Neue Yacht: Daysailer Lütje35 von der Hamburger Yachtwerft

Norddeutsches Designerstück

LÜTJE 35 © Yachtwerft Lütje

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Nach neunmonatiger Bauzeit zeigt die Hamburger Lütje Werft einen 10,80 m Judel/Vrolijk Daysailer, der in Bezug auf den Komfort bereits ein Weekender ist.

Richtig schöne, stilsichere Daysailer können eigentlich nur Amis, Italiener oder Holländer – diesen Eindruck ergab das internationale Angebot bisher. Die auf der Elbe probegesegelte LÜTJE 35 zeigt, dass auch (Nord-)Deutsche das beherrschen: und zwar raffiniert anders, unverwechselbar, praktisch und ringsum schön.

LÜTJE 35 © Yachtwerft Lütje

LÜTJE 35 © Yachtwerft Lütje

Der Clou der LÜTJE 35 ist der Mahagoniaufbau. Dessen Flanke wird von weiß abgesetzten Schultern umrahmt. Das panoramaverglaste Dach bietet dennoch Licht unter Deck und Sicht nach draußen. Das getönte Acryl schützt vor Sonnenlicht und neugierigen Blicken. Diesen sehenswerten Aufbau dachte sich Jan Kuhnert vom Bremerhavener Büro Judel/Vrolijk & Co aus.

Die Schulter kontrastiert das dunkle Mahagoni der Aufbauseite und streckt ihn optisch. „Die Form paßt zum Mix aus klassischer Anmutung und zweckmäßig modernen Linien des Rumpfes“ erläutert Kuhnert. Im Unterschied zu den kastenförmig flachen Aufbauten ähnlicher Retroboote bietet er außerdem Volumen unter Deck.

Bemerkenswert ist auch das hintere Ende des Deckshauses. Anders als beim üblichen Übergang zur Plicht ragt er prominent als gerundeter Korpus ins Cockpit. Diese Machart betont die eigenständige Form und macht den Aufbau ringsum zum Designerstück.

LÜTJE 35 © Yachtwerft Lütje

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Die um zwei Achsen gewölbte Form wurde so mit Mahagonifurnier beschichtet, das sie aussieht wie aus einem Guß. „Man kann sowas nicht ohne weiteres bauen“, berichtet Jan Böhm von Lütje Yachts. „Der Faserverlauf setzt der möglichen Biegung Grenzen. Irgendwann bricht oder reißt das Holz. Furniere lassen sich streng genommen nur um eine Achse biegen. Abwicklungen, also Krümmungen um zwei Achsen sind schwierig.“

Nach Beschäftigung mit den möglichen Radien, der Materialstärke und Zahl der miteinander zu verklebenden Holzschichten wurden drei Lagen Sapeli-Mahagoni unter Vakkumdruck miteinander lamelliert verleimt und Intarsieren-genau zugeschnitten. Der fugenlose Übergang der von der Aufbaurückwand kommenden Maserung zum Faserverlauf des Daches zeigt die handwerkliche Raffinesse. Dieses Finish ist eher Instrumenten- oder Möbel- als Bootsbau.

LÜTJE 35 © Yachtwerft Lütje

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Die Rundung des Aufbaues ist auch unter Deck neben dem Niedergang sichtbar. Dort ragen die Seiten des Kubus – mattweiß wie die meisten Flächen des Interieurs – in die Kajüte. Der glänzend lackierte Mahagonirahmen des Niedergangs kontrastiert die weiße Schlichtheit unter Deck und wiederholt den Mix aus sehenswertem Handwerk und moderner Funktion.

LÜTJE 35 © Yachtwerft Lütje

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Abweichend vom zunächst vorgestellten Konzept wurde das Boot etwas breiter und hochbordiger. Das ergab aus ästhetischen Gründen eine Verlängerung um 60 Zentimeter auf 10,80 m. Diese Maßnahmen machen sich in der Kajüte der LÜTJE 35 bemerkbar. Obwohl sie für’s Auge und zum Genusssegeln entstand, bietet sie allerhand Platz und den Komfort einer Yacht: eine komplette Pantry mit Kühlbox, Herd, Spüle, eine Navigationsecke und im Salon zwei 2,20 m lange Kojen. Das Vorschiff vor dem Hauptschott blieb abgesehen vom Kleiderspind und WC leer.

LÜTJE 35 © Yachtwerft Lütje

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Unter dem geschlossenen Schiebeluk läßt sich annähernd, mit geneigtem Kopf, stehen. Dieser Komfort macht das Boot zum sommerurlaubstauglichen Weekender. Es ist alles an Bord, was ein Ehepaar für das verlängerte Wochenende, den Sommertörn durch die dänische Südsee oder rings um die Balearen braucht. Abweichend von den zunächst vorgesehenen 140 Amperestunden erhielt das Boot sogar 280 Ah Batteriekapazität zur Landstrom unabhängigen Versorgung der Kühlbox bei langen Schlägen oder ausgiebigem Ankern. Auch das macht den Daysailer zum Weekender und törntauglichen Boot für Segler, die Abends gern einen richtig temperierten Weißwein oder ein kühles Bier genießen.

LÜTJE 35 © Yachtwerft Lütje

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Das mattweiß gehaltene Interieur läßt die LÜTJE 35 unter Deck aufgeräumt und groß wirken. Den wünschenswerten Blick nach draußen bietet das vom Schiebeluk bis hinter den Mast reichende Skylightband.

Schön gemacht ist auch die niedrige, vorn knöchelhoch über das Deck ragende, achtern flachere Fußleiste. Sie umschließt das Teakdeck, bietet den Füßen Halt und ist breit genug für die formschön-zweckmäßigen Nomen-Klampen zum Vertäuen des Bootes. In die Fußleiste eingelassen sind auch pfiffige, per Tastendruck versenkbare Padeyes für die Fender. Sie sind wie die Klampen aus silber eloxiertem Aluminium. Schlichter und zweckmäßiger läßt sich ein Boot nicht ausstatten.

Derart ansehnliche Fußleisten kennt man von großen Einzelbauten. Der Deckssprung macht die Entwässerung des Decks hinter der Fußleiste Stelle erforderlich. Lütje ist zu lange im Thema, um so etwas zu vergessen.

LÜTJE 35 © Yachtwerft Lütje

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Das erste Exemplar der LÜTJE 35 ist dunkelblau. Die weiße Schulterdes Aufbaues korrespondiert mit dem weißen Wasserpaß. Dunkelblau, Weiß, Teak und Mahagoni – diese Farbwahl betont die klassisch schlichte Note des Bootes.

Auf Wunsch des Eigners erhielt es eine Radsteuerung mit einer bei größeren Yachten üblichen Steuersäule und Instrumentenkonsole. Bei diesem 35-Füßer bietet sich auch die klassische Pinne mit Ausleger an. Sie würde Platz und Gewicht sparen und ein noch direkteres Segelgefühl bieten. Der T-förmig tiefe Kiel mit unten angesetzter Bleibombe und das gestreckte säbelartige Ruderblatt unter dem U-spantig flachen Rumpf bieten die Segeleigenschaften eines modernen Bootes.

Unter Segeln macht das Boot viel Spaß. Es ist ein Genuß in der Plicht sitzend über das aufgeräumte Deck und den flachen Aufbau nach vorne zu schauen. Die LÜTJE 35 ist agil und liegt direkt auf dem Ruder. Kurskorrekturen werden über das gestreckte Ruderblatt prompt ins Wasser übertragen. Die Spantform läßt das Boot wie ein Regattaboot fast auf der Stelle drehen. Judel/Vrojilk hat der LÜTJE 35 für viel Wind und entsprechende Krängung eine spürbare, ans Reffen erinnernde Luvgierigkeit mitgegegeben. Das macht das Boot zum Allrounder, mit dem auch Einsteiger gut zurecht kommen.

LÜTJE 35 © Yachtwerft Lütje

LÜTJE 35 © Yachtwerft Lütje

Dank der nach achtern gepfeilten Salinge ist das Boot Back- und Achterstagslos unterwegs. Das macht die Handhabung für den Einhandsegler einfach. Praktisch ist auch der Verzicht auf den bei ähnlichen Daysailern installierten Klüverbaum. So läßt sich der Liegeplatz mit der LÜTJE 35 problemlos vorwärts ansteuern und das Boot ist über den Bug begehbar. Auch beim Ankern gibt es weder einen störenden Klüverbaum noch ein lästiges Wasserstag.

Leider ist das erste Exemplar der LÜTJE 35 nicht in Norddeutschland zu sehen, weil es seinen Liegeplatz im Real Club Náutico de Palma hat. Immerhin ist Mallorca zur Besichtigung und Probesegeln gut erreichbar. Ein zweites Exemplar ist mit längerer Plicht und entsprechend kürzerem Aufbau eher Daysailer als Weekender angedacht. Die Werft punktet mit der Möglichkeit, das Boot bis ins Detail auf eigene Bedürfnisse abzustimmen. Auch das unterscheidet die LÜTJE 35 von anderen Daysailern.

Mit der LÜTJE 35 ist dem norddeutschen Duo von Judel/Vrolijk und Lütje Yachts eine eigenständige Interpretation des Daysailers im charmanten Retrostil gelungen. Dieses Boot ist vom senkrechten Vorsteven in der Art englischer Lotsenkutter bis zum traditionell geneigten Yachtheck über dem gestreckt aus dem Wassergehobenen Achterschiff, vor allem aber mit seinem Designer-Deckshaus etwas Besonderes.

LÜTJE 35 © Yachtwerft Lütje

LÜTJE 35 © Yachtwerft Lütje

Raffiniert und praktisch ist die achtern in den Spiegel eingelassene LED Hecklaterne von Lopolight. Das ist aufwendig zu bauen, paßt aber zur schlichten Funktionalität des Bootes.

Werftchef Jan Böhm ist besonders stolz auf die LÜTJE 35, weil sein Betrieb die vergangenen Jahren ausschließlich Motoryachten im Retrostil gebaut hat. Die letzte Segelyacht war der 2009 in Betrieb genommene 47-Füßer „Marlene“. Stolz ist Böhm auch darauf, daß sich nach der ersten Präsentation des Konzeptes relativ rasch ein Auftraggeber fand und das Boot letztlich auch so zurückgenommen schlicht gebaut wurde. Die LÜTJE 35 ist segelfertig für 298.000 Euro einschließlich MwSt zu haben. Abgesehen vom 1,80 oder 1,60 m Festkiel läßt sich das Boot auch als Hubkieler bauen.

Gut möglich, daß der LÜTJE 35 auch größere Varianten folgen. Der angesehene Hamburger Holz- und Kompositsbootsbauer fertigt 100 Prozent Custom, das heißt auf Eignerwunsch hin maßgeschneiderte Sonderanfertigungen. Manchmal lassen sich Kunden von einem Lütje Neubau auch zu einer anderen Kreation nach eigenen Ideen begeistern.

LÜTJE 35 in Zahlen

Länge 10,80 m
Breite 2,75 m
Tiefgang 1,80 alternativ 1,60 m
Maschine 19 PS Yanmar Saildrive
Diesel circa 40 Liter
Verdrängung circa 3 t
Ballast/Ballastanteil 1,25 t/circa 42 %
Am Wind Besegelung circa 50 qm
Gennaker 60 qm
Preis einer segelfertigen LÜTJE 35 298.000 Euro inkl. MwSt
Konstruktion Judel/Vrolijk & Co.

LÜTJE 35 © Yachtwerft Lütje

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Yachtwerft Lütje GmbH

Die 1956 von Günther Lütje am ehemaligen Hamburger Holzhafen gegründete Werft machte mit Sonderanfertigungen wie dem 41 Füßer „Bird of Dawning“, dem 70 Füßer „Yasooda“ oder dem 47 Füßer „Marlene“ und manchem Retro-Motorboot (Classic Coaster Range, 40 kn Renner „Feara“ oder Edelbarkassen wie „Elbe Eins“) von sich reden.

Yachtwerft Lütje GmbH, Kaltehofe Hinterdeich 5-7, 20539 Hamburg,
Tel. 040 – 78 56 51, Kontakt: Jan-Hendrik Böhm, www.luetje-yachts.com

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