Vorschau auf die Europameisterschaft der A-Cat in Warnemünde (7.-14. Juli 2018): Internationale Segelprominenz ist bei der Warnemünder Woche nicht in jedem Jahr geboten. Dazu ist die kleine Schwester der Kieler Woche dann doch nicht bedeutend genug. Doch in diesem Jahr zieht es zahlreiche Stars an Deutschlands bestes Segelrevier.
Der Grund ist die Europameisterschaft der A-Cat-Klasse. Seitdem die filigranen Carbonrenner vor einigen Jahren das Foilen gelernt haben, sind sie für America’s-Cup-Segler ebenso wie für andere Schnellsegler als Trainingsplattform interessant. Mit Paul Larsen tritt in Warnemünde beispielsweise der amtierende Inhaber des Weltrekords im Segeln an (65 Knoten auf Sail Rocket). Weitere wohlklingende Namen sind Kyle Langford (America’s Cup und zuletzt Volvo Ocean Race) und Adam May (Moth-Crack und America’s Cup-Designer).
Absoluter Topstar in Warnemünde ist jedoch der australische America’s-Cup-Gewinner Glenn Ashby. Aufgrund seiner Verpflichtungen beim Team New Zealand und bei der Super-Foiler-Serie hat sich Ashby in den letzten Jahren rar gemacht bei den A-Cats. Doch der neunmalige A-Cat-Weltmeister hat es nicht verlernt, wie er zuletzt im vergangenen Winter demonstrierte: Er gewann die hochkarätig besetzte Australische Meisterschaft und schlug dabei unter anderem den amtierenden Weltmeister Steve Brewin.
Die vergangenen Meisterschaften der A-Cats waren immer ein Wettstreit zwischen zwei Werften und ihren jeweiligen Lagern und Werksfahrern. Auf der einen Seite stehen die polnischen Exploder, die trotz günstigem Herstellungspreis Top-Qualität in Carbon bieten. Jakub Kopyłowicz und sein Team stellen mit dem aktuellen Modell AD3 ein überzeugendes Gesamtpaket aus Plattform, Trampolin, Mast und Foils zur Verfügung.
Die neuen Decksweeper-Segel
Die Plattformen müssen leicht, steif und unzerstörbar sein, bei zugleich wenig Windwiderstand. Letztes wird nicht unwesentlich durch die winddichten Trampoline erreicht, zwischen deren beiden Lagen sich die Streckerleinen und das Schotsystem verstecken. Die Masten müssen mit den Decksweeper-Segeln harmonieren, Großsegel ohne Großbaum, die über das Deck streichen und keinen Spalt mehr zwischen Trampolin und Segel aufweisen. Die Formen haben sich in jüngerer Zeit stark gewandelt.
Am wichtigsten sind aber zweifelsohne die Foils, sprich Schwerter und Ruder. Exploder hat in den letzten Jahren dutzende Foils entwickelt und ausprobiert, denn Computersimulationen alleine reichen einfach nicht aus, um das letzte Quäntchen Leistungssteigerung zu erzielen.
Foilen an der Kreuz bei sieben Knoten Windgeschwindigkeit geht nur, wenn alles perfekt stimmt, wenn Auftrieb und Widerstand in einem idealen Verhältnis zu einander stehen. Der Lohn für die aufwändige Entwicklungsarbeit war der Sieg bei der Weltmeisterschaft 2017 im polnischen Sopot durch den Australier Brewin.
Holländer geben Gas
Auf der anderen Seite steht die niederländische DNA-Werft, deren Werksfahrer Mischa Heemskerk schon zahlreiche Erfolge bei WMs und EMs erzielen konnte (SR-Story: Der fliegende Holländer am Gardasee). Er ist aktiv an der Entwicklung beteiligt und gibt dem Design-Team wertvolles Feedback. Das 2016 von DNA lancierte Modell F1 stellte einen Quantensprung dar: Noch nie in der Geschichte des Segelsports war ein Serienboot so konsequent auf die Verringerung des Windwiderstandes hin gebaut worden.
DNA hat sich diesbezüglich dem Niveau des America’s Cup angenähert. Mit dem aktuellen Modell, dem in diesem Frühjahr lancierten DNAF1x, tat sich Heemskeerk allerdings zuletzt vor allem bei leichten Winden schwer. Beim Ausflug zum Schweriner See im Mai hatte er noch Probleme (Bericht). Er konnte sich mehrfach nur im Mittelfeld platzieren. Doch wenn die Zeichen nicht trügen, hat das DNA-Camp nun durch neue Foils und viel Feintuning den gordischen Knoten durchschlagen.
Mitverantwortlich dafür ist kein Geringerer als Glenn Ashby, der seit Wochen mit einem DNAF1x trainiert und der dafür sorgte, dass kleine, aber entscheidende Veränderungen vorgenommen wurden. Von ihnen wird auch Heemskerk profitieren.
Neunfacher Weltmeister ist Favorit
Angesichts ihrer konzertierten Anstrengungen ist die Wahrscheinlichkeit also hoch, dass an Ashby und Heemskerk bei dieser Euro kein Weg vorbei geht. Sie sind klar die Topfavoriten. 2015 wurde Heemskerk bei der WM in Punta Ala von Ashby knapp geschlagen. Die Ironie der Geschichte: Heemskerk hatte sich kurz vor der WM mit der Entwicklung eines Decksweeper-Segels einen Vorteil erarbeitet. Segelmacher Ashby kopierte das neue Konzept binnen Tagen und schnappte Heemskerk den Titel weg.
Doch in der A-Cat-Klasse wird bei allem Ehrgeiz nicht verbissen gekämpft, gerade die Top-Stars sind äußerst umgängliche Typen. Sie betonen glaubwürdig, dass auch bei ihnen der Segelspaß im Vordergrund steht. Und der wird beim A-Cat reichlich geboten.
Weltmeister Brewin nimmt nicht an der Euro in Warnemünde teil, er konzentriert sich derzeit auf eine Olympia-Kampagne im foilenden Nacra 17, so wie auch die polnischen Top-Segler Tymoteusz Bendyk und Jakub Surowiec.
Doch eine große Gruppe exzellenter Segler wird Ashby und Heemskerk dicht im Nacken sitzen. Der Spanier Manuel Calavia bewies bereits bei der letzten Weltmeisterschaft, dass er ganz vorne mithalten kann. Der Schweizer Sandro Caviezel startet mit einem modifizierten G7 der Scheurer-Werft, er hat in der Vergangenheit immer wieder exzellente Bootsgeschwindigkeit bewiesen.
Polen vorne erwartet
Auf dem Zettel haben muss man auch einige polnische Segler, insbesondere Jacek Noetzel und Michal Korneszczuk. Der Grieche Konstaninos Trigonis hat den ganzen Winter mit dem A-Cat trainiert und beweist derzeit bei der Euro der F18-Katamarane in Spanien, dass er in absoluter Top-Form ist. Nicht auszuschließen, dass ihm dieses Jahr das Double gelingt. Für eine Platzierung unter den ersten Drei ist auch Thomas Paasch aus Dänemark gut.
Das 21 Boote starke deutsche Kontingent wird voraussichtlich nicht um Podiumsplatzierungen mitsegeln können. Es gibt hierzulande derzeit niemanden, der sich auf professionellem Level mit dem A-Cat-Segeln beschäftigen kann. Einzige Ausnahme ist Klassenneuling Andi Lachenschmid, der 2016 mit dem Weltmeistertitel der Musto-Skiffs zeigte, dass er das Zeug zum Siegen hat, und inzwischen für den Augsburger Segel-Club in der zweiten Bundesliga steuert. Doch er wird erst noch einige Erfahrungen auf den Premium-Events der A-Cats sammeln müssen, um dort ganz vorne mithalten zu können.
Zu den deutschen Topseglern zählen außerdem der ehemalige Europameister Bob Baier, Helmut Stumhofer und Klassenpräsident Matthias Dietz. Bei leichtem Wind wird mit Georg Reutter zu rechnen sein, der dann mit seinem nicht-foilenden Classic-A-Cat insbesondere auf Vorwindkursen kaum zu schlagen ist. Eine Leichtwindrakete ist auch Katrin Brunner, die zudem eine der Anwärterinnen auf den Frauentitel ist.
Nur 17 Nicht-Foiler von 95 Booten
Insgesamt sind in Warnemünde 95 Boote am Start, darunter 17 nicht-foilende Classic-Boote mit einer zusätzlichen eigenen Wertung. Bei leichteren Winden werden die Classic-Boote eine ernsthafte Gefahr für die Foiler darstellen, denn der Widerstand ihrer Schwerter und Ruder ist geringer. Doch ab etwa sieben Knoten Windgeschwindigkeit gibt es für die Foiler kein Halten mehr. Wenn sie sich aus dem Wasser heben, beschleunigen sie, als habe jemand einen unsichtbaren Nachbrenner gezündet.
Spannend bleibt die Frage, ob das Foilen auf dem Am-Wind-Kurs Vorteile bringt und welche Masthöhe sich als schnell erweist. Bisher war die Standardlänge neun Meter. Doch die Foiler wollen jederzeit aufrecht gesegelt werden, und schon allein deshalb ist es sinnvoll, den Druckpunkt des Segels tiefer zu setzen.
Einige Segler haben daher mit einer Masthöhe von 8,5 Metern experimentiert. Ob sich dieses Konzept durchsetzt, wird sich in Warnemünde weisen. Gut möglich, dass mit Blick auf den mittelfristigen Wetterbericht kurzfristig umdisponiert wird. Derzeit wird mit einer kräftigen Schönwetter-Brise aus Nordwest gerechnet. Dabei steht auf dem Revier eine anspruchsvolle Welle. Für spektakuläre Bilder wird so oder so gesorgt sein.
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