Wie im Motorsport seit Jahrzehnten üblich, finden neuerdings auch im High Tech Segelsport unterschiedlichste Sensoren zunehmend ihren Einzug, um Materialien zu optimieren und Einstellungen in Rumpf, Rigg und Segel reproduzierbar einzustellen. Eine riesige Herausforderung für jegliche Messtechnik sind dabei die sich ständig ändernden Wind- und Wasserbedingungen.
Was für den America’s Cup oder Olympia Teams bereits routinemäßig eingesetzt wird, hat nun durch innovative Entwicklungen des Fraunhofer Heinrich-Hertz-Instituts im Bereich faseroptischer Sensortechnologien in Zusammenarbeit mit der Segelwerkstatt Stade und dem Tuchhersteller Dimension Polyant eine sehr gute Chance, zukünftig auch von anspruchsvollen Regatta- und Fahrtenseglern eingesetzt zu werden.
Ein Beispiel: Yachteigner investieren tausende von EURO um ihre Segel geringfügig leichter herstellen zu lassen, andererseits verbauen die Segelmacher unnötig hochfeste und somit sehr teure Fasern in ihren Segeltüchern mangels exakter Kenntnis der auftretenden Kräfte in dem Segel. Die Entwicklung optimierter Segeltuchmaterialien und Bahnverläufe bei der Segelherstellung setzen daher die exakte Kenntnis der auftretenden Kräfte im Segel für unterschiedlichste Wind-, Kurs- und Wasserbedingungen voraus.
Dem Team aus Segeltuchhersteller, Segelmacher und Sensorspezialisten des Fraunhofer Instituts ist es jetzt, nach einer 2-jährigen Entwicklungsarbeit gelungen, ein Verfahren zu entwickeln, um an jeder beliebigen Stelle im Segel die auftretenden Kräfte während des Segelns exakt zu bestimmen. Hierzu liegen jetzt erste aussagekräftige und zum Teil sehr überraschende Resultate vor, die ab sofort in die Produktion von Segeln bei der Segelwerkstatt-Stade einfließen.
Neben der reinen Kräftebestimmung ermöglicht diese neue Sensortechnologie darüber hinaus die Möglichkeit, auch das aktuelle Segelprofil unter Echtzeitbedingungen zu bestimmen. Auch hierzu gibt es bereits erste Ergebnisse aus der Praxis.
Die drei Partner haben sich für zukünftige Weiterentwicklungen das Ziel gesetzt, aktuelle Segelprofile während des Segelns auf einem Monitor darzustellen und diese Segelprofile sofort mit dem in einer Datenbank hinterlegten optimalen, theoretischen Segelprofil zu vergleichen. Durch diesen Echtzeit Vergleich ist es möglich, den optimalen Trimm für beliebige Kurse, Wind- und Wasserbedingungen unmittelbar einzustellen. Des Weiteren wird dem Segeltrimmer die Möglichkeit gegeben, einen einmal erfolgreich erzeugten Segeltrimm abzuspeichern und jederzeit wieder herzustellen.
Im High Tech Regattabereich werden bereits Segelprofile über Kameratechnik vermessen, es gibt auch verschiedene kommerzielle Anbieter derartiger Systeme. Allerdings haben auch diese Systeme ihre Nachteile hinsichtlich Justieranfälligkeit und teilweise erzielten Genauigkeiten – und, ein wesentliches Merkmal, Kräfte können nicht bestimmt werden. Die hier vorgestellte faseroptische Sensortechnologie verwendet neuartige bruchsichere Lichtwellenleiter mit einem Durchmesser vom nur 0,25 mm – dies entspricht etwa dem Dreifachen eines menschlichen Haares – die mittels spezieller Technik in oder auf das Segeltuch eingebracht werden und somit die Segeleigenschaften nicht beeinflussen.
Die Sensorhardware ist gegenüber dem Stand der Technik durch Entwicklung neuer opto-elektronischer Komponenten drastisch miniaturisiert und vereinfacht, so dass ein zukünftiger Einsatz im Breiten-Segelsport durchaus realistisch wird. Da sowohl 3D-Profile als auch Kräfte simultan erfasst werden, lassen sich Segel zukünftig unter definierten Bedingungen bis an die Belastungsgrenzen trimmen – und bieten somit auch unter Sicherheitsgesichtspunkten wertvolle Vorteile gegenüber bereits bestehenden Technologien.
Die Ergebnisse aus den praktischen Segeltests der 1. Phase unserer Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zeigen bereits die folgenden konkreten Auswirkungen auf Material- und Segeldesign:
- Sie werden zu festeren, leichteren und formstabileren Segeln führen.
- Der Bahnverlauf in konventionellen Segeln wird sich ändern.
- Große Neuerungen werden sicherlich auch bei Membransegeln auftreten. Schon zum jetzigen Zeitpunkt kann festgestellt werden, dass sich das bisher empirisch ermittelte Fadenlayout der Membranen deutlich optimieren lässt.
Jens Nickel
Segelwerkstatt-Stade
J.Nickel@Segelwerkstatt.de
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