld auftreiben. Sein Ziel: Zypern. Auf der Insel im Mittelmeer soll es in den Kupferminen gut bezahlte Arbeit geben. Also paddelt Oskar los, legt Kilometer um Kilometer auf der Donau zurück. Seinen Plan, der Donau bis in das schwarze Meer zu folgen, verwirft er unterwegs, nimmt stattdessen den wilden Vardar, den noch nie jemand mit einem Faltboot befahren hat und der in Griechenland in das Mittelmeer mündet. In Zypern angekommen, ist es längst um ihn geschehen – er paddelt weiter. Mehr als sieben Jahre, nachdem er in Ulm aufbrach, landet er im September 1939 auf der zu Australien gehörenden Insel Thursday Island. Doch die Welt hat sich verändert und Oskar Speck wird als Deutscher bis 1945 interniert. Seine Geschichte wird in den wirren des Krieges vergessen.
Der Debütroman von Tobias Friedrich basiert auf realen Ereignissen. Die Reise von Oskar Speck hat tatsächlich stattgefunden. Friedrich hat die Ereignisse der Reise akribisch recherchiert und in Romanform auf über 500 Seiten zusammengefasst. Natürlich ergänzt um fiktionale Elemente, schließlich handelt es sich um einen Roman und nicht um ein Sachbuch. Aber die Reise hätte so stattfinden können.
Eine unglaubliche Geschichte, die mich sofort in den Bann zog. Es ist das große Abenteuer, das verlockend auf dem Buchcover und dem Klappentext um Aufmerksamkeit buhlt. Das große Abenteuer, das direkt vor unserer Haustür beginnt. Die Reise wird zwar nicht unter Segeln zurückgelegt, aber das sollte kein Grund für uns Segler sein, das Buch nicht zu lesen. Am liebsten möchte man während der Lektüre gleich mit dem Faltboot auf den nächsten Fluss und einfach nur los.
„Eine unglaubliche Geschichte. Eines der großen Abenteuer des 20. Jahrhunderts – von dem wohl die wenigsten je gehört haben.“
– Kai Köckeritz, SegelReporter.com
Tobias Friedrich
Der Flussregenpfeifer
C. Bertelsmann
2022
512 Seiten
24 Euro
Die verschollene Expedition
Wie Sir John Franklin auf der Suche nach der Nordwestpassage scheiterte, war lange ein ungelöstes Rätsel. In „Erebus“ fasst Michael Palin zusammen, was durch den Fund der Wracks bekannt wurde.
Im Sommer 2014 findet ein kanadisches Forschungsteam das Wrack der HMS Erebus. Mit diesem Schiff hatte Sir John Franklin 1845 nach der Nordwestpassage gesucht. Seit einer letzten Sichtung vor Grönland galt diese Expedition, zu der auch die HMS Terror gehörte, als verschollen.
Berichte von Inuit, Wrackteile und Gräber ließen ein Drama im Eis vermuten. Doch erst anhand der Funde der Erebus und der Terror 2016 lässt es sich rekonstruieren. „Erebus“ ist 2019 auf Deutsch erschienen und jetzt als Taschenbuch erhältlich.
Autor Michael Palin ist mit der Komikertruppe Monty Python berühmt geworden (unter anderem als Pontius Pilatus in „Das Leben des Brian“). Danach hat er sich einen Namen als Reisejournalist und Autor gemacht. Zeitweise war er Präsident der Royal Geographic Society.
Für „Erebus“ reiste Palin an Originalschauplätze von der Werft in Wales über Franklins zeitweiligen Wohnort Tasmanien bis zur Nordwestpassage. Seine eigenen Eindrücke und Gedanken tragen das Buch ebenso sehr wie seine umfassenden historischen Recherchen.
Ergänzt wird Palins dicht erzählter Text durch Illustrationen. Eine Weltkarte zeigt die Fahrten der „Erebus“, die bereits eine Antarktisexpedition im Kielwasser hatte, als sie in die Arktis aufbrach. Detailkarten vollziehen den Verlauf der letzten Reise nach, soweit er bis jetzt bekannt ist.
Reproduktionen von Gemälden und Daguerreotypien vermitteln einen Eindruck von den Beteiligten. Besonders bewegend sind Abbildungen von Fundstücken, darunter ein Gesangbuch und eine Schneebrille. Ein äußerst lesenswertes Buch.
„Michael Palin erzählt eine
dramatische Geschichte ebenso
spannend wie einfühlsam.“
– Jan Maas, SegelReporter.com
Michael Palin
Erebus: Ein Schiff, zwei Fahrten und das weltweit größte Rätsel auf See
Goldmann Verlag
München
2021
464 Seiten
14 Euro (Paperback)
Die dunkle Seite der Bretagne
Frankreich im Jahr 2014. An einem Strand in der Bretagne werden die Leichen einer jungen Frau und eines Säuglings angespült. Zeitgleich verschwindet ein Fischer mit seinem Boot spurlos auf See. Ronan Prad von der Gendarmerie Maritime übernimmt die Ermittlungen nicht ahnend, dass beide Fälle zusammenhängen.
Die Spur der Toten am Strand führt geradewegs in den „Dschungel von Calais“. Jene riesige Zeltstadt vor den Toren vor Calais, in der zu Spitzenzeiten mehr als 9.000 Migranten lebten und auf eine Weiterreise nach England warteten.
Doch die Ermittlungen führen Prad auch in seine eigene Vergangenheit, die durch einen tragischen Segelunfall geprägt wurde. Als während der Suche nach dem Fischer das Wrack eines Seglers am Meeresboden gefunden wird, beginnt Prad zu ahnen, welch große Auswirkungen seine Ermittlungen zu haben scheinen.
Kriminalromane aus der französischen Provinz sind nichts neues. Auch der Bretagne wurde bereits in einer Kriminalromanserie ein Denkmal gesetzt. Allerdings schlägt Christian Buder in „Der Dachs“ eine erfrischend neue Richtung ein und führt den Leser auch die wirklich dunklen Seiten der vermeintlichen Idylle vor Augen. So entwickelt sich aus der „Tote am Strand“-Einführung ein Politthriller, der unter anderem auf aktuelle gesellschaftspolitische Themen Bezug nimmt.
Meine Aufmerksamkeit erregte das Cover des Romans bei einer sommerlichen Visite der Buchhandlung. Es ist dem berühmten Foto des Leuchtturms La Jumet nachempfunden, um den sich die Wellen eines Sturms brechen. Wie das Originalfoto zog mich das Cover in seinen Bann und ließ mich auch den Klappentext lesen. Dieser versprach Spannung, ein charmantes Setting und sogar mindestens ein Segelboot. Auch die Andeutungen über den Dschungel von Calais erregten meine Neugierde. Ein Kurzbesuch in Calais im Herbst 2015 hinterließ bei mir eine bleibende, drückende Erinnerung.
Auch wenn die „Action“ in dem Buch an manchen Stellen etwas zu viel des Guten ist, handelt es sich bei dem „Dachs“ um ein äußerst lesenswertes Buch. Perfekt für lange Herbst- oder Winterabende an Bord oder daheim. Und endlich bekommen wir auch mal einen Kommissar, der auf einem (vor Anker liegenden) Boot lebt!
„Spannender Plot mit überraschenden Wendungen. Die dunkle Seite der Bretagne!“
– Kai Köckeritz, SegelReporter.com
Christian Buder
Der Dachs
Rütten & Loening
2022
462 Seiten
18 Euro (Paperback)
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