Untergang der „Bayesian“: Warum die Superyacht vermutlich gesunken ist

"Dann war sie plötzlich verschwunden"

Zwei Tage nach dem Untergang der Superyacht „Bayesian“ sind weitere Details zum rätselhaften Hergang des Unglücks bekannt geworden. Noch immer wird nach den Vermissten gesucht und getaucht.

Rettungstaucher suchen immer noch nach den sechs Personen, die im gesunkenen Rumpf der 56 Meter langen Segelyacht „Bayesian“ vermutet werden. Ihnen ist es offenbar gelungen, einen Zugang in das auf 49 Metern Wassertiefe liegenden Schiffes zu schneiden und es soll noch Hoffnung bestehen, dass Personen in einer Luftblase überleben könnten. Die Taucher hatten gehofft, Klopfgeräusche zu hören. Dabei läuft die Operation in einer für Taucher schwierigen Wassertiefe ab, in der sie nur vorsichtig mit technischen Hilfsmitteln überleben können.

Die letzten Bilder der „Bayesian“

Nach wie vor wird gerätselt, wie die Yacht so schnell vor Anker liegend sinken konnte. Zufällig aufgenommene Videoaufnahmen zeigen die Yacht vor Anker liegend im Sturm kurz bevor sie offenbar auf dies Seite kippt und untergeht:

In kürzester Zeit verschwindet der beleuchtete Mast. Genau ist das Unglück aber nicht zu erkennen. Möglicherweise hat sich das Drama so abgespielt, wie auf einem Video zu sehen, das vor fünf Jahren im Hafen von Auckland von einer Überwachungskamera aufgezeichnet wurde. Darauf ist zu sehen, wie sich eine Superyacht mit hohem Rigg extrem auf die Seite legt:

In ersten Berichten hieß es, ein Augenzeuge habe gesehen, wie beim schweren Überholen der Yacht der 72 Meter hohe Aluminiummast gebrochen ist. Diese Meldungen haben sich aber inzwischen nicht bestätigt. Taucher berichten, dass der Mast auf der gesunkenen Yacht intakt ist.
Dabei hätte ein schneller Bruch das Schiff vielleicht sogar vor dem Untergang bewahren können. Dadurch wäre die Angriffsfläche für den Wind kleiner gewesen und die Krängung geringer.

„Bayesian“ © Perini Navi Press

So scheint aber der wahrscheinlichste Grund für das Unglück die geöffneten Luken an Deck gewesen zu sein. Seit Mitte Juni wird das westliche Mittelmeer im Bereich von Sizilien von einer schweren Hitzewelle heimgesucht. Die Wassertemperatur in der Region hat wiederholt die 30°C-Marke überschritten und liegt damit vier Grad über dem 20-jährigen Durchschnitt für diese Jahreszeit. Spanische Forscher des Instituts de Ciencies del Mar haben in der vergangenen Woche bestätigt, dass der Rekord für Höchsttemperatur der Meeresoberfläche im Mittelmeer gebrochen wurde.

Dadurch erhöhte sich nicht nur die Wahrscheinlichkeit für Wirbelstürme, sondern es sagt auch etwas darüber aus, wie die Temperaturen auf der Yacht gewesen sein müssen. Am Tag vor dem Untergang wurden 33 Grad aufgezeichnet. Vermutlich war es so heiß, dass über Nacht an Bord Luken und Türen offenblieben. Deshalb gilt es inzwischen als wahrscheinlich, dass bei der starken Krängung in kürzester Zeit große Wassermengen in die Öffnungen liefen.

Die 22 Menschen an Bord wurden überrascht. Und je nachdem, wo sie sich auf der Yacht befanden, konnten sich einige retten und andere nicht. Zuvor hatte der Software Milliardär Mike Lynch mit Kollegen und Mitarbeitern seiner Firma Invoke Capital offenbar eine Party gefeiert. Anlass soll der Sieg in einem 13 Jahre andauernden Streit vor Gericht gewesen sein, bei dem 8 Milliarden Pfund auf dem Spiel standen. 12 Gäste waren aus England, den USA, Kanada, Neuseeland und Irland angereist.

Ein Fischer in Porticello erklärt gegenüber italienischen Medien wie er die Tragödie von Land aus beobachtet hat: „Ich war zu Hause, als der Tornado kam. Ich habe sofort alle Fenster geschlossen. Dann sah ich die Yacht, sie hatte nur einen Mast und war sehr groß. Ich sah, wie sie plötzlich sank. Eben schwamm sie noch, dann war sie plötzlich verschwunden.“

Carsten Kemmling

Der Mann von der vordersten Front. Mehr zu ihm findest Du hier.

28 Kommentare zu „Untergang der „Bayesian“: Warum die Superyacht vermutlich gesunken ist“

  1. Volker König sagt:

    Aktuell ist dass offenbar 3 Crewmiglieder von der italienischen Justiz in den Focus genommen werden- ohne dass hier schon eine Anklage vorliegt(basierend auf deutschen Pressemeldungen und einem sehr gut informierten englischen nautischen Forum).
    – Der Skipper. Hier wird angeblich mangelnde Vorbereitung auf das Unwetter kritisch gesehen.
    – Der Bordingenieur. Im englischen Forum wird vermutet, dass vermuteter Wassereintritt bei Krängung über 40°( Yacht hatte einen “ water downflooding angle von 44°) über die Be- und Entlüftungsöffnungen des Maschinenraumes und der Klimaanlage kritisch gesehen wird. Anscheinend/ evtl. hätte es Möglichkeiten gegeben diese Öffnungen zu verschliessen.
    – Das wachhabende Crewmitglied. Hier wird eine zu späte Warnung vor dem heraufziehenden Unwrtter kritisch gesehen.

    Es ist aber zu hoffen, dass der schwarze Peter nicht nur bei der Crew gesucht wird, sondern auch Design und Konstruktion der Yacht kritisch in den Focus genommen wird.

    • Martin sagt:

      Ohne irgendwelche Mutmaßungen: Es kann an mit Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unterstellt werden, dass das Schiff nicht nur über das Wettergeschehen informiert war, sondern sich auch intensiv darauf vorbereitet hat. Warum sonst ist in der Nacht um 4 die gesamte Crew an Deck und überlebt deshalb auch. Das machen die ja nicht weil sie Nachts nicht schlafen können, da war schon „Alarmzustand“ Auch ist davon auszugehen, dass eine Crew in der Liga schon mehrfach sehr schweres Wetter abgewettert hat; auf See und vor Anker. Dass dennoch die Gäste nicht „antreten mussten“ lässt darauf schließen, dass sehr plötzlich und über einen sehr kurzen Zeitraum unerwartete Kräfte auf das Schiff eingewirkt haben. Die hatte keiner aus dem Schirm. Und als es dann plötzlich passierte war bei der Krängung bereits alles zu spät.

      Unvorstellbar auch, in diesem Fall in positivem Sinne, ist, dass eine Mutter ihr 1-jähriges Kind über Wasser halten konnte und beide überlebt haben. Zum Glück wird sich das Kind nie an dieses Trauma erinnern können. Auch das, ebenso wie die schnelle Rettung, sprechen dafür. Dass der Spuk sehr schnell vorbei gewesen ist. Über einen längeren Zeitraum, selbst nur 5 Minuten, ist sowas bei entsprechendem Wellenbild nicht möglich. Warten wir doch ab, es wird sich klären !

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