Was für eine Achterbahnfahrt! Wie kann so etwas passieren? Die Medaillentscheidung der Frauen stand durch einen fatalen Fehler auf der Kippe. Die unglaublichen Emotionen und Entwicklungen in Bildern.
Beim Medalrace der Frauen im 49erFX standen aus deutscher Sicht die Entdeckungen dieser Segelspiele im Fokus, Marla Bergmann und Hanna Wille. Sie lagen nach einer starken Serie auf Rang fünf und hatten sogar noch die Chance auf eine Medaille.
Ausgerechnet an diesem Tag weht aber der konstanteste Wind der Woche. Es geht um Speed bei mittleren Windgeschwindigkeiten über 10 Knoten. Dabei ist Gewicht am Draht vorteilhaft – nicht gerade die Stärke der jungen Hamburgerinnen.
Sie starten zwar gut, aber ausgerechnet in Lee der Schwedinnen – die Schnellsten bei diesen Bedingungen. Bergmann/Wille werden überlaufen, müssen wegwenden, sind fast im gesamten Rennen Letzte, holen auf dem finalen Vorwind aber noch zwei Plätze auf.
Da Italien auf Rang zwei segelt, ist es in der Gesamtwertun am Ende Platz sechs, ein unfassbar starkes Ergebnis für die Youngster. Denn es war eben nicht nur eine reine Schwachwindregatta, bei der ihnen große Chancen auf vordere Plätze zugetraut wurden. Sie meisterten alle Bedingungen nervenstark, ließen sich von einem Frühstart nicht aus der Ruhe bringen und passten ihr Risiko an der Startlinie an. Ein toller Erfolg!
Hauptdarstellerinnen bei diesem Medalrace sind allerdings andere: Die viermalige Weltmeisterin Odile Van Anholt und Annette Duetz, mit der sie zweimal den Titel holte. Die niederländische Steuerfrau (26) trägt einen großen Segler-Namen.
Ihr Vater Cor van Aanholt (65) war in frühen Jahren einer der besten Lasersegler der Welt, der im Alter von 41 Jahren 2000 sogar noch einmal selbst für die Niederländischen Antillen bei den Olympischen Spielen antrat. Er wurde mehrfach Sunfish-Weltmeister und für seine Verdienste um den Segelsport – auch als Funktionär – von König Willem Alexander mit dem hohen niederländischen Verdienstorden von Oranien-Nassau ausgezeichnet.
Odiles ältere Schwester Philipine nahm 2012 im Laser an den Olympischen Spielen teil, der Bruder Just startet aktuell für die niederländische Karibikinsel Aruba im ILCA7 und sie selbst ist nun Olympiasiegerin im 49erFX.
Die Crew galt als Topfavorit für Gold, hatte in Marseille früh die Führung übernommen und überragenden Allround-Qualitäten bewiesen. Mit großem Vorsprung ging es in den vorletzten Tag. Nach 15/4/14 rutschten sie aber noch auf den Silberplatz zurück. Sollte es doch noch eine Überraschung geben? Die Französinnen segelten das Medalrace im Gelben Trikot.
Dort übernahmen Van Anholt/Duetz aber schnell das Kommando, führten souverän von der ersten Marke bis zu letzten, wollten bei der Passage des Zielschiffes ordentlich feiern – aber dann hielten sie inne. Niemand wollte mit ihnen jubeln. Was war passiert?
Was in der sensationellen Übertragung von Tobi Schadewaldt, der in dieser Rolle schon jetzt ein großer Gewinner dieser Spiele ist, auf die Schnelle kaum zu erkennen war: Holland gewinnt nur Gold, weil die Amerikanerinnen den noch größeren Fehler begehen. Sie lassen sich verunsichern, segeln auch wirklich zurück und werden Letzte.
Sonst hätten sie das Rennen gewonnen oder wären Zweite geworden. Sie waren sogar durch das Gate gesegelt, obwohl sie es nicht mussten. Es ist nicht klar, warum sie zurücksegelten. Es ging um große Verunsicherung. Damit spielten sie Zünglein an der Waage: Mit einer Platzierung vor den Niederländerinnen hätten diese zwei Punkte mehr auf dem Konto gehabt und Gold an Schweden verloren.
Van Aanholt erklärt nach dem Rennen: „Es gab ein paar Sekunden, in denen Annette und ich herausfinden mussten, was falsch gelaufen ist. Es wurde ein anderer Kurs gesegelt und diese Information hatten wir verpasst. Aber wir haben schnell reagiert und das hat uns am Ende die Goldmedaille beschert.“ Das klingt gefasst, aber die Bilder zeigen das Wechselbad der Gefühle.
Einer der ersten Gratulanten war ihr langjähriger Freund Bart Lambriex, mit dem sie schon oft zusammen auf dem 49er Treppchen stand. Der dreimalige 49er-Weltmeister und Olympia-Favorit mit Partner Flores Van de Werken hatte vor Marseille schwer zu kämpfen und war nur durch Glück überhaupt ins Medalrace gerutscht. Die vor ihnen platzierten Chinesen waren disqualifiziert worden, weil sie ein fehlendes Ausgleichsgewicht falsch angebracht hatten (hier die Entscheidung).
Aber dieses Medalrace beendeten die Niederländer versöhnlich auf Rang zwei und schoben sich noch auf Platz sechs nach vorne. Die große Entscheidung fürs Leben hatte einer der besten eSailor der Welt und Youth America’s Cup Steuermann für Holland auch schon vor der Olympiaregatta getroffen.
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Der 25-Jährige war in einem Edelrestaurant bei Amsterdam vor Van Aanholt auf die Knie gegangen, nachdem er ihr einen Ring im Dessert hatte servieren lassen. „Es war super romantisch“, bekundete die jetzige Olympiasiegerin.
„Ich bin wirklich froh, dass er es getan hat, weil mich eine gewisse Leichtigkeit überkam und auch ein bisschen der Gedanke: ‚Ich weiß, dass die Olympischen Spiele wichtig sind, aber es ist nicht mehr so wichtig, ich habe dieses Jahr schon gewonnen’“ Die beiden kennen sich seit dem Alter von acht Jahren, als sie beide Optimist segelten. Sie waren lange Zeit befreundet und wurden im Alter von 18 und 19 Jahren ein Paar.
Nun werden sie zusammen am Women’s und Youth America’s Cups teilnehmen. Auch Van Aanholt ist in die Kampagne der Niederländer involviert.
Lambriex hatte eigentlich gedacht, den Mitfavoriten aus Spanien einen schönen Kampf um die Goldmedaille liefern zu können. Diego Boris und Florian Trittel haben aber ihren unglaublichen Höhenflug fortgesetzt und nach dem Zwei-Millionen-Dollar-Sieg beim SailGP nun auch 49er-Gold gewonnen. Mit einem souveränen Mefalrace-Sieg liegen sie am Ende 12 Punkte in Führung vor den Neuseeländern Isaac McHardie/William McKenzie und den Amerikanern Ian Barrows/Hans Henken.
How to follow
Hier hat die ARD den Livestream verlinkt, hier fasst das ZDF die Übertragungen zusammen. Die Rennen können dann später auch im Rückblick in den jeweiligen Mediatheken gesehen werden.
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