Stephan Bodens Kolumne. Über den Zeitpunkt, an dem ein Boot sein Leben ausgehaucht hat

Wenn niemand mehr einen Euro gibt, ist es vorbei

Von Jahr zu Jahr erhöht sich in den Häfen die Zahl an Booten, die ungenutzt an Land herumstehen, langsam verrotten und um die sich niemand mehr kümmert. Viele haben den Punkt, restauriert werden zu können, längst überschritten. Was tun?

Traurig, traurig. Schrottboote gammeln vor sich hin. © Stephan Boden

 

Wer regelmäßig an Bootslagern oder in baumbewachsenen Hafenecken vorbeikommt, kennt das Bild: Boote, die offensichtlich seit Jahren nicht mehr gesegelt wurden. Verwitterte und grün angelaufene Rümpfe, Moos an Deck, ein Mast, der sich langsam zur biologischen Antenne entwickelt. Irgendwann wurden sie einfach abgestellt – und nie wieder abgeholt. Die Eigner sind zu alt, verschwunden oder verstorben. 

Das Problem ist größer, als es auf den ersten Blick wirkt. In vielen Revieren stapeln sich Altboote, für die es keine klare Zukunft gibt. Verkauf? Schwierig. Reparatur? Lohnt oft nicht. Entsorgung? Kaum jemand weiß, wie das eigentlich funktionieren soll.

Einer findet sich immer, der einen Euro gibt

Selbst wenn solche Boote verkauft werden, finden sie oft nie mehr den Weg zurück ins Wasser. Als ich meine frühere Dehler in einer Werft im Winterlager untergebracht hatte, konnte ich eine solche Bootsgeschichte hautnah verfolgen. Ein Eigner kam mit einem alten Folkeboot vorbei, welches er für einen Euro gekauft hatte und wieder fit machen wollte. Nach zwei Jahren sah er, dass ihm die Restaurierung über den Kopf gewachsen war und verkaufte das Schiff wieder – für einen Euro. Auch der neue Besitzer war zunächst voller Tatendrang und Willen. Letztlich gab auch er auf, und auch er fand einen Abnehmer. Das Boot steht nun in einem Garten als Deko, Spielplatz oder was auch immer. 

Die Online Börsen und Verkaufsplattformen sind voll mit Booten die günstig zu haben sind. Aber auch da spricht so manche Verkaufshistorie Bände. Ich kenne Boote, die nach meiner Einschätzung vielleicht noch eine knappe vierstellige Summe wert waren, deren Eigner aber einen Mondpreis aufrufen, denn im Text steht: „der Motor ist 2019 komplett überholt worden, 2015 die gesamte Elektrik“. Außerdem hängen da Herzen dran und Herzen sind generell teuer. So stehen die Boote ein paar Saisons hochglanzpoliert auf den Verkaufsportalen, während sie in der Realität vor sich hin gammeln. Solange, bis sich die Besitzer erbarmen und das geliebte Schiff für kleines Geld abgeben. Doch dann ist es meistens zu spät, diese Boote wirtschaftlich vernünftig wiederherzustellen. Und dann stehe sie jahrelang auf den Hafengeländen dieser Welt herum, oder bei Bauern hinter der Scheune. 

Manches lässt sich restaurieren, manches nicht. © Stephan Boden

Eines meiner früheren Boote hat auch so ein typisches Schicksal erleben müssen. Ich habe es in einem schlimmen Zustand für einen Euro übernommen. Damit tat ich einem Freund, der ins Ausland auswanderte, einen Gefallen. Nach einer umfangreichen Restauration mit komplett erneuertem Deck, Aufbau und vieles mehr musste auch ich das Boot nach ein paar Jahren verkaufen. Der neue Eigner gab mir 3.000 dafür. Wie sich herausstellte, war der Mann, ein absoluter Segelneuling, offenbar nur auf Geld verdienen aus und stellte es nur 6 Monate später für knapp 8.000 ins Netz.



Membership Required

You must be a member to access this content.

Mitgliederstufen anzeigen

Already a member? Hier einloggen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert