Podcast zum Nachlesen: SECUMAR-Chef Benjamin Bernhardt über Rettungswesten

„Schwimmwesten schwimmen, Rettungswesten retten.“

Benjamin Bernhardt, Geschäftsführer von Bernhardt Apparatebau/SECUMAR, war bei uns zu Gast im SR-Podcast. Er erzählt über die nun 100 jährige Firmengeschichte, wie Rettungswesten entwickelt werden, wann man sie anzieht und welche Fehler gemacht werden. Das gesamte Gespräch als bereinigtes Transkript in Textform.

(Bereinigtes, gekürztes Transkript – Podcast-Gespräch)

 

Das gesamte Gespräch, wie es dazu kam, dass Rettungwesten produziert worden sind und viele weitere Infos gibt es hier

Stephan Boden: Der 16.12.2025. Mit Riesenschritten geht es auf Weihnachten zu und wir haben eine reguläre Folge. Ich begrüße erstmal den „Pod“-Carsten hier in Hamburg. Hallo Carsten.

Carsten Kemmling: Moin.

Stephan Boden: Und wir haben heute einen Gast. Lange geplant, immer wieder verschoben – heute haben wir ihn endlich hier am Rohr. Hallo an den Geschäftsführer unseres Podcastpartners Benjamin Bernhardt. Hallo Benjamin.

Benjamin Bernhardt: Moin Stephan, grüß dich. Danke für die Einladung.

SB: Bevor wir über Rettungswesten sprechen: Ich habe gehört, bei euch wird nächstes Jahr im Januar gefeiert.

BB: Ja – und unter anderem.

SB: Ihr feiert ja sowieso immer das ganze Jahr. Aber nächstes Jahr wieder doller als sonst. Erklär mal: Firma wird hundert – aber nicht die Marke, sondern?

BB: Genau. Wir haben 2011 unser 50-jähriges Jubiläum gefeiert, allerdings das Jubiläum der Marke Secumar. Das Firmenjubiläum ist jetzt das hundertste im kommenden Jahr, weil die Stammfirma 1926 von meinem Urgroßvater gegründet wurde. Daher feiern wir 100 Jahre Bernhardt Apparatebau.

CK: Das ist ja cool.

SB: Was hat denn die Firma Bernhardt Apparatebau, als sie gegründet wurde, vor hundert Jahren gebaut? Was für Apparate waren das?

BB: Gute Frage. Mein Urgroßvater war gelernter Klempner. Der ist nach dem Ersten Weltkrieg mit seiner Kavallerieeinheit nach Hamburg gekommen und dann hier geblieben. Er wurde als Offizier bei einer Privatfamilie untergebracht – die Tochter des Hauses ist meine spätere Urgroßmutter. Und so blieb er in Hamburg und hat mit seinen Kenntnissen eine Firma gegründet: Ingenieur Carl Bernhard Apparatebau. Er hat Tauchapparate gebaut, diese ganzen Helmtaucherapparate – echte Apparate, mit allem, was dazugehört. Das war das Geschäft der Firma.

Die Anfänge der Firma Bernhardt Apparatebau. © Secumar.com

SB: Das war in der Admiralitätsstraße in Hamburg.

BB: Genau, da ging das los. Später ging es dann über Wedel nach Holm – über die Jahrzehnte.

CK: Ist das schon artverwandt mit Westen?

BB: Ja. Wir waren quasi unter Wasser und sind dann an die Oberfläche gekommen.

SB: Die hatten einfach keine Lust mehr zu tauchen – dann bleiben wir immer oben.

BB: Damals war es ja so: Man hatte keine Atemflaschen dabei. Die Atemluftversorgung kam von der Oberfläche. Da standen ein, zwei Leute und haben in so einem kleinen Vorratsspeicher gepumpt. Solange der Vorrat gereicht hat, konnten sie eine kleine Pause machen – aber sie mussten den Speicher immer wieder füllen, damit die Person unter Wasser atmen konnte.

CK: Krass. Ich habe mal im Museum sowas gesehen.

SB: Und das war praktisch 25 Jahre das Hauptprodukt eurer Firma?

BB: Genau – bis in die fünfziger Jahre rein. Im Wesentlichen die Helme, die mein Urgroßvater gebaut hat, plus die ganze Ausrüstung: Bleischuhe, Bleigürtel und diese Atemluftversorgung.

SB: Ich war ja schon ein paar Mal bei euch. Da sind solche Taucherausrüstungen zu sehen. Ich habe das immer als maritime Einrichtung verbucht.

CK: Ein bisschen kitschig.

BB: Ein bisschen Dekokram?

SB: Ja, genau.

SB: Ihr habt ja Produktion und Entwicklung bei euch in Holm. Erzähl mal: So eine Rettungsweste zu entwickeln – da steckt viel Testen drin. Wie geht das vor sich?

BB: In Europa gibt es erstmal die Verordnung für persönliche Schutzausrüstung – PSA. Die muss man erfüllen. Die Konformität stellt man über eine Baumusterprüfung fest: Die ersten Produkte aus der Serienfertigung werden durch unabhängige Stellen geprüft und zugelassen.

Diese PSA-Verordnung ist erstmal abstrakt: Wir müssen menschliches Leben retten – welche Risiken gibt es, was muss man dagegen tun? Dafür nimmt man Normen, die zu dieser Verordnung harmonisiert werden. Im Falle der Rettungswesten ist das die Normenreihe DIN EN ISO 12402. Da sind Prüfverfahren und Anforderungen an Materialien beschrieben. Das ist die Mindestanforderung – sonst darf man Rettungswesten in Europa gar nicht auf den Markt bringen.

Aber darüber hinaus – je nach Einsatzgebiet – kommen zusätzliche Anforderungen. Feuerwehr zum Beispiel: Die löschen auch in der Nähe vom Wasser, tragen aber ihre gesamte Brandschutzausrüstung, vom Helm bis zum Atemgerät. Das muss zusammen funktionieren. Und bei Hitze schmelzen Kunststoffe – also müssen die entsprechend geschützt sein.

SB: Mir ist schon warm manchmal.

CK: Kann schon mal passieren, wenn man am Lagerfeuer sitzt, an der Pinne.

BB: Ja.

SB: Und so Westen für uns Sportboot-Segler: Worauf kommt es an? Was macht eine wirklich gute Rettungsweste aus?

BB: Erstmal: Die beste Weste ist die, die man trägt. Man trägt sie nur, wenn sie komfortabel ist. Dann muss sie natürlich funktionieren.

Eine sehr leichte Weste trägt man vielleicht gern, weil sie nichts wiegt. Die hat aber möglicherweise nicht die Leistung, die man für den Einsatz braucht. Wir haben zum Beispiel eine sehr leichte, handausgelöste aufblasbare Weste für den Ruderbereich. Beim Rudern habe ich leichte Bekleidung und bin in Binnenrevieren unterwegs.

Wenn ich aber in Küstenrevieren segle und Ölzeug trage, brauche ich mehr Auftrieb, mehr Volumen – gegen die Lufteinschlüsse und den Auftrieb der Bekleidung. Das bedeutet automatisch größere Schwimmkörper und größere Patronen. Und dann wiegt die Weste mehr. Insofern: Sie muss angepasst sein an das Einsatzgebiet – und trotzdem komfortabel.

SB: Wir machen das immer so, wenn es wirklich warm ist und kaum Wind: Wir tragen natürlich auch immer Westen – schon weil, wenn du ein Kind an Bord hast, das eine Weste tragen muss.

BB: Ja.

SB: Das ist wie mit Helm auf dem Fahrrad. Dann trage ich auch immer so.

BB: Muss man irgendwie Vorbild sein.

CK: Guter Vergleich.

SB: Und wenn es zu warm ist, tragen wir manchmal Feststoffwesten.

BB: Das ist genau das, was ich meine: Für den richtigen Einsatz die richtige Weste. Natürlich kann ich eine Weste für alles nehmen, aber dann hast du genau so ein Szenario.

Die aufblasbare 275-Newton-Weste mit Licht und Sender ist mit Ölzeug wunderbar – die trage ich bei schwerem Wetter. Aber wenn ich bei Sommerwetter auf der Schlei unterwegs bin, ist sie vielleicht zu viel. Und ich kann damit auch nicht jollensegeln oder baden gehen, weil dann aktiviert sie halt.

SB: Wartung ist natürlich wichtig. Es bringt nichts, wenn du eine Weste kaufst und sie dann sechs Jahre im Schrank liegen lässt und denkst: Die ist ja wie neu.

BB: Genau. Damit werden wir regelmäßig konfrontiert: „Sieht aus wie neu, hab ich nie getragen – ist die noch gut?“ Das Problem ist: Material altert.

Wir haben Schwimmkörper, die mit Polyurethan beschichtet sind, damit sie luftdicht werden. Der Hersteller sagt uns: Diese Beschichtung hat eine Lebensdauer von zehn Jahren – vielleicht mit etwas Puffer. Das degradiert, wird irgendwann porös und undicht.

SB: Die Weichmacher gehen raus.

BB: Genau. Und wann ist es so weit? Das ist die Frage. Vielleicht hält es länger – aber wir können es als Hersteller nicht sagen.

BB: Woher weiß ich das als Nutzer? Außen sieht die Weste gut aus, aber wie sind die Materialien gealtert? Gerade die, auf die es ankommt: Schwimmkörper, Ventile, die Pille in der Auslösevorrichtung, Dichtungen zwischen Auslöser und Schwimmkörper.

Wenn die Patrone angestochen wird, muss das CO₂ in den Schwimmkörper. Dichtungen können porös werden. Dann geht das Gas vielleicht irgendwohin – aber nicht dahin, wo es hin soll.

Wir empfehlen mindestens alle zwei Jahre Wartung – je nach Einsatz auch öfter. Lebensdauer: zehn Jahre, maximal fünfzehn, wenn regelmäßig gewartet wird und später jährlich. Danach sagen wir als Hersteller: Dafür übernehmen wir keine Haftung mehr.

SB: Kannst du sagen, wie viele Westen ihr pro Jahr wartet?

BB: Ungefähr 15.000 Westen – gewerblich und Wassersport zusammen.

CK: Und trotzdem gibt es immer wieder Rückrufe.

BB: Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler. Entscheidend ist, wie man damit umgeht. Wenn es ein Sicherheitsproblem gibt, muss zurückgerufen werden. Ohne Umschweife.

Wir dokumentieren alles sehr genau, bis auf Seriennummern-Ebene, und können jeden Produktionsschritt nachvollziehen.

BB: Zum Abschluss: Ihr kennt den Unterschied zwischen Schwimmweste und Rettungsweste.

CK: Oh, das wollte ich noch fragen.

SB: Carsten sagt immer „Schwimmweste“.

CK: Nein, sage ich nicht mehr. Es wurde mir schon aufgetragen: Das darf man nicht sagen.

BB: Schwimmwesten schwimmen. Rettungswesten retten. Bei uns bekommst du die Rettungsweste.

SB: Benjamin, vielen Dank für das Gespräch.

BB: Danke euch.

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