Nachdem allein in deutschen Ostsee-Häfen mehr als 400 Yachten durch die Sturmflut beschädigt wurden und davon 150 gesunken sind, analysiert der auf Fälle im maritimen Bereich spezialisierte Hamburger Jurist Ole Hecht die Situation für SR.
Die jüngsten Bilder aus den Ostseehäfen erinnern auf dramatische Weise an Hurrikan-Schäden. Zum Glück sind keine Berichte von Verletzten bekannt, doch hat jedes Boot seine Geschichte, mit denen Menschen Erlebnisse und Erinnerung verbinden. Boote sind eben mehr als bloße Gebrauchsgegenstände. Sie haben in der Regel aber auch einen erheblichen wirtschaftlichen Wert, so dass sich unweigerlich die Frage stellt: wer trägt die finanziellen Schäden einer solchen Sturm- und Hochwassernacht?
Zu kurz gegriffen wäre es, hier ausschließlich auf die historischen Wasserstände und Wind in Orkanstärke zu verweisen. Denn diese Naturgewalt muss nicht die einzige Schadensursache sein. Auch Fehler von den Eignern, Nachbarliegern und Hafenbetreibern können zur Schadenentstehung beigetragen haben.
Dennoch steht am Anfang die Frage, ob angesichts der historischen Wasserstände in Kombination mit der erheblichen Windstärke die Schäden überhaupt hätten verhindert werden können. Denn menschliche Fehler sind unbeachtlich, wenn die Schäden auch bei richtigem Verhalten mit den richtigen Vorkehrungen entstanden wären. In der Juristerei wird diese unter dem Begriff des „rechtmäßigen Alternativverhalten“ diskutiert. Die Haftung entfällt, wenn der Schaden auch bei richtigem Verhalten entstanden wäre. Denn der Fehler ist dann nicht der Grund dafür.
Am Leuchtturm Kiel sind Böen mit 137 km/h gemessen worden, was gut 75 Knoten entspricht. Der Pegel stand in Flensburg bei 2,27 Meter über Normalnull. Das sind Urgewalten gegen die kein Seekraut gewachsen ist. Dennoch müssen die lokalen Windverhältnisse und Wasserstände, sowie die weiteren örtlichen Umstände, wie zum Beispiel die Lage des Hafens berücksichtigt werden. Denn zum Teil gibt es erhebliche Unterschiede. So ist es nicht ausgeschlossen, dass trotz dieser Urgewalt Schäden in einzelnen Häfen hätten vermieden werden können.
Waren Schäden durch „rechtmäßiges Alternativverhalten“ nicht zu verhindern waren, kann sich ein Eigner glücklich schätzen, der für seine Yacht eine Kasko-Versicherung abgeschlossen hat, die einzig für solche Sturmschäden einspringt.
Verstoß gegen die Regeln guter Seemannschaft?
Aus Häfen sind aber auch Berichte zu hören, dass Boote nicht angemessen auf den angekündigten Sturm und das Hochwasser vorbereitet waren. Es gab auch Bilder von morschen Stegen und herausgerissen Pollern zu sehen. Hätten Schäden verhindert werden können? Vor diesem Hintergrund stellen sich weitere Haftungs- bzw. Deckungsfragen.
Im Rahmen einer Kaskoversicherung führt eine grob fahrlässige Schadensherbeiführung -also ein grober Verstoß gegen die Regeln guter Seemannschaft – zu einer Kürzung der Einstandspflicht durch die Versicherung. Wann ein solcher Vorwurf erhoben werden kann, ist eine Frage des Einzelfalles. Zum Beispiel liegt ein solcher Vorwurf nahe, wenn ein Eigner trotz entsprechender Vorhersage keine Vorkehrungen getroffen hat.
Dagegen haftet der „Nachbarlieger“ gegenüber anderen Eignern bereits bei leichter Fahrlässigkeit. Hervorzuheben ist allerdings, dass es bei Booten keine verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung gibt. Haftungsgrund ist der schuldhafte Verstoß gegen Verkehrssicherungspflichten.
Das heißt: Wer sein Boot nicht nach den Regeln guter Seemannschaft entsprechend der Vorhersage sichert und überwacht, so dass es sich losreißen und andere Boote beschädigen kann, der haftet für daraus folgende Schäden. Erneut ist hervorzuheben, dass sowohl der starke Wind, wie auch das Hochwasser vorhergesagt waren. Haftet der „Nachbarlieger“, übernimmt seine Haftpflichtversicherung den Schaden, wenn er denn eine abgeschlossen hat – für Boote gibt es keine Haftpflichtversicherung.
Wie haftet der Hafenbetreiber?
In Betracht kommt auch die Haftung des Hafenbetreibers. Da es sich bei einem Vertrag über ein Liegeplatz um einen Mietvertrag handelt, schuldet der Hafenbetreiber keine Überwachung und Sicherung der Boote z.B. durch den Hafenmeister. Umso bemerkenswerte sind die Berichte von vielen „Rettungstaten“ ambitionierter Hafenmeister.
Vielmehr stellt sich die Frage, ob der Liegeplatz einen sogenannten Mietmangel aufweist. Ein solcher wäre dann gegeben, wenn die „technischen“ Anlagen nicht ausreichend Sicherheit bei Sturm und Hochwasser gewährleisten. Auch wenn man unterstreichen kann, dass ein Hafen nicht vor jeglichem „Unwetter“ schützen muss.
Daneben können Liegeplatzverträge auch teilweise wirksame Haftungsausschlüsse enthalten. Dennoch ist eine Haftung des Hafenbetreibers nicht ausgeschlossen, wenn insbesondere Einrichtungen des Hafens wegen Überalterung oder Verschleiß versagt haben.
Die Frage der Beweislast
Viel Wenn und Aber, viel Theorie, die von der der Beweislast im Prozess noch verkompliziert wird. Wer die Beweislast trägt, muss den Richter vollständig überzeugen. Aus prozessualer Sicht ist zunächst der Kaskoversicherungsnehmer im Vorteil. Er muss „nur“ den Versicherungsfall, der Versicherer dagegen die grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles beweisen.
Gelingt dem Versicherer der Beweis, muss in der Folge der Versicherungsnehmer beweisen, dass der Schaden auch bei „rechtmäßigen Alternativerhalten“ eingetreten wäre.
Bei Vorgehen gegen den Nachbarlieger bzw. den Hafenbetreiber trifft den Geschädigten die Beweislast für deren Fehler. Gelingt ihm der Beweis, muss der Nachbarlieger bzw. der Hafenbetreiber den Entlastungsbeweis des „rechtmäßigen Alternativerhaltens“ führen.
Angesichts des Chaos, das Flut und Sturm angerichtet haben, wird allerdings eine Beweisführung in vielen Fällen schwierig. Sobald eine Beweisfrage nicht aufgeklärt werden kann, unterliegt vor Gericht derjenige, den die Beweislast trifft. Wie bereits erwähnt, ist der Kaskoversicherungsnehmer im Vorteil, weil nur beweisen muss, dass sein Boot durch den Sturm/ das Hochwasser beschädigt worden ist.
Nach meiner persönlichen Einschätzung werden sich in den „Hotspots“ wie z.B. Damp, Schilksee und Maasholm weniger die Fragen stellen, ob sich die betroffenen Yacht-Eigner menschliche Fehler zuschulden haben kommen lassen. Hier wird eher der Schwerpunkt bei der Feststellung der Höhe der Versicherungsleistung im Falle etwaiger juristischer Auseinandersetzung liegen.
Dagegen wird bei besser geschützten und kleineren Hafenlagen untersucht werden, ob die Schäden durch menschliche Fehler mitverursacht worden sind. Das erscheint aber angesichts der Kombination von historischem Hochwasser und Orkanböen eher unwahrscheinlich.
Von Ole Hecht
Schreibe einen Kommentar