Der Name Diesch verpflichtet. Vater und Onkel von Simon haben schon Gold im FD gewonnen. Wie sich sein Weg mit dem von Anna Markfort gekreuzt hat. Zusammen wollen sie Edelmetall in der neuen Disziplin 470er Mixed.
Er ist mit einer olympischen Goldmedaille in der Familie großgeworden, sie kommt aus dem Verein, bei dem Willy Kuhweides legendäres Gold von 1964 in der Vitrine hängt: Zusammen sind Simon Diesch und Anna Markfort das deutsche Top-Team im 470er-Mixed für die olympische Regatta in der Bucht von Marseille. Das dynamische Duo peilt in Frankreich aber nicht nur mit Blick aufs glänzende Umfeld eine Medaille an.
Sie haben sich segelsportlich gesucht und gefunden, sind auf dem Wasser ein Dream-Team im 470er-Mixed. Der 29-jährige Steuermann Simon Diesch vom Württembergischen Yacht-Club und seine bei den Olympischen Spielen 31-jährige Vorschoterin Anna Markfort (Verein Seglerhaus am Wannsee/Joersfelder Segel-Club) haben sich in einer hart umkämpften nationalen Ausscheidung als bestes deutsches 470er-Duo durchgesetzt. In der Bucht vor Marseille treten sie bei der Mixed-Premiere ihrer Klasse auch für die bezwungenen Teamkameraden an, deren Powerplay die Besten im German Sailing Team so stark gemacht hat.
„Bei den Olympischen Spielen tragen wir die Nationalfarben im Segel. Es ist ein schönes Gefühl, sein Land zu vertreten. Für uns ist der Olympiastart aber auch eine Verantwortung gegenüber unserer Trainingsgruppe. Jeder von denen hätte das Zeug zu Olympia gehabt. Wir wollen auch für sie um eine Medaille kämpfen“, sagt 470er-Steuermann Simon Diesch, der sich damit vor den geschlagenen Teamkameraden Malte und Anastasiya Winkel, den 2022er-Weltmeistern Luise Wanser und Philipp Autenrieth, den aufstrebenden Theresa Löffler und Christopher Hoerr und weiteren verneigt. Simon Diesch und Anna Markfort haben im 470er-Mixed die härteste interne Olympia-Ausscheidung für sich entschieden und ziehen daraus sowohl Verpflichtung als auch Kraft für den gemeinsamen ersten Olympia-Einsatz.
Das gute Mannschaftsgefühl, das sie zwei intensive Jahre lang in ihrer Disziplin auf höchstem Niveau mitgeprägt haben, erleben Simon Diesch und Anna Markfort jetzt auch im 14-köpfigen Segelaufgebot für „Team D“. „Wir sind eine Olympia-Mannschaft mit Zusammenhalt. Da sind viele unterschiedliche Charaktere, die sich gut ergänzen“, sagt Simon Diesch, der mit einer Goldmedaille unter dem Familiendach groß geworden ist, die sein Vater Eckart Diesch mit seinem Bruder und Steuermann Jörg Diesch 1976 im Flying Dutchman gewann.
„Ich bin aufgewachsen mit Segelbildern im ganzen Haus, mit Empfängen in Friedrichshafen mit der ganzen Stadt. Die Goldmedaille habe ich mehr als einmal in der Hand gehabt. Was ich von meinem Vater und meinem Onkel gelernt habe: Olympische Spiele sind ein einmaliges Erlebnis und wert, jedes Herzblut reinzustecken. Sie heben dich nicht als Menschen auf eine andere Stufe, setzen aber neue Perspektiven. Was in meiner Familie verpflanzt wurde, ist die Faszination Segelsport und das Bestreben, ihn auf höchstmöglichem Niveau zu betreiben.“
Simon Diesch hatte sich nach der mit seinem langjährigen Vorschoter Philipp Autenrieth verpassten 470er-Olympia-Qualifikation für die Spiele in Japan 2021 zunächst intensiv auf sein Jura-Studium konzentriert. Im April 2022 klingelte plötzlich sein Telefon. Es ist Anna Markfort, die eine gemeinsame Olympia-Kampagne in der neu-olympischen 470er-Mixed-Disziplin vorschlägt. Der Comeback-Chance können beide Leistungssportler nicht widerstehen. Auch die Berlinerin hat nach der Ausscheidungsniederlage an der Seite von Frederike Loewe im vergangenen Olympia-Zyklus noch eine offene Rechnung mit den Spielen.
Sie steigen voll ein, ackern in der international beneideten deutschen Trainingsgruppe für den schnellstmöglichen Aufstieg. Anfang 2023 wirft sie eine Verletzung von Simon Diesch noch einmal zurück – dann kommen sie immer stärker in Fahrt, holen Silber bei der Europameisterschaft in Sanremo. Die knapp verpasste Qualifikation für die olympische Testregatta spornt sie noch mehr an. Ebenso der Kieler-Woche-Sieg im Heimatrevier. Schließlich setzen sie sich im Kampf um nur eine 470er-Mixed-Olympiafahrkarte im deutschen Ausscheidungskrimi durch: Beim EM-Showdown vor Cannes sichern sie sich im indirekten Bug-an-Bug-Duell mit Malte und Anastasiya Winkel das Marseille-Ticket.
Als Anna Markfort nach der emotionalen Achterbahnfahrt in Cannes ihrer Schwester Greta in die Arme fällt, schließt sich für sie ein Kreis. Als Teenager hatten die beiden Markfort-Mädels – angeregt von Jugendtrainer Friedrich Gebert im heimischen Joersfelder Segel-Club – im 420er gemeinsam ihre Leidenschaft für den Segelsport entwickelt. Der Coach begleitete sie bis in den 470er. Ein weiterer wichtiger Mentor war der Großvater, der seiner Enkelin Anna als Ingenieur das Segeln auch aus physikalischer Sicht erklärte. „Es ist aber weder bei mir noch bei Simon der Geschwistergedanke in einem Boot aufgegangen. Jeder muss seinen eigenen Weg gehen. Ich bin weitergegangen, gehe den Weg auch für Greta mit“, sagt Anna Markfort heute mit großer Dankbarkeit für die wichtigen ersten Jahre in einem Boot mit der Schwester.
In Kiel schloss sich für Simon Diesch und Anna Markfort kurz vor Beginn der Olympia-Regatta ein weiterer Kreis: Hier hatten sie sich kurz vor Beginn der Kieler Woche 2022 zum ersten gemeinsamen Test im 470er getroffen. Kurz danach setzten sie auf der Förde mit Platz zwei auf Anhieb ein erstes dickes Ausrufezeichen. Als größte und schwerste Crew im Feld der nur 20 olympischen 470er-Mixed-Teams steuern der 1,82 Meter große Simon Diesch und die 1,85 Meter große Anna Markfort nun zwei Jahre später ihrem Gipfelsturm fulminant entgegen. „Unsere Ambitionen sind groß. Wir wollen nicht als Touristen nach Marseille fahren. Wir wollen eine Medaille. Wir wollen Gold. Wir wissen, dass wir das Potenzial dazu haben, aber natürlich gehört bei einem Wettkampf vieles dazu,“ spricht Anna Markfort das bewusst hoch gesteckte Ziel aus.
Dass sich sowohl Simon Diesch als auch Anna Markfort früh für den bereits seit 1976 olympischen 470er als Boot der Wahl entschieden haben, erklärt Anna Markfort, die in ihrer Jugend auch andere Sportarten wie Voltigieren, Tennis und Lacrosse intensiv genoss: „Der 470er ist noch eine der alten und damit klassischen Bootsklassen. Durch die vielen Trimm-Möglichkeiten und den verhältnismäßig langsamen Bootsspeed spielen Taktik und Strategie im 470er eine deutlich größere Rolle als in den schnelleren Bootsklassen. Das gefällt und reizt uns.“ Simon Diesch ergänzt: „Der 470er bietet das breiteste Segelsportspektrum, ist strategisch unheimlich fordernd. Er fordert und ermöglicht es ähnlich dem Ilca, auf alle Herausforderungen adäquat zu reagieren. Hier machen Zentimeter den Unterschied zwischen gut und herausragend.“
Dem Olympiarevier blickt das Duo vom Bodensee und vom Wannsee, das mit komplizierten Binnensee-Bedingungen vertraut ist, optimistisch entgegen. Simon Diesch sagt: „In der Bucht von Marseille wird es nie langweilig. Diese Vielfältigkeit macht die Bucht von Marseille unheimlich attraktiv. Sie kommt uns entgegen, weil wir gerne knifflige Aufgaben lösen.“ Anna Markfort lacht und sagt: „Das unterschreibe ich direkt. Hinzu kommt der athletische Aspekt. Auch da fühlen wir uns wohl.“
Als Segler und Menschen ergänzen sich der besonnene Simon Diesch und die angriffslustige Anna Markfort ideal. Der Jurist und die Pädagogin haben sich die Aufgaben in ihrer Kampagne untereinander aufgeteilt. „Ich kümmere mich eher ums Tauwerk, Simon um Gelcoat oder Ruder und Schwerter“, nennt Anna Markfort ein Beispiel. Ihnen eigen ist auch die Auswahl eines Songs für jeden ihrer Regattatage, oft gewürzt mit einer starken Prise Humor.
„Als erstes Lied hat mir Simon damals ‚Zehn kleine Jägermeister‘ von den Toten Hosen beigebracht“, erzählt Anna Markfort lachend. Beim EM-Durchbruch auf Kurs Olympia war es der auch zum aktuellen Bootsnamen passende, gleichnamige Soulsong „Sunny“, mit dem sich Diesch und Markfort für gute Leistungen auf dem Wasser einstimmten. Dabei erinnerte „Sunny“ an einen anderen Großen des deutschen Segelsports: Anna Markforts Vereinskamerad Willy Kuhweide, der 1964 im Finn-Dinghy seine legendäre Goldmedaille gewann, die heute im Verein Seglerhaus am Wannsee in einer Vitrine zu sehen ist, segelte im Olympiajahr 1972 mit seinem Starboot „Sunny“ zu WM-Gold.
In starker Zusammenarbeit mit DSV-Trainer Steven Lovegrove nehmen Simon Diesch und Anna Markfort fokussiert, selbstbewusst und hoffnungsfroh Kurs auf ihre Olympia-Premiere. Der erste Startschuss für die 470er-Mixed-Flotte fällt am 2. August. Das Finale vor Marseille steigt am 7. August.
Simon Diesch
Position: SteuermannGeboren: 16. Dezember 1995
Geburtsort: Tettnang
Wohnort: Deggenhausertal
Verein: Württembergischer Yacht-Club
Trainer: Steve Lovegrove
Größe: 1,82
Beruf: Jura-Student
Anna Markfort
Position: VorschoterinGeboren: 2. Juli 1993
Geburtsort: Berlin
Wohnort: Kiel
Verein: Verein Seglerhaus am Wannsee/Joersfelder Segel-Club
Trainer: Steve Lovegrove
Größe: 1,85
Beruf: Sportsoldatin, Pädagogin
Quelle: DSV
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