Der Abschluss des Revivals der olympischen Segelregatten von 1972 bot noch mal Hochspannung auf der Kieler Außenförde. Die Weltmeisterschaft der Tempest war schon am Vortag aber überraschend knapp entschieden. Bei der Nordeuropäischen Meisterschaft der Stare und der Internationalen Deutschen Meisterschaft der Flying Dutchman ging es dagegen bis zum Ende um Gold und Silber. Neben den bereits feststehenden Tempest-Siegern Markus Wieser/Thomas Auracher feierten Jörgen Schönherr/Markus Koy (Star) und Kay-Uwe Lüdtke/Kai Schäfers (Flying Dutchman) den siegreichen Abschluss vor Kiel.
WM der Tempest
Nach acht WM-Wettfahrten, in denen entweder Markus Wieser/Thomas Auracher (München) oder Lars und Leif Bähr (Berlin) als Erste über die Ziellinie gingen, hatten zum Abschluss noch einmal andere Tempest-Crews die Chance zum Tagessieg. Gold und Silber waren im Titelkampf bereits vergeben, und so entschieden sich die Weltmeister (Wieser/Auracher) sowie die ersten Verfolger (Bähr/Bähr) am Morgen, auf das letzte Rennen zu verzichten und sich in aller Ruhe auf die beruflichen Verpflichtungen in den nächsten Tagen vorzubereiten.
Für die Bähr-Brüder war es die Gelegenheit, sich die vergangenen – wenn auch seltenen Duelle – mit Markus Wieser in Erinnerung zu rufen. „2007 waren wir das erste Mal aufeinandergetroffen – bei der Deutschen Meisterschaft im Match Race auf dem Wannsee“, erinnert sich Leif Bähr. In der Vorrunde konnten die Bährs dem Champion sogar einen Sieg abringen. Mangels Wind wurde die Finalrunde schließlich verkürzt und verhinderte ein weiteres Aufeinandertreffen. Wieser gewann den Titel.
Die Revanche, die German Open der Tempest 2019 auf dem Wannsee, konnten die Bährs für sich entscheiden. Nun war wieder Wieser vorn, so dass Lars und Leif Bähr in einer Fortsetzung der Serie nun auf einen erneuten Sieg hoffen: „Wir würden ihn gern wieder bei einer Tempest-WM treffen – und dann schlagen.“
Eine Gefühlslage aus Glück und Erleichterung machte sich bei Christian Spranger/Christopher Kopp (Chiemsee) nach dem Ende der neunten und letzten Wettfahrt breit. Als Dritte waren sie mit komfortablen Vorsprung in den Tag gestartet, als Dritte gingen sie heraus – das aber nur knapp mit einem Vorsprung vor Herbert Kujan/Oliver Babik (Forggensee). Ein zehnter Platz brachte Spranger/Kopp fast noch um die Medaille. „Start und Speed waren gut, aber auf der Kreuz haben wir die falsche Seite erwischt. Zum Glück ist es gut ausgegangen“, sagte Steuermann Spranger. Vorschoter Kopp fasste die knappe Entscheidung in wenigen Worten zusammen: „Das war noch mal eine Nervenschlacht.“
Für die Tempest-Klasse war das Olympia-Revival die Rückkehr an den Ort, der das offene Kielboot mit Jollencharakter ins Rampenlicht setzte und wo sie zuletzt vor 44 Jahren zur Kieler Woche gesegelt waren. Das vom Briten Ian Proctor entwickelte Boot war seiner Zeit in den 1960er Jahren weit voraus, setzte sich bei den Trials für eine neue olympische Bootsklasse in 1965 klar gegen die Konstruktions-Konkurrenz durch und erhielt schließlich den Olympiastatus für die Spiele 1972.
Die rasante Entwicklung führte dazu, dass die Größen anderer Klassen, in die Tempest wechselten und um Olympia-Medaillen segelten. Valentin Mankin, der russische Finn-Olympiasieger von 1968, gewann vor Kiel in der Tempest sein zweites Olympia-Gold. Vier Jahre später in Kingston/Kanada holte Mankin noch einmal Silber, verwies dabei den US-amerikanischen Segel-Superstar Dennis Connor auf den dritten Platz.
Doch nach den 1976er Spielen verlor die Tempest ihren Olympiastatus an den Star, in dem Mankin 1980 ein weiteres Mal Olympiagold holte und damit zu einem der erfolgreichsten Olympiasegler aller Zeiten wurde.
Nach dem Verlust des Olympiastatus bewahrte sich die Tempest vor allem in Mitteleuropa, in Süddeutschland, Österreich, der Schweiz, aber auch in Frankreich und in England ihre Attraktivität. Aber auch in Australien und den USA gibt es noch einige Tempest. Das spiegelte sich auch in den Meldezahlen zum Olympia-Revival von Kiel wider. Europa ist am stärksten vertreten, aber auch die US-amerikanische Flagge wehte zur WM.
Meg Engelmann aus Minnesota hatte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, in Kiel an den Start zu gehen. „Ich habe die Tage hier in Kiel sehr genossen. Wir waren schon einige Tage vorher angereist und hatten perfektes Sommerwetter“, berichtete die US-Amerikanerin, die vor rund 30 Jahren nach Deutschland gekommen ist, seit 25 Jahren verheiratet ist und am Chiemsee lebt. Aber die USA bleiben ebenso ihre Heimat. Neben dem SC Harras Chiemsee vertritt sie auch den Lake Harriet Yacht Club, wo sie einst auf einer Pirat-ähnlichen Jolle das Segeln lernte und erst im Juli wieder war.
Von der Tempest-Klassenvereinigung wurde sie vor vier Jahren entdeckt und in die Klasse gezogen. 2019 nahm sie auf dem Tegernsee das erste Mal an einer Tempest-WM teil. „Die Klasse ist wie eine große Familie, und mit Florian Fischer habe ich einen erfahrenen Vorschoter.“ Zur Revival-Regatta segelte Meg Engelmann gute Mittelfeld-Platzierungen, ärgerte sich aber über eine Frühstart-Disqualifikation und einen Rennaufgabe. „Uns ist der Unterliek-Strecker gerissen. Ich habe zu spät gezogen und dann war schon zu viel Druck drauf. Aber es hat unglaublich Spaß gemacht, hier zu segeln.“
Nordeuropäische Meisterschaft der Stare
Bei den Staren zeigte sich am letzten Tag, wie erbittert um den Nordeuropa-Titel und die Platzierungen gekämpft wurde. Die Flotte war in der Abschlusswettfahrt kaum zu bändigen. Mehrmals musste Wettfahrtleiter Robert Niemczcewski die Meute am Start zurückpfeifen, bevor er sie schließlich auf die Bahn loslassen konnte. Die Winddreher mischten sich dann in den Titelkampf ein, den schließlich der Däne Jörgen Schönherr mit seinem Hamburger Vorschoter Markus Koy vor den Trainingspartner Max Kohlhoff/Ole Burzinski (Kiel/Flensburg) und Reinhard Schmidt/Niels Hentschel (München/Schaumburg-Lippe) gewann.
„Nach den Massenfrühstarts sind wir konservativ gestartet, aber besser als Max. Nach der ersten Kreuz waren wir Dritte. Es wechselte dann ein bisschen hin und her, aber am Ende konnten wir uns noch auf den ersten Platz vorarbeiten“, so Schönherr. „Der Wind war so wechselhaft, dass ein Covern der Gegner nicht möglich war“, ergänzte Koy, der sich am Morgen noch über die Strafpunkte geärgert hatte, die die Crew wegen des Nichttragens der farbigen Leibchen für die Top-Crews kassiert hatte. „Natürlich sind wir jetzt zufrieden, aber die Strafpunkte ärgern mich ungemein. Eine Verwarnung hätte auch gereicht.“
Für Schönherr/Koy war das Olympia-Revival die Generalprobe für die WM der Stare in Marblehead/USA. Es ist die 100. WM der ehemaligen Olympiaklasse, die alle Top-Stars der Szene zusammenruft. Das dänisch-deutsche Duo hat sich dafür einiges vorgenommen: „Wir wollen besser sein als letztes Jahr“, so die WM-Vierten von 2021 mit einem Grinsen.
Auf die WM verzichten müssen Max Kohlhoff/Ole Burzinski. „Da fehlte es an der Finanzierung“, so Burzinski. Dem jungen Team drückte die knappe Niederlage vor Kiel auf die Stimmung, da sie mit einem vierten Platz zum Abschluss die Gesamtführung noch aus der Hand gegeben hatten.
„Wir haben leider schon am Anfang der Serie ein paar Punkte liegen lassen. In der letzten Wettfahrt sind wir vielleicht nicht dicht genug an Jörgen und Markus dran geblieben. Die Bedingungen waren aber auch schwierig mit Strömung am Start und wechselnden Winden auf der Bahn“, versuchte Burzinski die Enttäuschung runterzuschlucken. „Wir nehmen zwar viel mit aus der Regatta, leider haben wir uns nicht belohnt. Dem Star wollen wir treu bleiben und planen für nächstes Jahr die WM in Scarlino.“
IDM der Flying Dutchman
Jörgen Bojsen-Möller, der dänische FD-Olympiasieger von 1988, hatte mit seinem Bruder Jacob bereits am Sonnabend den schwierigen Windbedingungen auf der Bahn vor der Steilküste des Dänischen Wohlds in der Eckernförder Bucht Tribut zollen müssen und war durch zwei Patzer aus dem Medaillenrennen herausgefallen.
So wurde die Entscheidung über Gold, Silber und Bronze zu einem Zweikampf der Nationen Deutschland und Ungarn – mit den Hauptakteuren, die bereits zur Kieler Woche auf Augenhöhe agiert hatten. Die viermaligen Vize-Weltmeister Kay-Uwe Lüdtke/Kai Schäfers (Berlin/Arnsberg) arbeiten bereits lange daran, die Rekordweltmeister Szabolcs Majthényi/András Domokos zu entthronen.
Jetzt durften die Deutschen feiern. Mit einem Tagessieg zum Abschluss stellten Lüdtke/Schäfers den IDM-Sieg sicher. Wie groß die Erleichterung – nicht nur bei den Siegern – war, konnte im Hafen beobachtet werden. Nach dem Slippen der Boote strömte die deutsche Flotte auf die erfolgreiche Crew zu, klatschte ab, nahm sie in den Arm und drückte sie kräftig. „Endlich hat es geklappt. Dieses Selbstvertrauen nehmen wir nun gern mit an den Gardasee zur Weltmeisterschaft“, sagte Kay-Uwe Lüdtke. „Wir waren schon häufiger in der Position, die Ungarn zu schlagen, haben aber im entscheidenden Rennen immer Fehler gemacht.“
Und auch das Finale der IDM war alles andere als ein einfaches Feld. „Heute sah der Wind eigentlich gleichmäßiger aus als gestern, aber dann war es doch wieder schwierig. Wir haben einen Linksdreher besser als die Ungarn erwischt und haben sie dann gecovert“, beschrieb Kai Schäfers die entscheidende Phase des Rennens. Während Lüdtke/Schäfers den dritten Sieg der Serie einfuhren, mussten sich Majthényi/Domokos mit Platz fünf begnügen. Die Silbermedaille war ihnen aber nicht mehr zu nehmen. Shmuel Markhoff/Lars Stöckmann (Hannover) schoben sich noch auf den dritten Platz nach vorn.
„Das war hier schon eine Art Mini-WM. Ein Top-Feld, ein gutes Revier und enge Rennen. Deshalb zählt das für uns richtig viel. Die WM ist nun offen“, so Lüdtke.
Der FD-Bronzemedaillengewinner von 1972, Ulli Libor, strahlte an Land. „Es hat riesigen Spaß gemacht“, so der 82-Jährige beim Fachsimpeln mit Jörg Diesch, gegen den Ulli Libor/Ernst Greten für die Spiele 1976 in der Qualifikation gescheitert waren. „Der FD ist deutlich schneller geworden und damit auch anstrengender“, ergänzt Libor.
Zweimal sind die Routiniers baden gegangen. Es sei anstrengend, wieder einzusteigen und weiter zu segeln, so Greten. „Und es kostet eben Plätze“, ergänzte Libor. Ob es die letzte Regatta im FD gewesen sei. „Man soll nie nie sagen, aber eigentlich bin ich im 2.4mR angekommen“, blickte Libor nach vorn. Vielleicht einmal in Steinhude, wo sich die beiden vor vier Jahren getroffen habe. Doch an der Vorschot ist das Segeln hart. „Das Knie spielt nicht mit“, fühlt sich auch Greten an der Pinne wohler. Jörg Diesch lauschte und bekannte, dass er inzwischen lieber Gulet (Urlaubsboote in der Türkei) segelt.
Norddeutsche Meisterschaft der Drachen
Die Drachen hatten ihr Olympia-Revival bereits einen Tag früher beendet. Zwei intensive Wettfahrten gelangen den Drachen dabei in Bedingungen, die einen guten Blick für die Winddreher verlangten. Die souverän Führenden des ersten Tages (drei Siege in drei Wettfahrten), Ingo Ehrlicher/Michael Lipp/Anton Ehrlicher, kamen zwar aus dem Start zur ersten Wettfahrt nicht gut heraus und kamen nur im Mittelfeld an der ersten Tonne an. Danach fanden sie aber den Weg zwischen den Konkurrenten hindurch, arbeiten sich in dieser Wettfahrt noch auf Platz sechs vor, um dem einen weiteren Renn-Sieg folgen zu lassen. So holten sich die Bayern nicht nur den Regatta-Sieg, sondern dürfen sich auch Norddeutsche Meister nennen. „Der Titel ist etwas wert, wird in der Ranglisten-Wertung hoch dotiert. Daher sind wir super glücklich. Wir haben die Konzentration hochgehalten und damit verhindert, dass wir uns ein schlechtes Resultat einfangen“, so Ehrlicher. Auf die Frage nach dem entscheidenden Faktor für den Sieg, wiesen Steuermann und Taktiker Lipp auf den 18-jährigen Youngster im Team. „Anton ist schuld. Er hat einfach perfekte Ansagen gemacht“, so Lipp. Auf Rang zwei landeten Tim Ladehof/Tim Alexander Jesse/Arne Brügge (Rendsburg) vor Olaf Sternel/Mario Wagner/Stefan Waack (Hamburg).
Als erste an Land waren indes Christopher Opielok/Jan Welken/Kalle Dehler. „Wir haben an der ersten Tonne eine Lücke erahnt, wo keine war. Wir können uns nur bei den anderen Drachen entschuldigen“, so Opielok. „Wir haben für richtig Verwirrung gesorgt und einige zum Stillstand verdonnert“, so Kalle Dehler. „Wenn man schnelle, wendige Boote gewohnt ist, dann ist nicht jedes Manöver auch für unseren Holzdrachen geeignet“, erklärte der Hamburger beim Verpacken der „Moana“ auf den Trailer. So war das NRV-Team ungewollt Sieger beim Hafen-Rennen. „Der DNC war völlig korrekt. Ein Knoten in der Schot verhinderte das Abfallen“, so Opielok, der einen Gin für die geschädigte Crew in Aussicht stellte. Der erste Weg führte ins Regattabüro, um ein Schreiben für die Jury aufzusetzen und die Schuld einzugestehen, um irgendwelche Proteste für unnötig zu erklären. Weitersegeln kam für den erfahrenen Skipper nicht in Frage. „Das war mir zu peinlich“, so Opielok. Für Kalle Dehler blieb der Blick auf seinen Sohn Thomas, der an Bord von Maximilian und Pia Dose auf Rang fünf segelte.
Text: Hermann Hell / Ralf Abratis
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