Philipp Buhl will es noch einmal wissen. Mit 35 Jahren startet er nach der Enttäuschung in Marseille in den nächsten ILCA7-Olympiazyklus. Vor Kiel musste er feststellen dass die nationale Konkurrenz näher gerückt ist, als ihm lieb sein kann.
Mit Spannung erwartet wurde auf der Bahn der olympischen Ilca7 das Comeback von Philipp Buhl. Und der 35-jährige Allgäuer, der für den NRV Hamburg startet, bewies mit einem souveränen Sieg seine außergewöhnliche Klasse. Nach Olympia im vergangenen Jahr hatte er das Boot eingemottet und erst jetzt wieder auf den Kurs geschoben. Mit lediglich acht Trainingseinheiten in den vergangenen Tagen stellte sich der Weltmeister von 2020 dem Duell mit der jungen, nationalen Konkurrenz.

„Das Gefühl auf dem Boot war besser als gedacht, auch wenn ich teilweise etwas hüftsteif war und hier und da mal Druck in der Wade gespürt habe“, berichtete Buhl nach den vier Rennen am Sonntag. „Körperlich bin ich sicherlich noch nicht so dabei wie die Jüngeren, muss erst wieder den Rücken an die Belastung gewöhnen. Auch seglerisch hat mir der ein oder andere aktuell etwas voraus. Aber es funktioniert. Und das Gesamtpaket ist bei mir vielleicht das kompletteste.“
Den Beleg dafür lieferte Buhl mit einer Serie von Top-Resultaten. „Die Windbedingungen waren allerdings nicht einfach. Bei dieser Windrichtung kann man auf der Förde nicht alles sehen. Manchmal kommt eine Böe etwas überraschend aus dem Busch.“ Doch den Blick für Wind und Wellen hat Buhl, der vor zwei Wochen bei den German Open der Moth-Segler auf Platz zwei gesegelt war, nicht verloren. Seiner Konstanz von ersten und zweiten Plätzen konnte niemand folgen, so dass der dreimalige Olympia-Teilnehmer seinen Wiedereinstieg mit dem Sieg bei der YES-Regatta feierte. „Ich bin zuversichtlich, dass ich damit auch zur Kieler Woche in die Top-15, vielleicht sogar ins Medal Race fahren kann.“
Ein guter Auftakt war die YES in die kommende Olympia-Phase, in der Buhl eine spannende deutsche Ausscheidung erwartet: „Wir haben eine super starke, junge Gruppe – mit Julian Hoffmann, Ole Schweckendiek und Justin Barth.“

Während sich Hoffmann, der beste Deutsche bei der vergangenen Weltmeisterschaft, zur YES-Regatta einige Patzer erlaubte, zeigte der Kieler Ole Schweckendiek zumindest in den leichteren Winden am Sonntag, wie dicht er dem erfahrenen Buhl schon ans Heck gerückt ist. Als Führender des Klassements ging der 20-jährige Kieler in den Montag, musste dann aber die Überlegenheit von Buhl anerkennen.
Doch als Gesamtzweiter durfte sich Schweckendiek auch über eine Goldmedaille freuen. Er gewann überlegen die Deutsche Juniorenmeisterschaft der U21-Segler, die im Rahmen der YES-Regatta ausgesegelt wurde. „Insgesamt bin ich zufrieden, am Sonntag war es sogar richtig gut. Das Racen hat Spaß gemacht, vor allem wenn man gegen Philipp Buhl antreten kann – also gegen jemanden, wo man gern mal hin will“, sagte Schweckendiek. Der Youngster weiß, woran er noch arbeiten muss: „Erfahrung sammeln, um in jeder Situation den Überblick zu behalten und immer zu wissen, was man tun muss.“ Hinter Schweckendiek komplettierte der Berliner Nico Naujock (VSaW) das Podium.
Der deutsche Juniorentitel bei den Ilca6-Frauen ging an Mirja Dohle (SV Grossenheidorn). Die 18-jährige Schülerin aus Wunstorf legte die Basis dafür mit der Serie 2, 2, 1, 8 am Sonnabend. Bei den stärkeren Winden am Sonntag konnte sie diese Resultate zwar nicht wiederholen. Am Ende reichte es aber, um nicht nur die Konkurrenz der Gleichaltrigen hinter sich zu lassen, sondern sich auch denkbar knapp bei Punktgleichheit den Gesamtsieg der YES vor Pia Conradi (Duisburger YC) zu sichern. Conradi hatte bei der vergangenen Weltmeisterschaft in Qingdao/China noch als beste Deutsche geglänzt. Auf Rang drei landete die Rostockerin Hannah Anderssohn.

„Die Regatta war anstrengend in tricky Bedingungen. Man musste sich immer auf die Basics besinnen, die Augen offen halten und einfach fahren“, berichtete Dohle. Und weiter sagte sie: „Für mich ist die YES wie auch die Kieler Woche Training für die Europameisterschaft. Da will ich in meiner Altersklasse, der U19, gern in die Top-Ten.“
Beim männlichen Nachwuchs in der Ilca6-Klasse gab es einen Drei-Nationen-Wettstreit. Am Ende setzte sich der Däne Mads Wegener vor dem Ukrainer Semen Khashchyna und dem Düsseldorfer Levian Büscher durch. Büscher trotzte dabei einer Disqualifikation gleich im ersten Rennen. Innerhalb der letzten fünf Minuten vor dem Start hatte er Kontakt zum Trainerboot. Dabei befreite er sich zwar nur von seiner Jacke, kassierte dafür aber die volle Punktzahl. Als bester Deutscher arbeitete er sich aber noch bis auf den Bronzerang vor.
Für die Ukrainer sind Regattateilnahmen vor Kiel inzwischen fest im Kalender. Seit drei Jahren sind sie europaweit auf Regatten unterwegs. Beim Ausbruch des Krieges waren sie gerade im Trainingslager, sind seitdem nicht mehr in die Heimat zurückgekehrt. „Wir leben mit der Familie derzeit in Kroatien. Mein Vater ist mein Trainer. Nur meine Mutter reist manchmal in die Ukraine zurück. Gerade jetzt ist sie in unserem Heimatort Wyshgorod in der Nähe von Kiew“, berichtete Semen Khashchyna.
In der männlich-weiblich gemischt gesegelten Konkurrenz der Ilca4 musste sich die Jungs den stärksten Mädchen geschlagen geben. Johanna Brinkmann (YCL vom Biggesee) setzte sich vor der Hamburgerin Cassandra Jansch (MSC) durch. Auf Platz drei folgte Nick Lahme vom NRV Hamburg. Vater Klaus Lahme, Clubmanager des NRV Hamburg, wunderte sich: „Nick spielt eigentlich Basketball, segelt nur nebenbei. Seit September letztes Jahr war er nicht mehr auf dem Boot. Vielleicht sollten wir die Sport-Prioritäten noch einmal überprüfen.“

Im 29er hatten sich die Kieler Hanno Rix/Maximilian Reuner die Wiederholung ihres Vorjahressieges auf die Fahne geschrieben. Vor Jahresfrist hatten sie mit einer souveränen Serie gewonnen. Doch diesmal war die Konkurrenz härter. Die Norweger Nicklas Holt/Philip Forslund fanden den besten Weg durch die drehenden Winde, holten sich mit vier Siegen in den sechs Wettfahrten den Gesamtsieg vor den Münchnern David Plettner/Moritz Aigner und Rix/Reuner. „Wir waren mit einem ersten und zweiten Platz gut in die Serie gestartet, leider wurde das dritte Rennen abgebrochen, als wir gerade in Führung lagen“, so die beiden Kieler. An Tag zwei konnten sie an die Serie nicht mehr anknüpfen und verloren den Gesamtsieg aus den Augen.
Hochspannung bis zur letzten Wettfahrt gab es bei den 420ern. Fünf Rennen lang hatten die Hamburger Philip Helms/Leonard Kersten nur Top-Drei-Ergebnisse abgerufen, in der sechsten Wettfahrt patzten sie am Start. „Bis dahin sind wir immer gut aus den Starts gekommen, sind dann nach links raus, weil es auf unserer Bahn vor Schwedeneck einen Kap-Effekt gab, den wir gut genutzt haben. Leider haben wir im letzten Rennen die erste Wende verhauen“, berichtete das Duo. Damit fuhren sie ihren Streicher ein und fielen noch vom Spitzenplatz auf Rang zwei hinter die Schweriner Moritz Borowiak/Noel Jonas Theiner zurück. Damit haben die 16- und 17-jährigen Hamburger nun eine Rechnung mit der Kieler Woche offen. „Da wollen wir gewinnen!“ Und im Juli folgt dann die Euro in Portugal. Auf Rang drei der 420er kamen Jacob Cross/Finn Weigt (SC Rheingau).

In der Europe gab es dagegen ein Podium ohne deutsche Beteiligung. Es siegte der Franzose Cyril Richard vor den beiden Dänen Martin Brönlund Olesen und Emil Foxby-Jacobsen. Die Kielerin Marisa Roch freute sich, auf ihrem Heimatrevier eine Europe-Regatta segeln zu können. „Zur Kieler Woche wurde unsere Klasse ja leider aus dem Programm gestrichen. Deshalb war es toll, hier zu segeln.“ Mit dem Wind kam sie gemischt zurecht. Neben einem Sieg und einem zweiten Platz standen auch mittlere Platzierungen. Am Ende stand Rang sechs. Auf die Kieler Woche in zwei Wochen wird sie dennoch nicht verzichten. Da startet sie dann aber in ihrer neuen Leidenschaft – dem Wing-Foilen.
Glücklich mit dem Ausgang der YES-Regatta war das PRO-Duo Stephan Uden/Andreas Knospe. Dabei machte der Auftakt am Sonnabend nicht viel Hoffnung: „Ein Riesendank geht an unsere Teams, die bei Regen und Kälte am ersten Tag auf der Bahn ausgeharrt und nach Wind Ausschau gehalten haben“, so Andreas Knospe. Belohnt wurde die Ausdauer am nächsten Tag, als nach spätem Auslaufen noch ein volles Programm gelang. Lediglich die Bahn Juliett mit den 29ern hatte etwas auf Sand gebaut. Im Kiesgrund wollte der Anker des Startschiffes nicht halten. Dass sich zwischendurch auch noch ein gekenterter 29er im Schiff verhakte, erleichterte die Arbeit der Wettfahrtleitung nicht. So gelangen hier nur zwei Wettfahrten. Aber auch hier wurde dann am Montag mit viel Arbeit noch intensiv gesegelt.

Ein Schreckmoment am Sonntag blieb das, was er war: ein großer Schreck! Im Laufe des Nachmittags musste eine Helferin auf einem Funktionsboot nach Kreislaufproblemen abgeborgen und mit dem Seenotretter in den Hafen gebracht werden. Doch nach kurzem Krankhausaufenthalt ging es wieder nach Hause. Und schon am Montag stand die Helferin wieder in Schilksee parat.
So durfte das PRO-Duo am Sonnabend nicht nur den 47. Geburtstag von Andreas Knospe, sondern auch eine gelungene YES-Regatta feiern. „Wir arbeiten jetzt seit 25 Jahren zusammen, treffen auch ohne Absprache fast immer die gleichen Entscheidungen. Daher läuft es sehr gut im Tandem“, so Knospe.
Zur Kieler Woche tauschen die beiden aber wieder den Platz an Land und gehen auf die Bahn: „Wir wollen gern immer alle Aspekte der Wettfahrtleitung erleben. Das hilft, um alle Seiten zu verstehen und entsprechend zu agieren“, sagte Stephan Uden, der am Montag schließlich mit den Wettfahrtleitungen und Hauke Berndt, dem Vorsitzenden des ausrichtenden Kieler YC, in schöner Nachmittagssonne die Siegerehrung der YES-Regatta mit der riesigen Schar von Seglerinnen und Seglern aus zehn Nationen feiern konnte.
Quelle: KYC
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